The Notwist gibt es mittlerweile seit 24 Jahren. Das ist eine lange Zeit. Das ganze Leben der Autorin zum Beispiel. Nach sechs Jahren erscheint Ende Februar nun das siebte Studioalbum „Close To The Glass“. Am FM4-Geburtstagsfest haben wir Sänger Markus Acher gefragt, was denn da immer so lange dauert.
Eigentlich ist es ganz einfach. The Notwist tanzen grundsätzlich auf ganz vielen Hochzeiten gleichzeitig. Bei den Mitgliedern gleicht beispielsweise das Nebenher-Musizieren fast schon einer Manie. Acid Pauli, Console, Lali Puna, Ms John Soda, Tied & Tickled Trio und 13&God, dazu noch jede Menge Soundtracks zu Filmen wie „Crazy“, „Absolute Giganten“ oder „Sturm“ sowie Musik für die ein oder andere Theaterproduktion. Ach ja, und dann möchte man eben auch als The Notwist gemeinsam Alben aufnehmen. Manie. Immer schon.
Verrückt schien nämlich auch die Entscheidung der Band, einen ihrer Songs nicht für einen Vodafone-Werbespot herzugeben, obwohl ihnen der Mobilfunker dafür 750.000 Euro bot. Sie haben es ausgeschlagen. "One With The Freaks" hätte es sein sollen, von ihrem so herrlich von Schwermut getragenen Indiepop-Meisterwerk „Neon Golden“. Damit hatte die Band aus Weilheim 2002 internationale Aufmerksamkeit erzielt, wie sie in diesem Jahrtausend sonst ausser ein paar Elektronikern nur eine Handvoll Bands wie Rammstein oder Tokio Hotel zuwege brachten.
Auf dem neuen Album sind die Songs filigraner, die Elektronik flirrt und flimmert und doch tauchen zwischendurch vereinzelt Stücke auf, die ebenso gut auf „Neon Golden“ oder „The Devil, You + Me“ (2008) hätten sein können. Wie es dazu kam, was sie inspiriert hat und warum Soundtracks kein Kinderspiel sind, hat Markus Acher im Detail erzählt.
Wie schreibt man einen Soundtrack? Geht man das anders an als ein Studioalbum?
Das ist eine ganz andere Herangehensweise. Wir kriegen das Drehbuch, dann sehen wir irgendwann den Rohschnitt und dann muss man genau auf die Bilder und Schnitte drauf komponieren. Man muss natürlich auch die Stimmung treffen, bestimmte Figuren charakterisieren, generelle Kapitel markieren und solche Sachen. Bei einem Album gibt es solche Vorgaben ja nicht, das hat eine ganz andere Dramaturgie. Einen Soundtrack zu machen ist deshalb viel reglementierter und limitierter. Da gibt es auch keinen Gesang, es sind keine Songs in dem Sinne, es ist rein instrumental. Das ist einerseits natürlich beschränkender, andererseits oft interessanter, weil man sich neue Sachen suchen muss, die im Zusammenhang funktionieren. Man muss minimal komponieren, sonst zieht es zu viel Aufmerksamkeit auf sich.
Aber ihr macht das schon gerne? Es waren ja doch ein paar.
Ja, wir machen das sehr gerne. Wir machen auch Hörspiele für Theater. Dass man Geld verdient, während man eine Platte aufnimmt, ist auch nicht schlecht, muss man ehrlich sagen.
Seid ihr sehr Film- und Theater-affin?
Film auf jeden Fall. Theater – da kommt man so rein, automatisch.
Arbeitet ihr zwischen zwei Platten ständig oder gibt es auch einmal eine Zeit, in der ihr alles, was Notwist betrifft, komplett liegen lasst?
Es gibt schon längere Zeiten, in denen bei Notwist nichts passiert. Bei den letzten zwei Platten war es so, dass wir zwei Jahre mehr oder weniger viel getourt sind, dann waren zwei Jahre andere Sachen, auch andere Bands oder Soundtracks eben und dann haben wir die Platte gemacht. In diesem Fall auch mit Unterbrechung, aber im Großen und Ganzen hat es zwei Jahre gedauert, bis wir die dann so fertig hatten, wie sie jetzt ist.
Doch relativ lange.
