Die US-Produktionsfirma The Asylum hat sich auf das Abkupfern von Kino-Blockbustern spezialisiert: Handlungsstränge werden übernommen, aufgemotzt und als Billigprodukte kurz vor Release der Hollywood-Pendants für die Videotheken veröffentlicht. Die Substanz der Filme ist zwar fraglich, doch der Erfolg und die Fangemeinde dieser Mockbuster wachsen.
Wenn der Titelheld aus "Almighty Thor" anstatt eines Hammers plötzlich eine Uzi schwingt, oder in "Snakes On A Train" eine riesige Schlange einen Zug vertilgt, dann hat man wohl gerade einen Mockbuster von The Asylum vor Augen. Frei übersetzt bedeutet Mockbuster so viel wie nachgeahmter oder parodierter (engl.: to mock) Blockbuster. Auch Titel und Filmcover sind stark dem Original nachempfunden, was durchaus zu Verwechslungen führen kann. Parodistisch ist an den Filmen meist jedoch gar nichts, zu unfreiwillig der Humor und jenseits von grenzwertig der Trashfaktor. Trotz alledem hat sich mittlerweile eine riesige Fangemeinde gebildet, dabei war der Erfolg des ersten Mockbusters einem Zufall zu verdanken.
Mockbuster vs. Eigenproduktionen
2005 drehte David Michael Latt, Gründungsmitglied von The Asylum, H. G. Wells’ "War Of The Worlds". Als er hörte, dass Steven Spielbergs Adaption des Klassikers im selben Jahr in die Kinos kommen sollte, sah er eine Möglichkeit, zusätzlich etwas Geld zu verdienen und veröffentlichte seine Adaption direct to DVD, einen Tag bevor Spielbergs Film Premiere feierte. Die amerikanische Verleihfirma Blockbuster Inc. orderte sofort 100.000 Kopien des Films, wodurch The Asylum sieben- bis achtmal mehr einnahm als mit bisherigen Produktionen. Was folgte, waren zahlreiche weitere Mockbuster wie "Transmorphers", "The Terminators", "The Da Vinci Treasure" oder "The Day The Earth Stopped". Doch bevor The Asylum mit ihren Kopien bekannt wurde, kämpften sie lange Zeit ums Überleben im Filmgeschäft.
1997 von Latt, David Rimawi und Sherri Strain gegründet, konzentrierte man sich anfangs noch auf eigenständige, jedoch erfolglose Low-Budget-Horrorproduktionen. 2009 avancierte dann "Megashark vs Giant Octopus" zum viralen Hit: Über fünf Millionen Mal wurde der Trailer, in dem ein Hai zunächst die Golden Gate Bridge und anschließend ein Passagierflugzeug im Ozean versenkt, bis dato angeklickt (Stand Februar 2012). Diese abgedrehten Ideen sind es wohl, die beim Publikum so gut ankommen, denn die Umsetzung befindet sich sowohl bei Eigenproduktionen als auch bei Mockbustern im inszenatorischen Nirgendwo. Wenn Carmen Elektra gemeinsam mit Brooke Hogan (Tochter von Ex-Wrestler Hulk Hogan) in "Two-Headed Shark Attack" gegen einen zweiköpfigen Hai bestehen muss, ist diese Begeisterung ob der Schauwerte vielleicht nachvollziehbar, die cinephile Begeisterung dafür bleibt unverständlich.
The Asylum vs. Roger Corman
Auch wenn der Begriff Mockbuster vor allem in den letzten Jahren einen höheren Bekanntheitsgrad erlangte, existiert das Genre als solches bereits seit 1959, als Trash-Ikone Roger Corman "The Wasp Woman" in die Kinos brachte, damals inspiriert von dem Horrorklassiker "The Fly". Ähnlich wie The Asylum heute, produzierte Corman einen Film nach dem anderen, stieß aber auf wenig Gegenliebe. Seine Filme waren jedoch stets handwerklich perfekt, was ihn zu einem einflussreichen Regisseur werden ließ. Zu seinen Protegés gehören unter anderem die Regie-Größen Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, James Cameron oder Ron Howard. Außerdem verhalf er Schauspielern wie Jack Nicholson, Robert De Niro oder Peter Fonda zu ihren Karrieren. 2009 erhielt Corman schließlich einen Acadamy Award für sein Lebenswerk.
