Nach 20 Jahren im Geschäft ist Pharrell Williams offenbar am absoluten Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Ein feature-geschwängertes zweites Soloalbum kommt da gerade recht.
Es ist fast schon absurd. Man möchte meinen, Pharrell hätte seine Glanzzeiten Anfang der Nuller Jahre hinter sich gebracht. Seinerzeit (ja, so lange ist das her) hat er gemeinsam mit Chad Hugo als Produzententeam The Neptunes einen modernen Klassiker nach dem nächsten rausgehauen. Neben Timbaland galten die beiden produzententechnisch als the shit. Justin rockte seinen Body, Britney war plötzlich Sexsklavin, Gwen ging unter die Hollaback Girls, bei Nelly ging’s heiß her und Kelis warb für ihren Milchshake. In einem von EDM überfluteten Popzeitalter hätte wohl niemand mehr damit gerechnet, dass ausgerechnet Pharrell jetzt im Alter von 40 Jahren (black don’t crack) noch einmal so richtig big wird. Und trotzdem fuhr er mit "Blurred Lines" und "Get Lucky" zwei der erfolgreichsten Songs des letzten Jahres ein. Bei den diesjährigen Grammys war er folgerichtig Producer of the Year.
"Happy", seine erste Solosingle seit acht Jahren, entpuppte sich hingegen als Spätzünder. Mehr als sechs Monate nach seiner ursprünglichen Veröffentlichung auf dem Despicable Me 2-Soundtrack durfte man den Dopamin-getränkten Titel schließlich getrost als "Worldwide Smash" bezeichnen. Das 24-Stunden-Musikvideo dürfte einen großen Teil zum Hype beigetragen haben. Nicht umsonst tanzt man in Städten auf der ganzen Welt wie auf Droge zu "Happy". Die gewiefte Plattenfirma denkt sich da natürlich: "Aha! Der funktioniert ja als Solokünstler auch ganz gut!" Et voilá, schon halten wir ein neues Pharrell-Album in den Händen.
Get Your Funk On
"G I R L" heißt die Platte und verdeutlicht gleich im Opener "Marilyn Monroe", dass das hier alles andere als ein Rumsitz-Hörerlebnis wird. Wippen ist angesagt. Ein fesches Streicherthema eröffnet den Track, bevor Mr Williams seinen Einsatz hat: "different" raunt er, und los geht’s. Marilyn, Kleopatra oder Johanna von Orleans interessieren ihn recht wenig, er will nämlich ein different girl. Auf "Brand New" gibt’s mit Justin Timberlake auch schon das erste der erwähnten Features: Nach allen Regeln der Kunst wird ein Falsetto-Battle ausgetragen, aus dem beide der Herren als Sieger hervorgehen. Klingt ganz schön funky, mit waschechten Gitarrenriffs, Bläsern und E-Piano. Die Intro-Methodik von "Blurred Lines" wurde nicht nur auf "Happy" und Paloma Faiths "Can’t Rely On You" wiederaufgegriffen, auch "Hunter" recycelt das hiterprobte Stilmittel. Das vergisst man jedoch spätestens sobald man die heavy Diana-Ross-"Upside Down"-Vibes wahrnimmt, die einem gemeinsam mit "Stayin‘ Alive"-Anleihen entgegenfliegen. Potentieller Single-Kandidat.
Auch Miley darf auf "Come Get It Bae" mal ran und wird von Pharrell eingeladen, auf seinem Motorrad zu fahren. Jaja. Er ist halt eine Drecksau. Der Titel "Gush“ erklärt sich damit auch von selbst. Hierauf will Pharrell übrigens den Arsch seiner Liebsten anzünden. Später geben sich auch noch die Herren von Daft Punk die Ehre, und glänzen in all ihrer Vocoder-Pracht auf "Gust of Wind", der wohl auch auf ihr eigenes Album gut gepasst hätte. Während bei "Lost Queen" mit Meeresrauschen und ganz viel mmmmhh richtiges Insel-Feeling aufkommt, hält "Know Who You Are" auch schon den nächsten Gastauftritt parat. Eine bessere Wahl als Alicia Keys hätte man hier kaum treffen können. She owns it. Der letzte Track "It Girl" gibt sich noch mal entspannt und rundet die Scheibe perfekt ab. Und da ist sie auch endlich, die allseits beliebte Kuhglocke, von der Pharrell wohl nie genug bekommen wird. Man hatte schon Angst gekriegt, dass die auf "G I R L" gar nicht gefeatured wird.
Nach dem Hören fühlt man sich ein bisschen wie der Raum ohne Dach, der in "Happy" so schön metaphorisch beschrieben wird. Melancholie wird man hier nur schwer finden, es geht um feel good, es geht um Spaß und es geht um Lust. Pharrell könnte ruhig öfter Soloalben machen. Lebensfreude wird hier nämlich en masse versprüht. Macht Bock.
"G I R L" von Pharrell Williams erscheint am 3. März via Columbia Records.