Ein netter Hybrid

Man könnte an Hirten und Elfen denken, wenn man Shepard Faireys Namen hört. Die Meisten denken aber an einen Riesen: "Obey Giant" ist eine Ikone der Street Art. Ihr Schöpfer war in Wien um in Rahmen von Cash, Cans & Candy einen Silo zu bemalen und gab uns ein schnelles Interview.

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Skateboards, Hip Hop und Street Art: Shepard Fairey war dabei als diese Trinität noch "real" war. Aber auch Fairey wurde groß. Er klebt heute nicht mehr in Nacht- und Nebelaktionen Sticker von Obey Giant auf, sondern reicht sie mir beim Interview in einer großen Kiste. Sein Assistent sagt mir, ich solle mit beiden Händen zulangen. Es sind ja genug da.

Fairey gehört zu den momentan kommerziell erfolgreichsten Künstlern, die – im weitesten Sinne – aus der Street Art Ecke kommen. Berühmt wurde er spätestens, durch seine Obama-Poster, die während dessen erster Wahlkampagne zu großer Verbreitung kamen. Im Interview hören wir vom russischen Konstruktivismus und den Black Eyed Peas.

Das Motiv, das du auf dem Silo verwirklicht hast, stammt aus einer Serie, richtig? Ich erinnere mich an den Titel "Commanda". Was hat es damit auf sich?

Das ist eine Darstellung meiner Frau Amanda, also ist es ein Wortspiel. Bei diesem Bild geht es darum Street Art zu promoten; sie hält ja eine Spraydose. Es fällt auch irgendwie in meine Reihe "Make Art not War". Es gibt viele Konzepte in meiner Arbeit, die sich wiederholen. Ich beschäftige mich damit, für Frieden und Menschenrechte einzutreten, Umwelt zu schützen, Autorität zu hinterfragen…

…was mir ja auch das Konzept hinter Obey zu sein scheint – das Hinterfragen von Autorität: Leuten zu sagen, dass sie eben nicht gehorchen sollen….

Ja, umgekehrte Psychologie.

Obey gibt es ja schon einige Jahre lang. Wie siehst du die Veränderung in den Medien und vor allem den Massenmedien. Ist es "schlimmer" geworden, seit du mit Obey begonnen hast?

Das Internet hat es möglich gemacht, dass es viel mehr Stimmen gibt. Aber das Problem ist, dass vieles nicht wirklich bestätigt ist. Leute denken einfach, dass sie etwas wo gelesen haben und es schon allein deswegen stimmt. Also gibt’s viel Bullshit. Ich finde es aber gut, dass motivierte Leute ihre Kunst, ihre Meinung, ihre politischen Ansichten teilen können, ohne durch die Bürokratie zu müssen. Allerdings macht es mich fertig, dass das Internet Print getötet hat. Ich liebe Print.

Vielleicht kommt Print ja zurück, wie Vinyl…

…ja, ich sammle auch viele Platten…

…mit denen du auch auflegst. Und du hast viel mit Musikern gearbeitet. Von Interpol bis will.i.am – ein sehr weites Spektrum. Wo positionierst du dich musikalisch?

Was ich für Will gemacht habe und die Black Eyed Peas war nur ein Job. Ich bin nicht der größte Fan. The Clash und Public Enemy sind meine Lieblingsbands. Sex Pistols, Interpol, Joy Division. Von den neueren Bands: Franz Ferdinand, M.I.A., Black Keys, Last Shadow Puppets. Es gibt in jedem Genre gute Musik. Ich steh zum Beispiel nicht so auf Country, aber ich liebe Johnny Cash.

Und von der Artwork-Seite? Was war das interessanteste Musikprojekt für dich als Grafiker/Illustrator?

Neil Young fragte mich, ob ich Artwork für sein Album (Anm.: "Americana" – Neil Young & Crazy Horse) mache, das circa vor einem Jahr rauskam. Er coverte amerikanische Folk-Songs, die aus der "Working-Class-Struggle"-Tradition kamen. Ich mochte das Projekt, weil es mir erlaubte, die Themen der Songs mit einem zeitgemäßen Twist zu illustrieren. Ich konnte Kunst machen, die im Kontext der Songs funktionierte, die aber auch etwas behandelte, was ich sowieso behandeln wollte. Das war ein netter Hybrid.

Street Art hat sich ins Museum aufgemacht. In Wien ist das ja noch relativ neu, in größeren Städten gibt es die Entwicklung schon lange. Siehst du noch eine Zukunft für die Straße, oder ist das vorbei?

Nein, das Gute an Street Art ist ja, dass sie frei ist und nicht gezähmt werden kann: weil sie ohne Erlaubnis funktioniert. Wenn man auf ein gewisses Level von ästhetischem Niveau kommt, dann wird man eben gefragt, ob man ausstellen will, aber das ändert nichts an der rebellischen Seite von den Wurzeln der Street Art.

Du bist ja jetzt schon länger dabei, woher schöpfst du neue Ideen?

Ich recherchiere viel. Ich gehe in Büchergeschäfte und sammle alte Bücher, kaufe neue. Ich schaue auf die Kunstgeschichte. Aber das ist mehr eine formale, ästhetische Seite der Inspiration.

Zum Beispiel dein Interesse für russischem Konstruktivismus. Was gefällt dir daran?

Der Konstruktivismus bricht all seine Elemente auf ihrer kraftvollste Essenz herunter, aber mit Stil. Es ist nicht "einfach" im Sinne von "langweilig". Es ist "einfach" im Sinne von "es gibt nichts Überflüssiges". Es ist das gewaltigste Zusammenspiel von Farbe, ikonischer Darstellung und Typologie, was je gemacht wurde.

Leute drehen Filme über dich und du bekommst Dankesnachrichten vom amerikanischen Präsidenten. Wie gehst du mit dem "Fame" um?

Je erfolgreicher man wird, desto mehr hassen einen Leute. Es macht eigentlich sehr bescheiden. Ich bin dankbar, dass ich ein Publikum habe und ich versuche das Beste daraus zu machen.

www.obeygiant.com

Hier das Programm von Cash, Cans & Candy.

Das Commanda-Mural befindet sich am Silo auf dem Gelände der Ankerbrotfabrik, Absberggasse 35, Wien 1100. Ein weiteres Piece von Shepard Fairy, der klassische Obey Giant, thront jetzt auf der Wand der Bilderbox, Kirchengasse 40, 1070 Wien.

Bild(er) © Katharina Stögmüller
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