Die goldene Ära des Musikvideos ist vorbei. Dennoch kommen Clips lokaler Regisseure bei Festivals auf die große Leinwand. Youtube gibt es auch noch. Wir sammelten die Statements der Macher zu DIY, DSLR und dem lieben, fehlenden Geld.
Daniel Moshel
Wie würdest du persönlich den Reiz an Musikvideos beschreiben? Bekannte Elemente neu zusammenzusetzen, die so noch nicht gesehen worden sind, macht mir Freude. Gerade beim Musikvideo finde ich die gewohnten Eitelkeiten super langweilig. Wenn ein Interpret/eine Band einen Hauch von Selbstironie mit an den Start bringt, dann ist das für mich eine gute Voraussetzung beim Erstellen eines Konzepts. Im Falle meines ersten Musikvideos "MeTube" hat August mir beim Schreiben eine Carte blanche gegeben, wofür ich sehr dankbar bin. Was sind die besonderen Herausforderungen bei Musikvideos/Musikvideodrehs im Gegensatz zu anderen filmischen Genres? Leider sind normalerweise die Budgets bei Musikvideos extrem niedrig und damit ist es schon ungeheuer schwierig (vor allem nach der goldenen Epoche der 90er) zu punkten. Da hilft es, auf ein tolles Netzwerk an Mitarbeitern zurückgreifen zu können (in unserem Falle waren es mehr als 60 Menschen). Von meinem Produktionsleiter Roli (VeniVidiMovie), über die super Styling Leute von Tatendrang bis hin zum 3d Department waren talentierte Professionisten am Start, nur um einige aus dem Team zu nennen. Kennen sich Musikvideoschaffende in Österreich untereinander; gibt es Plattformen? Obwohl die Filmbranche in Österreich nicht sonderlich groß ist, kenne ich viele Filmschaffende nur entfernt. Hier herrscht eine Einsiedler-Kultur, der ich auf jeden Fall auch angehöre. Ich wusste von keiner Musikvideo-Plattform in Österreich, bis wir letztes Jahr beim VIS gewinnen durften. Hast du das Gefühl, dass die Qualität und Quantität österreichischer Musikvideos zunimmt? / Wie nimmt die Möglichkeit des Do It Yourself (viele "ungelernte" Musikvideomacher) auf Qualität und Quantität Einfluss? Sowohl Quantität als auch Qualität der filmischen Werke nimmt zu. Das liegt einfach an der Demokratisierung der Mittel/Werkzeuge. Die Schere zwischen mittelmäßigen/schlechten und guten bis spitzenmäßigen Werken geht aber auseinander. Viele Autodidakten nutzen das Internet um ihre Arbeiten zu publizieren und damit Feedback zu erhalten. Was früher fast ausschließlich in geschlossenen und geschützten Umfeldern, wie Schulen und Unis, betrieben worden ist, wird nun massig öffentlich diskutiert. Ich finde diese neu gewonnene Möglichkeit des Austausches super. Wie nimmst du die österreichische Musikszene wahr? Experimentierfreudiger und kreativer als die deutsche. Die scheinen mehr auf schlechtes Copy-Paste zu setzen. Wie stehst du zum "DSLR-Look" bei vielen Musikvideos? Ich finde die Möglichkeit, für fast kein Geld filmisch auszusehen, spitze. Jedoch kann ich es nicht mehr sehen, wenn Filme aus 99% Schärfeverlagerungen bestehen und man den Effekt rauf- und runterspielt. Welchen Stellenwert haben Musikvideos in deinem sonstigen Schaffen? Haben sie überhaupt einen? Bisher hatten sie keinen besonderen Stellenwert. Bei den Budgets und den restriktiven Vorgaben habe ich mich nicht danach gestreckt. Setzt der Erfolg ein, kommen auf einmal Leute auf dich zu, und ich würde mich riesig freuen weitere Musikvideos mit eigenwilligen Konzepten zu gestalten. "Habanera" ist kein klassisches Musikvideo. Haben dich die Viralität des Videos und die zahlreichen Preise dazu angeregt weiterhin mit Musik zu arbeiten? Gibt es gerade neue Projekte in diese oder eine andere Richtung? Im Moment arbeite ich in der Produzentenrolle am Musikvideo von Regisseurin Stephanie Winter, die für den Tenor August Schram ein barockes Roboter-Märchen inszeniert. Ein klassisches Stück ist Basis für den modern interpretierten Track. Das Ergebnis wird sicher spannend werden. Neben den Vorbereitungen zu ersten Pop-Musikvideos, gibt es im nächsten Jahr eventuell ein Nachfolge-Projekt zu "MeTube", aber davor muss ich erst vom Konzept überzeugt sein. Es ist nicht so einfach mit einem Sequel, wenn man ein Video gemacht hat, welches die führenden Musikvideopreise und mehr gewonnen hat und beim Sundance Film Festival partizipieren durfte. Man will eins drauf setzen, aber das gelingt selten. Auch steht nun mein erster Spielfilm in der Entwicklung, ansonsten gilt für mich: Schauen wir mal, dann sehen wir schon. Dein Lieblings-Musikvideo? All-Time Favourite: "Thriller" von Michael Jackson, aber vom letzten Jahr gefällt mir von Van She das Video zu "Idea of Happiness".
