Felix Lenz wurde vom Mak für den österreichischen Beitrag zur 24. Internationalen Ausstellung der Triennale Milano ausgewählt. Das Thema der Triennale: »Inequalities«. »Brute Force«, die zentrale Arbeit des Beitrags, handelt einerseits von der Verstrickung analoger und digitaler Wirklichkeit, trifft andererseits Aussagen über das Verhältnis von Wissen und dessen Gegenstand.

Der Planet Erde besteht zu 15 Prozent aus Silizium, in der Erdkruste beträgt der Massenanteil sogar 25 Prozent und es ist nach Sauerstoff das zweithäufigste Element. Auch oberirdisch ist Silizium mittlerweile weit verbreitet: Es steckt in Solarzellen, mit denen Strom erzeugt wird, in Bildsensoren, die in Digitalkameras verbaut sind, und in Computerchips, die sich im Inneren von Laptops verstecken, mit denen solarstrombetriebene Websites aufgerufen werden können, die Informationen bereithalten.
Informationen, zum Beispiel, zu Felix Lenz. Eine Google-Suche zu diesem Namen bringt in 0,23 Sekunden knapp 3,5 Millionen Ergebnisse. Das zuoberst angezeigte führt zu seiner Website. Deren Landingpage besteht aus einer Grafik und dem Hinweis, dass diese Internetpräsenz selfhosted und solarbetrieben sei und manchmal offline gehe. Aktueller Batterieladestand: 25 Prozent. Die virtuelle Seite bekommt damit eine Materialität, erscheint als etwas Plastisches. Das ist nichts, was an sich nicht anderswo auch der Fall wäre – es ist hier nur transparent gemacht worden. Ein Link führt zu weiteren Projekten, darunter »Brute Force«, das, als jüngstes, ganz oben auf der Liste steht.
»Brute Force« setzt Kameralinsen, Datenzentren, Greenscreens und topografische Renderings als Motive einer vom Analogen getragenen digitalen Welt ein, kehrt die Blickrichtung aber um: So, wie das Silizium, das hier für die physische Welt steht, die digitale Wirklichkeit hervorbringt, bringt Letztere auch Erstere hervor. Die entsprechenden Bilder dazu sind Close-ups und Luftaufnahmen von Landschaften, die von den Folgen der Extraktion von Silizium aus dem Erdboden, der Verarbeitung von Daten in Rechenzentren und der Kühlung dieser Zentren durch Wasser geformt sind: Bilder von architektonischen Megakomplexen, Transportsystemen, Erdlöchern und Salzwüsten.
Mit der Beschwörung der Heisenberg’schen Feststellung, dass der Akt der Beobachtung die beobachtete Welt beeinflusst, wenn nicht sogar hervorbringt, wirft der Film gleich zu Beginn einen theoretischen Anker. Im Laufe der dreißig Minuten – und nicht zuletzt im Mailänder Kontext der Einbettung des Films in eine Installation, die die Fassaden der Big-Tech-Konzerne des Silicon Valleys evoziert – zeichnet sich darüber hinaus eine Stoßrichtung des Films ab, die auf Machtstrukturen hinweist, die mit den historischen Praktiken des Beobachtens und Abbildens verbunden und unter den Oberbegriffen Neuzeit sowie Kolonialismus versammelt sind. Oder ganz nüchtern gesagt: »Wissen ist keine Ansammlung von Daten. Es ist eine materielle Praxis.«
»Brute Force [Exhibition Cut]« ist zwischen 2022 und 2025 im universitären Rahmen in Österreich, Deutschland, Frankreich und den USA entstanden. Co-Regie führte Ganaël Dumreicher. Bei der Triennale Milano ist der Film bis 9. November als Teil der Multimediainstallation »Soft Image, Brittle Grounds« zu sehen.
Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 212 ist dies: »Brute Force [Exhibition Cut]« von Felix Lenz.