Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald. Die wichtigsten deutschsprachigen Neuerscheinungen im Oktober 2025. Mit Pogendroblem, Rauchen, Bachratten und mehr.

Rauchen – »Fallen und Schweben«

Nachtrag vom September: Die Hamburger Gruppe Rauchen, die es 2023 auch zum Waves Vienna ins sehr volle Chelsea verschlagen hatte, sind in Albumform zurück! Nach dem Erstling »Gartenzwerge unter der Erde« von 2019 und »Nein«, der EP-Compilation aus 2021 – mit drei verschiedenen Genres (Postpunk, Hardcore, »Rock«) – sind Rauchen vier Jahre später dann irgendwie doch in diesem Zwischenzustand verblieben. Auf »Fallen und Schweben« bieten sie eine Mischung aus Neunziger-Alternative-Grunge (Wüste!) und klassischem East-Coast-Hardcore feil. Nicht umsonst spricht der Beipackzettel vom »zugänglichsten« Album bisher, wenngleich das natürlich für Rauchen immer noch heißt, nicht besonders zugänglich zu sein. Inhaltlich ist natürlich – natürlich! – alles sehr am Arsch, die Zeile »Aus Sturm und Drang / wurden Depression und Zwang« aus »Sturm« oder ein songgewordenes Zitat aus »Der Report der Magd« (»Desfred«) darf an dieser Stelle als allgemeiner Vibe verkündet werden. Ein Soundtrack für eine schreckliche, neue Welt – in der Wut noch als Vehikel funktioniert.
»Fallen und Schweben« von Rauchen erscheint am 26. September 2025 via Zeitstrafe. Keine Termine in Österreich. Album hier kaufen.
Click Click Decker – »Wir waren schon immer da«

Noch ein Nachtrag aus dem September. Und ein persönlicher Einschub an dieser Stelle: Es gab eine Zeit, zu der mir keine Band wichtiger war als Click Click Decker. Am 4. Mai 2009 war mein liebstes Konzert, es war im Wuk Foyer mit Click Click Decker, der jeden der nicht allzu zahlreich erschienenen Gäste mit Handschlag begrüßte. So mussten Stars damals sein! Aber, die Story wurde schon mal erzählt: Man lebt sich irgendwie auseinander. Während die Post-Teenage-Angst-Sachen der ersten drei Alben noch offene Wunden eintraten, wurde Kevin Hamanns Musik (und vor allem die Texte) irgendwie schneller erwachsen als ich. Das ursprünglich letzte Album »Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten« aus 2018 ging an mir emotional dann eher vorbei. Trotzdem freut es umso mehr, wenn ein alter Freund zurück ist, er hat dann doch gefehlt, auch wenn er behauptet, nie weggewesen zu sein. Und ja, das neue Album ist sehr schön geworden, es ist klingt unverwechselbar nach (späterem) Click Click Decker, es wird wachsen, es wird zum kleinen Freund werden, es wird seinen Platz finden, in ganz vielen neuen und alten Herzen.
»Wir waren schon immer da« von Click Click Decker erscheint am 26. September 2025 via Audiolith. Keine Termine in Österreich (schade). Album hier kaufen.
Pogendroblem – »Great Resignation«

Wer wissen will, warum die Kölner so ziemlich das »Ding der Stunde«, der »heißeste Scheiß« oder wie auch immer du zu Hypegruppen sagst, sind, dem reicht ein gar nicht so langer Durchlauf des zweiten Albums, da ist einfach für alle etwas dabei: Postpunk, Poppunk, Pop, Garage, Hamburger Schule, spätestens beim zweiten oder dritten Song ticken alle deine Checkboxen. Dazu kommt eine herrliche Zeitgeistigkeit, alleine der Titel – als Synonym für Kündigungen von Bullshitjobs – spricht Bände, ebenso wie der Vierer die persönliche Verwahrlosung im spätkapitalistischen Ausbeutungsbetrieb an. Und das Schlimme, das generational trauma, gibt’s ganz am Ende: »Von gar nichts haben wir uns befreit« handelt vom einfachen Verlust hart erkämpfter Grundrechte, bedroht und schon längst weggenommen, von jenen, denen nie etwas weggenommen wurde. Also wenn das alles hier zugrunde geht, ran an die Fackeln und gerne Pogendroblem von den Lautsprechern der letzten Autos schallen lassen, wenn es für die Reichen Heckmeck gibt.
»Great Resignation« von Pogendroblem erscheint am 10. Oktober 2025 via Kidnap Music. Termine: 16. Jänner 2026, Salzburg, Mark — 17. Jänner 2026, Wien, B72. Album hier kaufen.
Bachratten – »Rockmusik«

