Fashion Weeks sind schön … weird

Von weiblichen Mitarbeiterinnen belagert, die immer kreativere Gründe finden, warum sie auf gerade diese Fashion-Show müssen, versinkt Andreas Klinger, Co-Founder des Fashion Internet-Startups LOOKK.com, im paradoxen Zirkus der London Fashion Week.

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»Fashion Weeks sind die Aggregation und Amplifikation allen dessen, was den Modezirkus ausmacht, gepresst in knapp eine Woche und losgelassen auf die Massen.«

Plötzlich laufen alle nur noch in High Heels und engen Lederhosen herum. Von heute auf morgen ist jeder dreimal so stylish und lässt ab nun die Irony Hipster-Garderobe im Kasten. Blogger fliegen aus Nirgendwoslavia samt Kamera, RSVP Cards und iPhone-Ladegerät ein. Und die eigene freie Couch ist auf einmal populärer denn je zuvor. Jeder will in die richtigen Shows, auf die richtig coolen Afterpartys. Dort reinzukommen kann schnell mal ein paar Tage hin- und hermailen bedeuten – aber dann gibt es RSVPs für alle! Champagner zum Einstimmen und am Besten direkt auf die Afterparty. »Ach, kreisch, du bist auch ein Model? Wie toll, ich bin Fotograf!« Vielleicht nehme ich das Ganze etwas zu einseitig wahr, aber London – und vor allem unser Büro – implodiert momentan im Rahmen der Fashion Week.

Like!

Einst in den 90ern war es das große Ding, aus teuren Modemagazinen zu erfahren, welche Trends in sechs Monaten »in« sein werden. Aber mal ehrlich – Fashion Weeks sind inzwischen weit weg von dem, was sie einmal waren. Blogger bloggen ihre Blogs in Echtzeit und echt zeitig voll und Pinterest, Instagram sowie Twitter schießen die Vogue im Vorbeigehen tot. Tumblr schickt Blogger all-inclusive auf die New York Fashion Week und Trend-Forecaster nutzen lieber Facebook-Likes als journalistische Expertisen. Das exklusive Flair von verschlossenen Türen für alle außer Retailer und Top-Presse ist lange passé. Modewochen werden zu Medien-Events der Unterhaltungsindustrie – wer reinkommt, donnert auf und feiert ab. Wer zu fett ist, geht halt stattdessen zur Superbowl. Nachfrage ist da und Shows gibt es auch genügend, nachdem jeder Seitenstraßenverein eigene Subevents der Fashion Week macht und zusätzlich jedes Kaff zur lokalen Modewoche ruft.

Noise!

Überall Lärm, und neue Shows gehen in dem Trubel eher unter als auf. Neben den Shows gibt es die Trade Fairs, wo ja das eigentliche Business stattfinden sollte. Letztere erscheinen mir gänzlich paradox und unlogisch, denn sie sind erschreckend unrentabel für Jungdesigner. Mit Lockargumenten, vom Shop-Einkäufer bis zum Medienvertreter, werden Designer zur Selbstversklavung überredet und ihnen dann mehrere tausend Euro für mittelgute Stände abgeknöpft.

Die Idee ist simpel: Präsentiere Shop-Einkäufern deine neue Kollektion, sammle Aufträge für die anschließende Produktion und Saison und erhalte Presseberichte ohne Ende. Die Praxis sieht aber meist anders aus: Die Einkäufer verhalten sich äußerst zögerlich. Eingepfercht in ihren Ständen, eingekreist von ihren Kollektionen und ihresgleichen, warten auf sie die Jungdesigner. Gelangweilt und aufgeregt zugleich gehen sie im Kreis oder starren ins Leere. Nähert man sich einem Stand, weckt man Hoffnungen, Augen werden groß, Lippen schmal, ehe man einen Schritt weitermacht und im nächsten Stand verschwindet.

Fährt ein Designer nach mehreren Tagen mit zwei oder drei neuen Shops im Vertriebsnetzwerk nach Hause, ist er unter den Glücklichen. Und so fühle ich mich persönlich auf den Fairs eher wie im Adoptionsbereich im Jungdesigner-Tierheim: Gelte es nicht als gängige Praxis, wäre es eigentlich menschenverachtend.

Das traditionelle Industriesystem ist angeschlagen, funktioniert gleichzeitig aber noch gut genug, um mit vollem Tempo weiter zu machen. Hier mit Innovation entgegenzutreten ist unsere Aufgabe mit LOOKK, und diese Aufgabe ist teilweise so schwierig, dass ich selbst oft nicht mehr weiß, was als Nächstes zu tun ist, um nicht als Clown im in diesem Zirkus zurückzubleiben. Und im Versuch, nicht einfach durchzudrehen, erwische ich mich selbst immer öfters, wie ich grinsend im Mode-Smalltalk mitmache: »Honey, I LOVE your skirt! Und ja sowieso ist deine Vintage Fake Fur-Jacke total chic. Hier, trink deinen Sekt und iss bitte endlich deinen Keks. Wir müssen dann ja noch zur Afterparty …« F*ck. Nach dieser Woche brauch ich eine Fashion Detox.

TL;DR: Andi dreht durch in dieser Branche.

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