Daniel Moshel studierte Multimedia Art an der FH Salzburg. Sein experimentelles Musikvideo "MeTube: August sings Carmen 'Habanera'" gewann zahlreiche Preise, zählt mittlerweile fast eine Million Youtube-Views und lief am Sundance Film Festival.
MeTube - August sings Carmen 'Habanera' www.metube.at www.moshel.com
Johannes Gierlinger
Kennen sich MusikvideomacherInnen in Österreich untereinander; gibt es Plattformen? Ich arbeite immer mit Freunden zusammen, die alle irgendwie in der Filmbranche vernetzt sind oder auch mit mir an der Akademie studieren. Auch viele der Protagonisten in den Videos sind Freunde. Eine richtige Szene gibt es aus meiner Sicht aber nicht. Als Plattform gab es, sofern ich mich erinnern kann, mal Screensessions, mittlerweile sehe ich das VIS als Plattform für Musikvideos. Hast du das Gefühl, dass die Qualität und Quantität österreichischer Musikvideos zunimmt? / Wie nimmt die Möglichkeit des Do It Yourself (viele "ungelernte" Musikvideomacher) auf Qualität und Quantität Einfluss? Ich denke schon, dass die Qualität der Musikvideos zunimmt. Man ist durch die begrenzten finanziellen Mittel oft gezwungen, andere filmische Mittel einzusetzen. Dabei enstehen aus meiner Sicht oft die spannenderen Projekte. Mir ist es auch lieber in einem kleinen Team zu arbeiten, wo alles überschaubar ist und jeder sich einbringen kann. Wie nimmst du die österreichische Musikszene wahr? Da ich selbst in einigen Bands gespielt habe, bin ich natürlich an der österreichischen Musikszene interessiert. Es gibt auch wirklich Spitzenbands, die sich international nicht verstecken müssen. Auch die internationale Wahrnehmung nimmt zu. Die Fördergeber sind hierbei jedoch gefragt, Bands, Labels, etc. mehr zu unterstützen. In Skandinavien läuft das schon lange so. Auf Dauer rentiert sich das für den gesamten österreichischen Musikmarkt. Was macht für dich den Reiz an Musikvideos aus? Auf der einen Seite interessiert mich zuerst einmal die Musik, und dann natürlich die visuelle Ebene. Wie lässt sich das Musikstück mit Bildern ergänzen und wie kann beides zusammen in eine Form gebracht werden? Die Form geht über den Inhalt hinaus. Wie stehst du zum "DSLR-Look" bei vielen Musikvideos? Ich mache mir wenig aus Technik. Eine Kamera ist für mich ein Werkzeug, der Hammer der Filmemacher. Sofern man weiß, wie man dieses Werkzeug benutzt und vor allem warum, kann jede Kamera das richtige Ergebnis bringen, egal ob DSLR, VHS, Super 8, Handy oder Kinokameras wie die Arri Alexa. Das "Warum?" ist meist die viel wichtigere Frage. Gibt es außer Förderungen irgendwelche Möglichkeiten Geld mit Musikvideos zu verdienen? Um Fördermittel habe ich bisher nur für meine eigenen filmischen Arbeiten angesucht. Die Beschlüsse dauern meistens recht lange, daher kommt das für Musikvideos oft nicht in Frage. Das Ganze muss meist recht schnell und kurzfristig passieren. Bisher waren die meisten