»Ein Theaterabend funktioniert nur im Team« – Hinter den Kulissen dreier österreichischer Bühnen

Im Theater passiert so einiges im Schatten des Offensichtlichen. Abseits der Strahlkraft von Bühne, Ensemble und Aufführung gibt es eine Reihe von Geschichten über jene Abteilungen zu erzählen, die nicht im Rampenlicht stehen. Und diese machen deutlich, wie sehr für einen gelungenen Theaterabend alle Hand in Hand arbeiten müssen.

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Mit schnellen Schritten nähert man sich den großen Eingangstüren des Theaters. Nach energischem Taschenwühlen auf der Suche nach der Eintrittskarte, übergibt man den Fund am Einlass und hört ein kurzes, papiernes »Ratsch«. Im Saal angekommen, wird man mal von prunkvollem Rokoko mit Samtsitzen und verzierten Logen, mal von einem minimalistischen Raum mit schwarzen Wänden und schwarzen Stühlen begrüßt. Die Gespräche des erwartungsfrohen Publikums vermischen sich zu einem rauschenden Gemurmel. Langsam füllen sich die Reihen, das Licht geht aus, Stille kehrt ein und der Vorhang öffnet sich.

Ein Abend im Theater bringt eine ganz eigene Stimmung mit sich, die noch lange nachhallt. Ja, so kitschig es klingen mag, auch einen Zauber. Wie viele Menschen allerdings hinter der Bühne daran beteiligt sind, dass Theater Tag für Tag stattfinden kann, kommt dabei selten zum Vorschein. Wen braucht es hinter dem Vorhang, damit der perfekte Theaterabend gelingt? The Gap befragte Menschen am Schauspielhaus Graz, am Schauspielhaus Salzburg und am Kosmos Theater in Wien zu ihrer meist unsichtbaren Arbeit.

Produktionsleitung

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Sie sind Allrounder*innen: Logistiker*innen, Psycholog*innen, Feuerwehrmenschen, die überall mitanpacken, wo gerade der Hut brennt. Als Produktionsleitung des Kosmos Theaters in Wien habe man viele Aufgaben, erklären Sebastian Klinser und Katharina Koch. Ihre Arbeit drehe sich vor allem um die Übersetzung der künstlerischen Ideen in Budgets, Zeit- sowie Ablaufpläne. Zwischen Regie, Technik, Bühne, Kostüm und vielen anderen Bereichen seien sie das Bindeglied: »Als Produktionsleitung sind wir unsichtbare Strippenzieher*innen.« Jeder Tag sei anders, denn die Mischung aus Kreativität und Organisation mache jede Produktion zu einem besonderen Abenteuer. Das begrenzte Budget des Theaters legt dabei gerne Steine in den Weg. Für Klinser und Koch heißt das notgedrungen Prioritäten setzen oder kreative Lösungen finden. Dazu komme der klassische Zeitdruck: »Da hilft nur Improvisationstalent, verbunden mit dem Schmieden von Notfallplänen – sowie eine Prise Humor.«

Maske

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Von schaurigen Grimassen, über quietschbunte Frisuren bis hin zu großen Eiterpickeln auf den Gesichtern des Ensembles – zugegeben, bezüglich Letzterem habe es einiges an Ekel seitens der Darsteller*innen gegeben, verrät Cindy Geyer vom Schauspielhaus Graz. Als Leiterin der Maskenbildabteilung versucht sie mit ihrem Team, trotz Zeitdruck jedes noch so skurrile Konzept der Kostümbildner*innen umzusetzen. Eine gute Zusammenarbeit mit Requisite und Ankleider*innen sei dabei unabdingbar. »Im Theater ist es wichtig, abteilungsübergreifend zusammenzuarbeiten, sonst ist eine Theateraufführung nicht möglich.« Allerdings seien Geyer und ihr Mitarbeiter*innen nicht nur für kreative Einfälle und präzises Handwerk verantwortlich, sondern auch Kummerkasten, Teilzeitpsycholog*innen und feinfühlig im Umgang mit allen, die sich in den Schminkstuhl setzen. Verschwiegenheit ist dabei das A und O: »Was beim Schminken geredet wird, bleibt in den Maskenräumlichkeiten.«

Öffentlichkeitsarbeit

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Erzählt man von einer Theateraufführung, geht es dabei meist um Regie, Ensemble oder die eine Person, die mal wieder vergessen hat, das Handy auszuschalten. Was einen eigentlich auf die Idee für den Theaterbesuch gebracht hat, bleibt meist unerwähnt. Ob Presse, Outreach oder Marketing, die Öffentlichkeitsarbeit eines Theaters umfasst viele Bereiche. Katja Nindl vom Schauspielhaus Graz sieht ihre Aufgabe darin, die künstlerische Idee eines Hauses in eine Sprache zu übersetzen, die Menschen anspricht. Beispielsweise in Bild, Text, mittels Veranstaltungen oder im direkten Gespräch. Wie sie es selbst treffend beschreibt: »Wir öffnen den Raum nach außen.« Die Herausforderung liege dabei darin, möglichst viele Personengruppen für diesen Raum zu begeistern. Stammgäste, Schüler*innen, Student*innen oder Menschen ohne bisherigen Bezug zu Theater – sie alle sollen sich angesprochen fühlen. Neben Inklusionsprojekten und Publikumsgesprächen mit Groß und Klein gehöre auch der Umgang mit dem ein oder anderen kritischen Kommentar dazu, etwa über das Gendern auf der Bühne oder über vermeintlich eitle Regisseur*innen.

