Diese Stimme: Nach dem siebten Album immer noch so königlich und zerbrechlich wie Porzellan. Marissa Nadler ist undurchsichtig wie Milchglas- ihr Folk rein wie Bergwasser. Feist und Lana del Rey erfrieren im Hochsommer.
Diese Stimme. Beflügelnd im Falsett, bedrückend in ihrer Schwere. Wie ein schmelzender Gletscher. Wie ein würdiger letzter Gang. Der Moment, wenn man beim Skifahren mit der Gondel durch die Nebeldecke stoßt und die Sonne sieht. Nein echt, bei dieser Songwriterin gerät man ins Schwärmen.
So auch die inzwischen sehr abgelutschte Angewohnheit des Feuilletons, Nadler mit einer der Sirenen aus Homers "Odyssee" zu vergleichen: Betörend. Wunderschön. Und doch hinterlistig auf ein Opfer wartend. Das ändert aber nichts an ihrer mysteriösen Aura. So ähnlich wie es in ihrem Video zum Song "Wedding" inszeniert wurde: Eine grazile Ausdruckstänzerin wird von einem unscheinbaren und reglosen Mädchen im schwarzen Rüschenkleid beobachtet. Sie wirkt zu schüchtern um zuzugeben, dass das ihre Musik ist, die so wunderbar von den Wänden widerhallt.
Feist auf Metall, Cat Power vorm Entzug
Das ist Marissa Nadler- mit ihrem inzwischen achten Album der neue Sign des New Yorker Labels "Sacred Bones Records". Hier scheint die 30-Jährige US-Amerikanerin zwischen David Lynch und Zola Jesus ihr ideales Umfeld gefunden zu haben, während die Label-Suche bis jetzt eher floppte. Ihr zarter Folk kommt minimalistisch daher – nur selten wird das Gitarren-Picking von einem Beat oder Arrangement durchkreuzt. Er braucht nicht mehr als das. Referenzen für diese Platte gibt es genug: "Metals" von Feist, Cat Power vor dem Entzug und ganz viel Lana Del Rey natürlich: Immer wieder hört man die Vergänglichkeit eines "Video Games", den Romantizismus und stellt sich dazu die passenden Rehäuglein vor – zu Boden geneigt, weil verlegen von der eigenen Genialität.
Und trotzdem ist es alles andere als ein modernes Pop-Album. Es ist das behutsame Einfangen einer großen Stimme, aus deren Geschichten man sich unbedingt ein Bild ihrer ganzen Person spinnen möchte. Und dann erfährt man, dass Nadler mit der richtig finsteren Black-Metal Band Xasthur musiziert hat. Dass sie eigentlich Malerin ist, Neil Young covert und ein Album namens "July" im Feber released. Nadlers Folk ist undurchsichtig wie Milchglas. Man muss sich erst benebeln lassen bis man irgendwo am Ozean den Kopf verliert.
"July" von Marissa Nadler erscheint am 7. Februar via Pias.