Wir versuchen, alles auszuprobieren, sind große Fans von aller möglicher Musik. Da hört man viel und kommt auf irgendwelche Ideen, die man einbringen will. Bei manchen Stücken dauert es, bis wir eine Form haben, die wir uns selber gerne anhören würden.
Sind da auch oberflächlich unverwandte Sachen dabei, wie Hip Hop?
Ich hör viel Hip Hop, mag ich total gern. Wir haben auch ein Projekt mit drei Amerikanern, die kommen aus Oakland, das heißt 13&God. Die kommen eigentlich extrem aus dem Hip Hop. Bei der neuen Platte waren auch ganz viele Einflüsse daraus dabei, also das, wie manche Hip Hop-Platten aufgebaut sind – diese harten Schnitte, wir haben mit Samples gearbeitet oder samplemäßig gedacht, sodass wir Sachen nachgespielt haben, die uns gefallen haben. Beastie Boys waren zum Beispiel dabei.
Wie schwer ist es, einen kompakten Song wie „Kong“ zu schreiben im Gegensatz zu einem 9-minütigen Prog-Song wie „Lineri“?
„Kong“ oder „Seven Hour Drive“ gehen schon schnell, aber es ist beides auf eine Art nicht einfach. Bei „Kong“ haben wir am Abend davor alte Nummern von Stereolab gehört, während wir bei „Lineri“ eher bei Kraftwerk und Krautrock-Sachen waren. Man muss alles gleichermaßen ernst nehmen und nicht Collagen und Instrumentals so behandeln, als seien sie nicht so toll oder schwer wie ein Popsong. Da ist das eine nicht mehr wert als das andere.
Ihr habt euch weiterentwickelt seit „Neon Golden“. Aber wie du schon angedeutet hast, „Kong“ oder „Steppin‘ In“ sind doch wieder eher Marke schwermütiger Indie-Pop.
Ich hab gehört, dass „Close To The Glass“ eine Symbiose aus allen Notwist-Platten ist. Das haben wir nicht extra so gemacht, aber ich hab damit kein Problem. Wir haben einfach darauf los gemacht. Wenn ein Stück nur aus Gitarre, Bass und Schlagzeug besteht, dann verwenden wir beim nächsten Lied umso mehr Elektronik und gar keine Gitarre mehr. Wir fanden das Nebeneinanderstellen von diesen Sachen als Idee für die Platte total gut. Es war auch befreiend, weil es Spaß macht, wieder einmal ein Gitarrenrock-Stück zu spielen.
Ihr habt euch aber nicht verpflichtet gefühlt, so etwas einzubauen, weil das damals so gut funktioniert hat.
Nein, einfach darauf los gemacht, wie gesagt.
Ist diese Art von melancholischem Indie-Pop à la „Neon Golden“, obsolet geworden? War das eine Phase Anfang der 00er Jahre?
Keine Ahnung. Besser kriegen wir es jetzt nicht hin. Das ist das, was wir machen können und anders können wir es nicht.
Schon okay. Die Zeit hat eure Heimatstadt einmal als „Haltung, eine Chiffre für deutsche Wertarbeit“ bezeichnet. Ihr habt dazu ja beigetragen. Was verbindet euch noch mit der Stadt?
Da sind unser Studio und unser Übungsraum und das ist billig. Martin wohnt in Berlin, Micha wohnt eine Weile von Weilheim entfernt und ich wohne in München und insofern ist dieser Raum in Weilheim sehr wichtig für uns. Deswegen sind wir da auch oft. Ich würde sagen, dass das, was an Weilheim wichtig war, die Freundschaften, der Zusammenhalt und die gleiche Idee, wie man Musik macht, war. Sonst sind wir da halt aufgewachsen. Man freut sich immer wieder hin zu kommen, aber man kann sich genau daran erinnern, dass man weg wollte, als man da gelebt hat.
Wie wichtig ist Geld für euch? Ihr habt ja damals zum Beispiel diesen Werbespot ausgeschlagen.
Geld ist für jeden wichtig, wir haben mittlerweile auch alle Familien, deswegen umso mehr. Dieser Werbespot … es war uns wichtig, dass das Lied nicht mit irgendeiner Marke assoziiert wird und das Geld war uns in dem Fall auch egal. Grundsätzlich diskutieren wir das Thema Werbung in allen Bands immer wieder. Bei Notwist war das aber doch auch eine politische Entscheidung.
„Close To The Glass“ erscheint am 21. Februar via Sub Pop/ City Slang.
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