Doch ein mit Corman vergleichbares Maß an handwerklicher oder inszenatorischer Qualität lassen die Produktionen von The Asylum schmerzlich vermissen. Weiters fungieren die Filme meist als Auffangbecken für ehemalige Serienstars wie Jeremy London ("7th Heaven"), Richard Grieco ("21 Jump Street") oder Lorenzo "Renegade" Lamas, die sich mit knackigen One-Linern wie "You are fish-food!" gerne selbst persiflieren. Highlight in dieser Hinsicht dürfte wohl der Auftritt von Jaleel "Steve Urkel" White sein, der in "Megashark vs Crocosaurus" einen taffen Sergeant mimt. Dennoch schreiben die Filme längst keine roten Zahlen mehr: Laut einer von Internet Movie Database veröffentlichten Liste der am meisten ausgeliehenen Filme 2011 stammen sieben Titel in den Top 50 aus dem Hause Asylum. Darunter filmische Perlen wie "Battle Of Los Angeles" oder "2012: Ice Age". Rolling Stone platzierte "Megapython vs. Gatoroid", eine Kollaboration zwischen The Asylum und dem Fernsehsender Syfy, gar auf Platz 19 der besten TV-Momente von 2011.
Schneewittchen aus Wien
2012 werden sich gleich zwei große Hollywood-Produktionen mit dem Grimm-Märchen um Schneewittchen auseinandersetzen. In "Mirror, Mirror" setzt Regisseur Tarsem Singh, zuletzt mit "Immortals" in den Kinos, auf einen eher kindlich-komödiantischen Zugang zum Märchen und soll so wohl etwas jüngeres Publikum anlocken. "Snow White And The Huntsman" hingegen zeigt Schneewittchen von einer bisher noch nicht da gewesenen, düsteren Seite und lässt "Twilight"-Sternchen Kirsten Stewart mit Schwert und Kettenhemd gegen die böse Königin Charlize Theron kämpfen. Klar, dass bei gleich zwei Blockbustern auch der dazugehörige Mockbuster nicht fehlen darf. Für die Dreharbeiten ist das Filmteam von The Asylum sogar extra nach Wien gereist, was von der Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen wurde.
Qualitativ wird sich ihr "Grimm’s Snow White" sicher nicht von den anderen Mockbustern unterscheiden. Menschen werden gegen unfassbar schlecht animierte Monster antreten und das Drehbuch wird weniger als miserabel sein. Dennoch werden auch hier wieder genügend Zuschauer entweder a) sich von Titel und Cover täuschen lassen oder b) absichtlich zur DVD oder Blu-ray greifen, um sich eigenwillig zu amüsieren. Trash kann eigentlich sehr unterhaltsam sein, The Asylum zeigt jedoch auch, wie man des Schlechten zu viel produziert. "Viel, viel billigen Wein trinken", antwortete Asylum-Mitarbeiter Paul Bales einst in einem Interview auf die Frage, wie die Filme am besten zu konsumieren seien. Willkommen bei The Asylum, willkommen im Irrenhaus von Hollywood.
Filme von The Asylum finden sich häufig im Abendprogramm von Syfy oder Tele 5 wieder. "Grimm’s Snow White" erscheint am 13. März in den Videotheken. Mehr Infos auf www.theasylum.cc
Interview mit David Michael Latt, Mitbegründer von The Asylum:
Die Presse bezeichnet eure Filme oft als billige Kopien großer Hollywood-Produktionen und nennt sie Mockbuster. Du bevorzugst den Ausdruck "Tie-Ins". Wo liegt der Unterschied?
Man kann die Filme nennen, wie man will. Alles, was wir wollen, ist, dass die Leute sie sich anschauen. Uns ist egal, wie man sie nennt. Auch billige Kopie ist ok.
Ihr werdet oft dafür kritisiert, dass ihr Handlungsstränge übernehmt und irreführende DVD- und Blu-ray-Cover kreiert. Habt ihr deshalb schon ernsthafte Urheberrechtsprobleme bekommen?
Nein. Und niemand, der unsere Filme gesehen hat, hat uns jemals für die Übernahme von Handlungssträngen kritisiert.
Als ihr euch entschieden habt, hauptsächlich Trash-Filme zu drehen – war das nur, weil ihr gehofft habt, damit schnell Kohle machen zu können?
Nichts geht jemals schnell.
Wo liegt die Faszination, diese Art von Filmen zu produzieren?
