Am Montag startet in Wien das Re:pair Festival. Tina Zickler, seine Leiterin, im Interview über Mode als schnelllebiges Wegwerfprodukt, unser Verhältnis zur Natur und das Schöne am Reparieren.

Worin genau besteht dein Aufgabenbereich beim Re:pair Festival?
Tina Zickler: Ich bin gewissermaßen das Faktotum des Re:pair Festivals. Das heißt, ich verantworte Konzept, Planung, Fundraising und Organisation. Aber ich mische auch bei der Pressearbeit und bei Social Media mit. Das hat nichts mit Größenwahn zu tun, sondern ist dem äußerst knappen Budget geschuldet. Leider ist es wahnsinnig stressig, das Geld aufzustellen. Aber: Der große Erfolg des Re:pair Festivals – 2024 kamen über 4.000 Besucher*innen – motiviert mich, mein Ziel, Menschen für das Reparieren zu begeistern, weiter voranzutreiben. Denn jede Reparatur ist ein Beitrag gegen den Klimawandel.
Inwiefern oder – genauer gesagt – was wird beim Festival denn eigentlich »repariert«?
Das vierte Re:pair Festival bietet insgesamt über 140 Veranstaltungen, unter anderem Kreativworkshops, wo man Sashiko, Punch-Needling, Filzen und Flicken sowie Scotch und Swiss Darning ausprobieren kann. Das sind coole Techniken, um Gewand zu flicken beziehungsweise zu upcyceln, die richtig Spaß machen. Wir veranstalten wieder Ambulanzen, bei denen man einfach vorbeikommen kann, und die defekten Sachen werden von Expert*innen kostenlos repariert. Heuer gibt es zwei Fahrradambulanzen, eine Gitarrenambulanz, bei der man auch mit seiner Ukulele oder Mandoline vorbeikommen kann, und erstmals findet eine BH-Ambulanz statt. Am 18. Oktober, dem International Repair Day, gibt es in der Festivalzentrale ein Repair-Café, bei dem Haushaltsgeräte, Küchenmaschinen, Bügeleisen, Föhne, Zahnbürsten, Staubsauger, Tisch- und Stehlampen, Radios (auch sehr alte), Plattenspieler, Stereoanlagen, Kopfhörer, akku- oder batteriebetriebene Geräte und Spielzeuge, Kabel, Stecker sowie Netzteile repariert werden.

Welche Bedeutung hat das Reparieren in unserer heutigen Wegwerfgesellschaft?
Ich kämpfe dafür, dass das Reparieren wieder in Mode kommt, also in breiten Bevölkerungsschichten als kreativ und hip wahrgenommen wird. Boomer kennen und schätzen das Reparieren und viele junge Menschen begeistern sich inzwischen auch dafür. Ziel ist es, die Kultur der Reparatur aufzuwerten und das Konsumbewusstsein und die Sensibilität für Nachhaltigkeit zu stärken. Also kommt vorbei und lasst uns zusammen flicken! Denn Reparieren ist nicht nur kreativ und günstig, es ist gelebte Nachhaltigkeit. Und: Es macht einfach glücklich.
Welchen Stellenwert hat das Re:pair Festival in der österreichischen Festivallandschaft, insbesondere in Bezug auf Klima und Nachhaltigkeit?
Das Re:pair Festival ist in seiner Dichte und Opulenz europaweit einmalig. Von 13. bis 31. Oktober schlägt das Non-Profit-Festival seine Zelte im Atelier Augarten auf. Das Festival hat also eine Laufzeit von knapp drei Wochen. Das Coole am Re:pair Festival ist, dass hier nicht nur über Klima und Nachhaltigkeit geredet wird, sondern dass wir ins Tun kommen. Ich sage immer: Alle reden übers Klima, wir reparieren es schon. Das ist sozusagen der USP des Festivals. Denn vielen Menschen bereitet die Klimakrise inzwischen richtig Stress und das Re:pair Festival bietet unzählige Möglichkeiten, die eigene Selbstwirksamkeit zu erleben. Ein Großteil der Veranstaltungen ist zudem kostenlos und diese bringen somit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen, die sonst kaum Zeit miteinander verbringen würden.

Hast du ein persönliches Programmhighlight?
Das Highlight des diesjährigen Festivals ist die Ausstellung »Masterpieces of Repair & Upcycling«. Sie spannt einen weiten Bogen: von Upcycling-Modellen internationaler Desiger*innen bis zu kreativ gestopfter Alltagskleidung von Aktivist*innen und Local Heroes. Die zentralen Aspekte sind Upcycling und das ästhetische Flicken von Kleidungsstücken. Hintergrund dafür ist unsere veränderte Wertschätzung von Textilien und Bekleidung: Wurde Kleidung früher aus Naturmaterialien gefertigt, jahrelang genutzt, repariert oder umgeändert, ist sie heute ein schnelllebiges Wegwerfprodukt, oft aus erdölbasierten Kunstfasern. Die Ausstellung zeigt über achtzig Outfits und Objekte, unter anderem von Viktor & Rolf, Vivienne Westwood, Marine Serre, Bernhard Willhelm, Stephan Hann, Susanne Bisovsky und Christoph Rumpf. Etliche Exponate stammen aus der Modesammlung der Universität für angewandte Kunst Wien. Neben Wiener Exponaten sind Arbeiten von Repair-Künstler*innen und -Aktivist*innen aus Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal, Schottland, Schweden und der Schweiz zu entdecken.
Dieses Jahr findet das Re:pair Festival unter anderem auch in der neuen Festivalzentrale, dem Atelier Augarten, statt. Was macht diese Location so besonders?
Die neue Festivalzentrale im Atelier Augarten eignet sich ideal, um unter dem Motto »Paradise Lost« unser Verhältnis zur Natur zu thematisieren. Denn obwohl uns die Natur großzügig mit allem versorgt, was wir zum Leben benötigen, beuten wir sie aus und zerstören sie. Auch hier, im ältesten barocken Lustgartens Wiens, zeigen sich die Herausforderungen deutlich, die die Klimakrise mit sich bringt. Bei Biodiversitäts-Walks lernen wir zum Beispiel die Wildkräuter Schafgarbe, Spitzwegerich und Vogelmiere kennen und erfahren, welche Bäume zukünftig im Augarten überleben und Schatten spenden können. Hier werden wir beim Kreativworkshop gemeinsam eine Repair Cream herstellen.
Das Re:pair Festival 2025 findet von 13. bis 31. Oktober (vor allem) im Atelier Augarten in Wien statt. Am 14. Oktober leitet Tina Zickler eine The-Gap-Leser*innenführung durch die Ausstellung »Masterpieces of Repair & Upcycling«. Tickets dafür gibt’s hier zu gewinnen.