Technische Leitung

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»Mit wenig Geld Imposantes rüberbringen.« Diese Aufgabe stellt Dulci Jan, die technische Leitung des Kosmos Theaters, immer wieder vor Herausforderungen. Ohne eigene Bühnenabteilung sei dabei viel technische Kreativität gefragt. Jan selbst sieht sich deshalb als »Ermöglicherin«, die die Aufführung einer Inszenierung technisch realisiert – trotz Einschränkungen in Sachen Ressourcen und Budget. In Zusammenarbeit mit Produktionsleitung, Bühnenbildner*innen und Co wird für jede Vorstellung ein technischer Zeitplan gestaltet und es werden dafür Licht, Ton und manchmal sogar Video programmiert. Alles, um nach den Wünschen von Regie und Choreografie das perfekte Stimmungsbild zu basteln. Die Mischung aus technischer und künstlerischer Arbeit sei hierbei für Jan besonders schön. Ein kreativer Prozess, bei dem es auch schon mal um den logistischen Umgang mit Livemusik, simuliertem Regen, Drehbühnen mit Wasser, Schleimbecken und vierzehn Tonnen Erde auf der Bühne gehen könne.

Künstlerische Direktion

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Wie die Regie und das Ensemble gehört auch die künstlerische Direktion zu den exponierteren Teilen eines Theaters. Aber was genau wird da denn eigentlich dirigiert? Das künstlerische Programm, erklärt Alexander Kratzer vom Schauspielhaus Salzburg. Zusammen mit seiner Co-Leitung Sophia Aurich erstellt er die Spielpläne, bestimmt, welche Stücke aufgeführt werden, wer im Ensemble welche Rolle übernimmt und wer welche Produktion inszeniert. Dabei verwaltet er auch das Budget der unterschiedlichen Abteilungen. Eine Herausforderung, denn das Geld ist begrenzt und die Wünsche aller Beteiligten sind groß. Trotz dieser Hürde sieht Kratzer vor allem das Schöne an seinem Beruf: aus verschiedenen Konstellationen von Menschen eine Gruppe zu formen und sich mit dieser in ein Thema zu vertiefen. »Das ist eine sehr intensive Arbeit, denn wir proben jeden Tag stundenlang miteinander, obwohl wir uns vor drei Wochen noch gar nicht gekannt haben.«

Inspizient*innen

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Wirft man einen Blick in das Inspi-zient*innenbuch eines Theaters, findet man darin alles, was für den gesamten technischen Ablauf einer Produktion entscheidend ist. Für Proben und Aufführungen funktioniert es daher wie eine Partitur für Dirigent*innen. Von seinem Inspizient*innenpult aus ist Roland Fischer vom Schauspielhaus Graz verantwortlich für die technische Umsetzung der gesamten Inszenierung. Mit Licht- und Funkzeichen gibt er Anweisungen an die Bühnentechnik und macht Einrufe für das Ensemble und alle anderen Gewerke. Neben dem Publikumseinlass bringt ihn besonders der reibungslose Ablauf von Aufführungen mit aufwendigen Bühnenbildern zum Schwitzen, etwa wenn schwere Elemente bewegt werden müssen oder knappe Blacks nur wenig Zeit für Szenenwechsel bieten. Anmerken lassen dürfe er sich das jedoch nicht. Ruhe bewahren sei die Devise. Selbst, wenn mal etwas schiefgeht. Dafür sei es wichtig, dass alle Abteilungen eines Theaters vor und während einer Aufführung ineinandergreifen, erklärt Fischer: »Ein Theaterabend funktioniert nur im Team.«

Barleitung

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Die einzigartige Theateratmosphäre sowie die langen Gespräche mit Publikum, Ensemble, Regie und Technik sind für Jadwiga Majewska das Besondere an ihrer Arbeit als Barleiterin im Kosmos Theater. Seit zwanzig Jahren kümmert sie sich nun schon um das »Herzstück des Theaters«, wie sie es stolz nennt. Vor sowie nach jeder Vorstellung wird die Bar zum Sammelbecken für Besucher*innen, Künstler*innen und das gesamte Team des Theaters. Während Majewska für sie alle die unterschiedlichsten Drinks mixt, verteilt sie individuelle Horoskope, spricht über Sternzeichen und rechnet Aszendenten aus. Ihre eigene kleine Spezialität, die für sie ein Teil ihrer Aufgabe sei, alle am Bartresen willkommen zu heißen.

Vorderhaus

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Als erster und letzter Eindruck eines Theaterbesuches befindet sich das Vorderhauspersonal zwar nicht hinter den Kulissen, seine Bedeutung für das Theater wird aber dennoch häufig unterschätzt. Diese Mitarbeiter*innen fungierten nämlich als wichtige Repräsen-tant*innen des Hauses, meint etwa Alexander Kratzer vom Schauspielhaus Salzburg. Schließlich hätten sie den direktesten Kontakt mit dem Publikum – ob beim Kartenverkauf, bei der Ticketkontrolle, an der Garderobe oder bei der Platzanweisung. Auch dem Feedback der Zuschauer*innen lässt sich dort am besten zuhören: Sei es ein »Das war ein super Abend«, während man Mäntel und Jacken überreicht, oder ein »Die Abschlussszene habe ich wirklich nicht verstanden«, während man den Weg zum Ausgang weist.

Das Schauspielhaus Salzburg startete am 13. September unter neuer künstlerischer Leitung von Alexander Kratzer und Sophia Aurich in die Spielzeit 2025/26. Für Anna Vilter begann am selben Tag ihre dritte Saison an der Schauspielhaus-Graz-Spitze. Und mit der Produktion »Retrotopia« ging es am 16. September im Kosmos Theater los – nach wie vor unter Intendantin Veronika Steinböck.

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