»Welche Künstler*innen entsprechen schon der Norm?« – Festivalleiter Martin Vogg über das Viertelfestival

In Niederösterreich gibt es ja so einige Kulturevents. Eine ganz besondere Rolle nimmt jedoch das Viertelfestival ein, bespielt dieses doch abwechselnd jedes Jahr ein anderes der vier Viertel. Festivalleiter Martin Vogg erklärt, was daran der Vorteil ist und warum das diesjährige Motto »Begegnungszone« lautet.

© Nina Ober

Welche Vorteile birgt die originelle Idee, ein Festival zu vierteln?

Martin Vogg: Die Aufteilung ist der Geschichte und der Struktur der Kulturvernetzung Niederösterreich geschuldet, die sich aus vier eigenständigen Regionalbüros in den vier Vierteln in Niederösterreich entwickelt hat. Von Beginn an hat das einen kreativen Wettbewerb unter den Vierteln befeuert – gleichzeitig ist das Festival auf ein Viertel konzentriert, wobei das in Bezug auf die Größe immer noch herausfordernd ist.

Auf welche Weise verbindet das Viertelfestival regionales Geschehen mit Kunst und Kultur?

Die Projekte müssen immer eine starke Verankerung in der Region haben. Die meisten werden von örtlichen Künstler*innen, Vereinen, Schulen oder Institutionen eingereicht – und auch wenn Projekteinreichungen nicht aus der Region kommen, benötigt es lokale Umsetzungspartner*innen. Ein wichtiges Kriterium ist generell, dass die Projekte in ihrer künstlerischen und kulturellen Wirkkraft überzeugen.

Martin Vogg (Bild: Kulturvernetzung Niederösterreich)

Das Motto lautet dieses Jahr »Begegnungszone«. Wer wird hier wem begegnen?

Menschen begegnen hier anderen Menschen und deren Kultur – und das in all ihrer Vielfalt. In Niederösterreich haben wir das Glück, dass Regionalkultur nicht gleichbedeutend mit traditionellen kulturellen Formen ist, die meist unter dem Überbegriff »Volkskultur« zusammengefasst werden. Diese traditionellen Formen findet man mit Blasmusik oder Wirtshausmusik auch im Rahmen des Viertelfestivals, wobei sie oft – wie zum Beispiel bei der Donauklangbrücke von Gilbert Handler in St. Andrä-Wördern – Teil eines künstlerischen Gesamtkonzepts sind, das Tradition auf eine neue, zeitgenössische Ebene hebt. In der Begegnungszone des Mostviertler Festivals kann man aber bedeutend mehr entdecken als das, was dem Land gerne als Kultur zugeschrieben wird. Und man kann vor allem vielen Menschen begegnen, deren Kultur oft nicht jener, gemeinhin als Norm bezeichneten Kultur des ländlichen Raums entspricht. Denn welche Künstler*innen entsprechen schon der Norm – und welche Fremden tun dies. Und wie bereichernd und erfrischend kann gleichzeitig die Anwesenheit und das Wirken von Künstler*innen wie Fremden für die Gemeinschaft sein. In diesem Sinn begegnet man in vielen Projekten Kunst, die inspiriert. Und man begegnet in einigen, zum Teil partizipativen Projekten auch einfach nur anderen Menschen, um mit ihnen in einen Dialog zu treten. Letztlich geht es aber bei diesem – und im Grunde bei jedem – Viertelfestival darum, nachzufragen, was die Menschen in der Region in künstlerischer und kultureller Hinsicht bewegt. Diesen Aspekt haben wir auch für das Motto des nächsten Viertelfestivals im Weinviertel in eine schlichte Frage gegossen: »Was geht ab?«

Beim Viertelfestival treffen keine Intendant*innen die Auswahl unter den eingereichten Projektideen, sondern Fachjurys. Auf welcher Grundlage werden diese gebildet?

Die Jurys werden in den Vierteln unterschiedlich zusammengestellt, wobei es sich bei den Mitgliedern vor allem um Vertreter*innen der regionalen Kulturszene handelt. Wichtig ist, dass Menschen in der Jury sind, die auf zwei Dinge achten: zum einen, dass Kunstprojekte inmitten der Bevölkerung, wenn möglich, unter deren Einbindung umgesetzt werden; und zum anderen, dass die Bedeutung mutiger, wenngleich nicht immer so publikumswirksamer Kunstprojekte erkannt wird.

Was sind deine Aufgabenbereiche als Festivalleiter? Inwiefern nimmst du Teil an der Programmgestaltung?

Ich diene den Projektträger*innen als eine Art Dramaturg, Kulturcoach oder Sparringspartner. Manchmal greife ich dort steuernd in den Ablauf ein, wo ich sehe, dass sich etwas zeitlich nicht ausgeht oder ein spannender Aspekt zu wenig Aufmerksamkeit erhält. Manchmal weise ich auch auf Künstler*innen hin, deren Einbindung möglicherweise für das Projekt interessant sein könnte oder die selbst Interesse daran haben, an einem Projekt mitzuwirken. Und manchmal geht es einfach nur darum, eine gute Idee inhaltlich oder künstlerisch zu schärfen, zu präziseren. Ein Viertelfestival-Projekt sollte immer etwas Besonderes, eine Überhöhung des Alltäglichen sein – dabei versuche ich zu unterstützen.

Das Viertelfestival im Mostviertel läuft noch bis 20. Juli. Das Programm gibt es hier.

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