Gemütlich, hinterfotzig, grantelnd: Das Klischee vom Wiener geht nicht unter. Ganz besonders, wenn man in die Glotze schaut.
Der Grantler (© Einhorn-Film/Star Film Verleih)
Mitte der 70er gelang dem ORF mit der Erschaffung des Paradegrantlers ein großer Wurf. Mundls nicht vorhandene Soft Skills leben in den Herzen zahlreicher Menschen, die im Wiener Dienstleistungssektor arbeiten, jeden Tag weiter.
Die Avantgardistin (© Helmut Wolech)
Ja, die Frauen sind leider wie immer unterrepräsentiert, auch in dieser Liste. Soap&Skin macht ihr Ding gut und bekommt dafür noch die netteste Schublade ab. Auch wenn es eine schwarze, gruselige, pathosbefüllte, einsame Schublade im Wald ist.
Die Grindigen (© Ulrich Seidl Film)
Der/Die/Das Seidl – nicht der Regisseur, sondern sein Figurenkosmos – verursacht emotionalen Würgereiz. Im echten Paradies war’s sicher nicht so grauslich.
Der Strizzi (© Privat/Westlicht)
Strizzi ist die wienerische Bezeichnung für einen Unterweltler. Proksch, das Enfant Terrible, verkehrte in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen, gründete einen Verein namens CUM und versank ein Schiff – sechs Tote. Natürlich wurde der Stoff auch verfilmt.
Der Peinliche (© CC by Marcel4995)
Der Opernball, Frauen mit Tiernamen und viel zu viele Kameras gehören zu den ständigen Begleitern Richard Lugners. Man möchte nicht hinschauen, kann aber nicht wegschauen.
Die Glamouröse (© CC by Udo Grimberg)
Dagmar Koller ist die Barbara Streisand Wiens. Dass das nichts auschließlich Gutes ist, weiß nur sie nicht.
Der Gemütliche (© SPÖ Wien)
Niemand performt die Wiener Gemütlichkeit besser als unser Bürgermeister. Prost!
Der Intellektuelle (© Denis Manin)
Den gebürtigen Münchner Haneke umgibt ständig eine Aura des komplexen Denkens. Die Hintergrundmusik: Ö1.
Der Makabere (© CC by Manfred Werner)
Stefan Weber, Begründer der am Wiener Aktionismus orientierten Band Drahdiwaberl, setzte sich selbst zum Ziel die extremste und obszönste Band zu gründen. Schweine wurden live tranchiert und Urin floss in Mengen.
Der Deutsche (© Hoanzl/Udo Leitner)
Manche mögen ihn, manche nervt er: der Deutsche. Oder zumindest das Klischee - hier personifiziert von Stermann.
Der Star (© Curt Themessel)
Quit living on dreams! Die Fusion aus live fast, die young und dem Wiener Schmäh wird es so kein zweites Mal geben.
Geht man die Liste der österreichischen Lieblingsprominenz durch, muss man schnell feststellen, dass der gebürtige Wiener ein seltenes Exemplar darstellt. Felix Baumgartner und Didi Mateschitz, Frank Stronach und Arnold Schwarzenegger – Alle nicht in Wien geboren. Wirtschaftliches Denken, Wagemut und Machtgeilheit gemischt mit einer unberechenbaren Portion puren Wahnsinns sind offenbar nichts genuin Wienerisches.
Wien steht – medial! – für einen Mix aus dem Makaberen, Charme, Gemütlichkeit, Intellektualität, Dekadenz sowie dem Dreamteam Grind und Wurschtigkeit. In einem Youtube-Kommentar zu einer Udo Proksch-Dokumentation heißt es: "Sowas wie den Proksch gibts nur bei uns, woanders sind solche Typen richtige Ungusteln, kulturlose Banausen, intellektuell beschränkt, aber in Wien ist eben alles anders."
Wenn man in die Glotze schaut, sind die Bilder leider selten differenziert. Scheitern und die Zelebration desselben dagegen wird ganz großgeschrieben. Bei jeglichen glamourösen Avancen der Sorte Lugner und Koller durchzuckt ein zärtliches Gefühl des Fremdschämens den durchschnittlich gebildeten Rezipienten. Der Mundl-typische Grant wirkt verstaubt und überholt. Dafür gibt es jetzt Wir sind Kaiser, Stermann / Grissemann und die großartige Provinzposse "Braunschlag".
Anlässlich der bis Oktober andauernden Ausstellung "Wiener Typen: Klischee und Wirklichkeit" des Wien Museums haben wir unsere feine Klinge weggepackt und elf menschliche Facetten Wiens der letzten Jahrzehnte in Schubladen gesteckt. So wie sie die Massenmedien in ihrer ganzen Pracht geschaffen haben.
Wiener Typen: Klischee und Wirklichkeit
15. April – 6. Oktober