Drei Unglaubliche Tage High-Fidelity-Sound-Bad in Krems. Tag 2 & 3 ließen die Gefühle endgültig hoch kochen, während DJs unterirdisch tief gruben.
Die Black Metal Band Bosse-de-Nage aus San Francisco "spielt mit" Indie-Harmonik (© Christian Wind)
WIFE. zur Tri Angle Label Night schraubt an Chillwave-HipHop-Fusionen (© Christian Wind)
Orchester-Pop von Parenthetical Girls - ziemlich abgedreht (© Christian Wind)
Drokk - wiederum ein ungewöhnlicher Name für außergwöhnliche Musiker, hier mit Portishead-Gründer Geoff Barrow (© Christian Wind)
Mit der Norwegerin Jenny Hval wird Pop Konzept-Kunst; hier sind zumindest Poesie und Klang zu erahnen (© Christian Wind)
Laurel Halo ging zum Donaufestival ziemlich vorwärts und technoid (© Christian Wind)
Darren Cunningham alias Actress - IDM zum drinnen Versinken (© Christian Wind)
Andy Stott schenkte uns den ersten Rave (© Christian Wind)
DJ Helm des Berliner PAN Labels in der Minoritenkirche (© Christian Wind)
PAN-Label-DJs SND in der Minoritenkirche (© Christian Wind)
Demdike Stare mit schwarz-hypnotischer Electronica (© Christian Wind)
Detroit-Techno-Legende Robert Hood (© Christian Wind)
The Eel House - die großformatige Performance des Miasma-Theaterkollektivs verschmilzt Live-Theater und Filmillusion (© Christian Wind)
Tag 2 – Dunkelschwarz
Den ersten Gang der "Krèms brûlée“ hatten wir mit Avantgarde und Retro-Noise zusammen gefasst. Am Freitag kamen wir in der Jetzt-Zeit, dazu noch im dunkelsten Versteck der Subkulturen an. Mit allein 17 musikalischen Acts von epischem Black Metal bis Drone Techno gab sich der Tag für den Besucher als Rausch-Falle, Rhizom, glückliche Rastlosigkeit, Kunst-trunken… Öfter sah man Menschen sitzend, den Kopf auf die Hände und Ellenboden auf die Knie gestützt, angestrengte Gesichter, geschlossene Augen vor Stroboskop-Blitzen, immer dunkle Bühnen, Identitäsverwerfung, keine Visuals am Freitag – reine Musikversunkenheit in den dunkelsten Gefilden lautmalerischer Weltabgewandheit.
Keine Indie-Bands in diesem Jahr – diese würden zwar „hoch gejubelt“, so Tomas Zierhofer-Kin, hätten aber oft „nichts zu bedeuten“. Das Donaufestival bietet nur Musik jenseits von Nichts: Politisches, Anti-Politisches, Pop-Synästhetisches, „Brechungen von Pop“. Ein kleines bisschen Indie steckte aber doch drin; in der wohl epischsten aller Black Metal Bands: Bosse-de-Nage aus San Franciso brachte die Hosenbeine zum Schlottern mit ihrer Fusion aus Indie-Harmonik in kreisch-hohen Distortion-Verzerrungen und Bass Drum-Gewittern, dass die Luft flackerte und das Trommelfell auch. Gefährlich…
Geistermusik
Gefährlich ging es auch in Halle 3 weiter – meiner neuen Lieblings-Location wegen der Klubatmosphäre – mit der Tri Angle Label Night. The Haxan Cloak – der wohl aufregendste Act des Wochenendes und an vorderster Front des dunkelsten Pop-Labels, verstand den Raum und unsere Körper ganz als sein Instrument. Klang bewegte sich wie gruselnd, schleichend, physisch materiell durch den Raum. Blind vom Stroboskop-Gewitter in dichten Pheromonwolken „gefangen“ – dieselbe Masse, wie sie in der Installation „Altered States“ den Geist vernebelte – so verwandelte sich der Ort in eine Gruft glückseliger Zombies. Die Architektur hielt den dröhnenden Infra-Frequenzen und der drückenden Breite der Synth-Soundscapes kaum stand. Diese Musik ist zu unmenschlich um zu tanzen, zu unglaublich sie zu verlassen, beinahe zu physisch, sie aus zu halten; und reine Vertrauenssache, dass der DJ die Regler keinen Millimeter zu weit überdrehte. Dieses Set war ein Geschenk, eine 70 minütige Non-Stop-Reise durch den Innengrund der Organe und die schlimmsten Alpträume der Gefühle.
Aus den selben Tiefen auferstanden, legten oOoOO, Wife und Evian Christ ihre Finger an Ambient, Drone, Chillwave, R‘n‘B oder Trap. Am Ende des Tages hatten sich alle einen Rave verdient … Und da war er – mit dem wundervollen Andy Stott zu Techno mit Dub-Anleihen einfach nur abgehen…
Tag 3 – Grau schillernd
Am Freitag verwandelten die DJs des Berliner PAN Labels die Minoritenkirche in ein kalt-futuristisches Soundlabor, Maschinenraum 2.0, in dem Techno und IDM-Ausfransungen von den meisten Besuchern auf dem Rücken liegend und hoch ins Gewölbe schauend, als konzentrierter und gleichfalls entspannender Bildungsexkurs wahrgenommen wurden. Da waren z.B. Helms programmatische IDM-Choräle oder SNDs Erschaffung des Haltetons aus der Schnelligkeit.
An die Dunkelmänner vom Tri Angle am Vortag anknüpfend fand man in Halle 2 dann mit Raime und Demdike Stare Veteranen des schwärzesten Techno und dazu Visual-Art. Nach Raimes pathetischem Zeitlupen-Fetisch und einigen Bildhängern bei Demdike Stare, wirkten erst die Live-Visuals Emptysets richtig gut. Manipulierte Kathodenstrahlen, wie auf nicht belegten Fernsehkanälen zu sehen, rauschten wie die Beats hart und technoid und entbehrten jeden harmonischen Kitsch. Wem das nach der Horrorfilm-Vertonung des Vortages schon zu viel war, schmiss zu Detroit-Techno-Legende Robert Hood oder Simian Mobile Discos House einfach alle Viere von sich. Ein kurzes, hartes Off aus dem Festivals schmiss DJ Container mit dem besten Elementar-Techno ever.
Donaufestival Krems
25.-27. April und 2.-4. Mai