Musikvideos schlecht bis gar nicht bezahlt. Man braucht sich da auch nichts vormachen. Es ist für Bands schon schwierig genug, von ihrer Musik leben zu können und somit ist es noch schwieriger, mit Musikvideos Geld zu machen. Welchen Stellenwert haben Musikvideos in deinem sonstigen Schaffen? Ich arbeite als Filmemacher meist im Dokumentar-, Essay- und Experimentalfilmbereich. Musikvideos ermöglichen mir gewisse Dinge zu vermischen und vor allem auch Ästhetiken der Popkultur einzubringen. In meinen anderen Arbeiten haben diese Elemente bisher keinen Platz gefunden. Natürlich würde ich gerne mehr Musikivideos machen, nur geht sich das zeitlich meist nicht aus. Zurzeit lege ich mein Hauptaugenmerk auch mehr auf meine freien Arbeiten. Daher ist es mir lieber, ich mache zwei bis drei Musikvideos pro Jahr und bin mit diesen dann auch zufrieden. Dein Lieblings-Musikvideo? "Sledgehammer" von Peter Gabriel ist ein bemerkenswertes Musikvideo. Aber es gibt viel zu viele gute. Deine Musikvideos für Sex Jams unterscheiden sich sehr stark von denen für deine eigene Band; deine Kamerarbeit für Gin Gas "Dancer" hat wieder einen ganz anderen Look. Ist dir die Orientierung an der Musik für deine Videos wichtiger als das Etablieren eines unverkennbaren Stils? Ich denke das jede Band bzw. jeder Song eine eigene Bildsprache braucht, genau wie die Musik eine eigene Sprache hat. So hätte es für mich keinen Sinn gemacht, für die Sex Jams ein Video mit einer "cleanen" Ästhetitk zu machen, sondern viel mehr mit anderen Bildelementen zu arbeiten, wie VHS oder handbearbeitete Super 8. Ebenso hätte solch eine Ästehtik für The Helmut Bergers nichts gebracht. Die meisten meiner Musikvideos entstehen ohne Drehbuch, sondern meist mit Konzeptskizzen und Fragmenten an Ideen. Gedreht wird auch relativ einfach, ohne großes Team. Der Zugang ist ein stark dokumentarischer, der sich mit fiktionalen Elementen vermischt. Ich möchte auch nicht jedes Mal die gleichen Bilder erzeugen. Daher nutze ich die Vielfalt an Möglichkeiten, die sich anbieten. Das Konzept zum Gin Ga-Video war schon im Vorhinein da und nach Absprache mit Fanny Brunner, der Regisseurin, war auch klar, dass sie für das Video einen relativ cleanen Look haben wollten. Drehort, Performance und Farbkonzept – das war alles sehr gut abgestimmt, daher entschlossen wir uns das Ganze auch so zu drehen. Als nächstes steht ein Video für die Steaming Satellites in Zusammenarbeit mit Stefan Wascher an. Da arbeiten wir geraden an einer Bildsprache. Soviel kann ich schon mal sagen. Es werden viele analoge Effekte direkt beim Drehen eingebaut. Johannes Gierlinger studiert Kunst und digitale Medien an der Universität für bildende Kunst in Wien. Er war selbst Teil der Band The Helmut Bergers und arbeitet im Moment an einem Video für die Steaming Satellites. Bisher drehte er zum Beispiel für die Sex Jams und als Kameramann für Gin Ga.