Ich versteh die Frage nicht so ganz. Wir machen Filme. Die Leute schauen sie an und genießen sie. Oder eben nicht. Dasselbe gilt für eine 100-Millionen-Dollar-Produktion. Es ist ja nicht so, dass wir Krebs heilen.
Ein Artikel des deutschen Wochenmagazins /Der Spiegel/ hat euch einmal als die schlechtesten Filmemacher Hollywoods bezeichnet. Seid Ihr die schlechtesten Filmemacher Hollywoods?
Ja. Wenn Der Spiegel ein Absatzmarkt für unheimliche, fette Pädophile ist, dann schon.
Würdest du sagen, dass eure Produktionen mit dem 60er Jahre Exploitation-Kino verglichen werden können?
Wenn man das sagen will, warum nicht. Wir bevorzugen jedoch den Kubismus nach 1913.
Denkst du, dass eure Filme einmal Kultstatus erreichen?
Nein. Es sind die schlechtesten Filme aller Zeiten, worauf Der Spiegel und du eindeutig hingewiesen habt. Deshalb könnten sie nur zu Kultfilmen werden, wenn du glaubst, dass eure Leser einen beschissenen Geschmack haben und Idioten sind. Fürs Protokoll: Ich denke, eure Leser sind sehr attraktiv und riechen auch noch gut.
Ihr habt in letzter Zeit jede Menge Filme produziert. Ein Indikator für kommerziellen Erfolg. Zumindest in den Staaten. Wie schwer ist es, auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen?
Europäer laden unsere Filme seit Jahren illegal herunter.
Verfolgt Ihr irgendwelche besonderen Strategien, um eure Filme in Europa beliebter zu machen?
Wir machen die Griechen regelmäßig schlecht, was uns bei den Deutschen zu mehr Popularität verhilft.
Wer ist eure Zielgruppe?
Journalisten mit Gesichtsbehaarung.
Hin und wieder arbeitet Ihr mit ehemaligen TV-Stars, wie zum Beispiel Lorenzo Lamas oder Richard Grieco. Sind die dankbar, dass sie wieder vor Kameras stehen dürfen?
Lorenzo Lamas und Richard Grieco haben über 100 Filme gedreht und sicher an die 500 Fernsehsendungen. Wenn die Frage lauten würde, "Sind sie dankbar, dass sie wieder mal am Set sein dürfen, um schlechtes Essen zu genießen?", dann ist Lorenzo sicher dankbar, ja. Oder, "Sind sie traurig, weil du ihre Karrieren und Twitter-Feeds nicht verfolgst?", dann sind sie wahrscheinlich traurig, ja. Aber ich denke, ich sollte mich wohl geschmeichelt fühlen – und kein Arsch sein – weil du glaubst, dass The Asylum ihre Karrieren wiederbelebt hat. Was Ving Rhames angeht, stimmt das natürlich … aber das gilt sicher nicht für alle anderen auch.
Denkst du, diese großen Namen haben immer noch genügend Fanbase, um kommerziellen Erfolg zu garantieren?
Welche großen Namen? Tom Cruise? Ich glaube nicht. Ich denke, die Leute fangen an zu glauben, dass er hetero ist und nicht schwul – ein großes Problem für einen Hollywoodstar. Seine Fans werden also auf die Barrikaden gehn und er wird keine Aufträge mehr bekommen. Aber The Asylum wird ihn dann sicher engagieren.
2012 wird ein großes Jahr für Schneewittchen. Neben zwei Hollywood-Blockbustern wird auch eine Asylum Produktion mit dem Titel »Grimm’s Snow White« auf den Markt kommen. Für die Dreharbeiten seid ihr nach Wien geflogen. Wirklich interessiert hat das aber niemanden. Überrascht?
Wovon zum Teufel redest du? Mein Vater wusste von dem Film. Das reicht mir.
Warum wolltet Ihr gerade in Wien drehen? Grimm wollte, dass das Märchen in Wien spielt.
Unsere Version entspricht der des Buches. Die Elfen. Die Monster. Der Sex. Sehr authentisch. Und Österreich ist eine großartige Location.
Willst du mal echte Blockbuster drehen?
Nein. Nur gefakete.
Was ist der beste schlechteste Film, den du jemals gesehen hast (neben Asylum Produktionen)?
"Grimm’s Snow White". So. Ich habe mich prostituiert. Jetzt brauch ich eine Dusche.