Bachratten, die künstlerisch wertvollste Errungenschaft Kassels, sind ein kleines Rätsel: Ihr erstes Album »Durch dich durch«, erst im Januar 2024 erschienen, war ein kleiner Geniestreich, ein wirklich tolles deutschsprachiges Neo-Grunge-Album, das aber in der allgemeinen Betrachtung (Stichwort: Hype) eher unterging, obwohl es volle Stadien verdient hätte. So stellt sich auch für »Rockmusik« (nomen est omen, immer gut) die Frage nach dem Success, welche die Zukunft wird beantworten müssen. Die Frage nach dem Können des Vierers stellt sich hingegen nicht: Wunderbar melodischer surfy Garagenrock, der seinen Gitarren schöne Ausflüge mit Fuzzpedalen gönnt, wenig aufgeregt und slacky vor sich hin schrammelt, schon seine lauten und leisen Stellen hat, für das kleine bisschen mehr oder weniger Ekstase sorgt und dabei immer irgendwie ein bisschen zu cool ist. Und etwas besseres, kann man über Rockmusik (als Genre) ja gar nicht sagen.
»Rockmusik« von Bachratten erscheint am 10. Oktober 2025 via La Pochette Surprise Records. Keine Termine in Österreich. Hier kaufen.
Tristan Brusch – »Am Anfang«

Tristan Brusch ist einer der wenigen Künstler, dem es nachhaltig gelingt, mit vorzugsweise ruhigen Stücken ein ganzes Publikum vom ersten bis zum letzten Ton zu überzeugen und mitzunehmen. Wer an Schreibtischen sitzt, während seine Alben gehört werden, ertappt sich des Öfteren bei einem nun poetischeren, klavierspielerischeren Tastenschlag. Und – so viel sei vorweg genommen –, das ändert sich keinesfalls beim neuesten Wurf von Brusch, sondern ist dieses Mal sogar intensiver. Das letzte Album seiner »Am …«-Trilogie – »Am Rest« von 2021 sowie »Am Wahn« von 2023 – ist sogar mit großer Wahrscheinlichkeit das Beste, allein schon wegen dem Sujet: Wer seine Trilogie rückwärts chronologisch erzählt, endet nunmal in einem Coming-of-Age-Album, das sich hauptsächlich um Verlust von Liebe, Unschuld und Leben dreht, das in chansonhaftem Crooner-Pop einer Teenage Angst neue Blickwinkel und Verzweiflungen hinzufügt und so wunderbar intoniert gesungen und gespielt wird. Natürlich ist da auch zwangsläufiges Pathos dabei, wer dem entsagt, hört aber ohnehin nur sehr selten Tristan Brusch. Das bitte schleunigst zu ändern!
»Am Anfang« von Tristan Brusch erscheint am 24. Oktober 2025 via Wasser und Licht. Keine Termine in Österreich. Hier kaufen.
Außerdem erwähnenswert:
Kreisky – »Adieu Unsterblichkeit«
(VÖ: 17. Oktober 2025)
Dass 20 Jahre Kreisky ein bisschen an der Band genagt haben, mag sein, aber du merkst es ihnen halt nicht an: Weil die Musik so schön zeitgeistig ist, Genregrenzen gibt’s auch bei der »grantigsten« Gruppe nicht (mehr). Artrock, Math, Kraut, Hippierock, da ist alles dabei. Ebenso wie bei der Aufzählung der und Abarbeitung an den drängendsten Themen der Zeit. Wer noch mehr Infos haben will, liest bitte die aktuelle Printausgabe von The Gap (oder hier online). Wer das Album kaufen will (dringende Empfehlung), klickt hier, wer Tickets will, wird sie finden können.
Pauls Jets – »Morgen sind wir Fantasy«
(VÖ: 10. Oktober 2025)
Pauls Jets führen uns auf ihrem vierten Album in einen Stream, der sich anfühlt wie ein unendliches Scrolling: Jeder Song eine neue Stimmung, ein neues Genre, eine neue Welt, eine neue Fantasie, die natürlich beim österreichischen Mila Superstar, Paul Buschnegg, ganze Köpfe füllt und neben Fantasy-Parabeln auch sehr internety Lyrics (Bildschirmzeit!) entspringen lässt. Alles weitere, wie abzusehen, in der aktuellen Ausgabe von The Gap oder hier. Album hier kaufen.
Ende – »Utopia EP«
(VÖ: 10. Oktober 2025)
Dass Ende einer der vielversprechendsten und auch besten heimischen Gruppen sind, muss eigentlich – und spätestens nach dem Auftritt am diesjährigen Waves Vienna – nicht mehr erwähnt werden. Dass alle fünf Songs auf der Debüt-EP super sind, ebenso wenig. Interessant ist jedoch deren Veröffentlichung: Gemeinsam mit der »Utopia EP« finden sich auf der Vinyl-Platte »Wild« auch alle weiteren bisherigen Songs – was sie zu einem absoluten Pflichtkauf macht. Mehr zur EP gibt’s hier, wer die Platte will, muss (noch) eine DM droppen.
Die bisherigen Veröffentlichungen von Dominik Oswalds Reihe »Muttersprachenpop« finden sich unter diesem Link.