Mirjam Unger
Was macht für dich den Reiz an Musikvideos aus? Musikvideos geben mit Freiheiten. Ich kann assoziativ arbeiten, collagenartig. Musik, Lyrics und die Bilder kommunizieren miteinander und das Ganze folgt keiner zwingenden Narration. Außerdem gefällt es mir, einem Lied durch die Bildebene noch ein weiteres Sprungbrett zu geben. Ich arbeite gerne mit MusikerInnen zusammen. Das bereichert mich, tut mir gut und ich weiß es zu schätzen. Was sind die besonderen Herausforderungen bei Musikvideos/Musikvideodrehs im Gegensatz zu anderen filmischen Genres? Die Herausforderung ist das "No Budget": Es geht darum, ohne Geld IdealistInnen zusammenzutrommeln, das Team durch das Lied zu begeistern und somit ein Filmchen herzuzaubern, das nur dadurch entstehen kann, dass alle unentgeltlich einen Tag lang ihr Bestes geben. Aus der budgetären Situation entsteht die Notwendigkeit zu improvisieren und Improvisation, glaube ich, finden wir immer spannend. Allerdings mache ich Abstriche. Ich schneide die Videos nicht selbst, das würde mich zu viel unbezahlte Arbeitszeit kosten. Ich gebe das Material einem Cutter meines Vertrauens und respektiere seine Herangehensweise. Kennen sich Musikvideoschaffende in Österreich untereinander; gibt es Plattformen? Ich kenne fast keine… Ist es schwieriger für Musikvideos Förderungen zu finden als für andere Projekte im Filmbereich? Ich versuche es gar nicht. Musikvideos sind für mich eine idealistische Sache. Ich mache es, um zu üben, um KünstlerInnen zu unterstützen. Musikvideos waren für mich persönlich noch nie eine kommerzielle Angelegenheit. Hast du das Gefühl, dass die Qualität und Quantität österreichischer Musikvideos zunimmt? Wie nimmt die Möglichkeit des Do It Yourself (viele "ungelernte" Musikvideomacher) auf Qualität und Quantität Einfluss? Ich sehe viele Videos, die ganz nett aber mittelmäßig sind weil im DIY-Verfahren einfach mehr möglich ist. Aber DIY ist kein Kriterium für mich, ob ein Video gut oder schlecht ist. "Do it yourself" macht allerdings vieles leichter und eher möglich. Die Videos, die mich staunen lassen, sind ganz unterschiedlicher Natur. Das können Videos sein ohne Budget oder mit Millionen-Dollar-Budget. Um über österreichische Videos zu sprechen: Ich mag genauso gern die ungeschnittene Einstellung im Homevideo-Format von "Libertatia" von Ja, Panik, ein One Take, aufgenommen in ihrem Minibadezimmer, wie auch das aufwendig hergestellte Musikvideo von Daniel Moshel, "MeTube: August sings Carmen 'Habanera'". Wie nimmst du die österreichische Musikszene wahr? Als prosper, agil, umtriebig, spannend. Ich entdecke laufend Bands, die mir gefallen, die mich inspirieren. Dein Lieblingsmusikvideo? Wahrscheinlich eines von den Beastie Boys zusammen mit Spike Jonze. Die trashigen Super-8mm-Videos von Lana Del Rey mag ich auch ziemlich gern. Ein Video, das mir letzthin gut gefallen hat, war von Agnes Obel, "Riverside". Ein S/W-Video. Schwebt wie ein Traum. Mirjam Unger kennt man als FM4-Moderatorin und Regisseurin der Dokumentarfilme "Vienna's Lost Daughters" oder "Oh Yeah, She performs!". Zu ihren Musikvideos zählen Arbeiten für die Lassie Singers und Bunny Lake. Ihr neuestes Musikvideo "Invisible" von Luise Pop wurde am 5. März 2014 präsentiert.
Manuel Johns (© Claudio Farkasch)
Was sind die besonderen Herausforderungen bei Musikvideos/Musikvideodrehs im Gegensatz zu anderen filmischen Genres? Ein Musikvideo liefert oft die Identifikationsgrundlage für Hörer und Fans der Künstler und trägt zu einem nicht unwesentlichen Teil zum Image der Band bei. Ich denke, dass es deswegen auch so wichtig ist, das Konzept des Videos mit der Band vor allem in der Anfangszeit gut abzusprechen. Im Vergleich zu anderen Genres ist es hier natürlich wichtig, die Musik im Auge zu behalten, denn manchmal verwirklichen sich Filmemacher ohne jegliche Verbindung dazu. Kennen sich MusikvideomacherInnen in Österreich untereinander; gibt es Plattformen? Jein. Ich kenne nur ein paar wenige, entdecke aber immer wieder gleiche Namen, wenn ich mir neue Videos von österreichischen Künstlern auf Youtube ansehe. Eine Plattform kenne ich in dieser Form noch nicht. Was macht für dich den Reiz an Musikvideos aus? Diese zusätzliche Ebene, die beim Aufeinandertreffen von Musik und Bild entsteht, kann mir im besten Fall eine Gänsehaut nach der anderen bescheren. Das können Musik oder Bilder für sich natürlich auch erreichen, aber die Verbindung der beiden holt da oft noch einiges raus. Als Schaffender interessieren mich vor allem das kurze Format und die vielen Möglichkeiten, in dieser Zeit eine spezielle Stimmung zu erzeugen. Ist es schwieriger für Musikvideos Förderungen zu finden als für andere Projekte im Filmbereich? Meiner Erfahrung nach: Ja. Gerade junge Künstler haben meist sogar zu wenig finanzielle Mittel um ihr Studioalbum aufzunehmen und abmischen zu lassen. Da sollten natürlich auch die meisten Fördergelder hineinfließen. Dass zum Schluss oft nur wenig für den Rest übrigbleibt, ist schade. Eine spezielle Musikvideoförderung ist mir nicht bekannt. Allerdings zahlen selbst große Labels oft nur sehr wenig, wenn du als Musiker keine Cashcow für sie darstellst. Hast du das Gefühl, dass die Qualität und Quantität österreichischer Musikvideos zunimmt? / Wie nimmt die Möglichkeit des Do It Yourself (viele "ungelernte" Musikvideomacher) auf Qualität und Quantität Einfluss? Da man ja mittlerweile auch ohne dicke Brieftasche Musikvideos produzieren kann, hat die Anzahl der österreichischen Beiträge sicher zugenommen. Dabei hat die Qualität viel mit Geschmack zu tun und damit, was die Musik braucht. Durch die Vielzahl an Videos wird es für die meisten darunter immer schwieriger, herauszustechen. Trotzdem braucht es die Vielfalt in jeder Hinsicht. Wie nimmst du die österreichische Musikszene wahr? Es passiert definitiv vieles hier und es gibt, soweit ich das beurteilen kann, quer durch Österreich wahnsinnig gute Musiker unterschiedlichster Genres. Nicht immer kommen die Spannendsten bis zur Öffentlichkeit durch, leider. Aber verstecken muss sich Österreich meiner Meinung nach auf keinen Fall. Wie stehst du zum "DSLR-Look" bei vielen Musikvideos? Gerade zu Beginn war es natürlich großartig, diese Foto-Qualität für eigene Low- Budget-Projekte verwenden zu können. Wie so oft übersättigt sich das und der Anspruch nach etwas "nicht so Sauberem" steigt. Nach wie vor werden sehr schöne und professionelle Arbeiten damit produziert, aber ich persönlich versuche mich den meisten Trends früher oder später gerne zu widersetzen. Da treff' ich dann vielleicht nicht immer den aktuellen Nerv, aber ich tu mir einfacher, dahinter zu stehen. "Time Loops" war definitiv ein trendigeres Video als die meisten anderen meiner Arbeiten. Welchen Stellenwert haben Musikvideos in deinem sonstigen Schaffen? Für mich ist die Arbeit an Musikvideos immer eine Spielwiese für zukünftige größere Projekte. Kein Video soll dem anderen gleichen und ich möchte jedes Mal etwas Neues probieren. Musikvideos zahlen mir sicherlich keine Miete, aber die Erfahrungen, die ich dabei gesammelt habe und die Aufmerksamkeit, die man dadurch bekommt, haben mir definitiv auf meinem Weg geholfen. Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Schauspielern wie Sabrina Reiter und Michael Fuith bei "Time Loops" gekommen? / Arbeitest du gerade an einem neuen Projekt? Ich wollte für "Time Loops" zwei starke Gesichter mit Tiefgang haben und nicht nur laufende Modelle. Nachdem ich Sabrina und Michael schon davor persönlich kannte und ich sie menschlich und fachlich total schätze, hab ich sie einfach gefragt und es kamen glücklicherweise zwei Zusagen. Dafür bin ich heute noch dankbar! Derzeit plane ich mit meinem Team das wohl Aufwändigste meiner Musikvideoprojekte, allerdings liegen noch einige Steine im Weg, die wir hoffentlich bald beseitigen können! Manuel Johns studierte an der FH Joanneum in Graz Informationsdesign. Er drehte zum Beispiel für Giantree, Thebigempty und Hans im Glück Musikvideos.
Christoph Kuschnig
Was macht für dich den Reiz an Musikvideos aus? Das Musikvideo ist eine sehr freie Kunstform, in der es (fast) keine Regeln gibt, und sie erlaubt, assoziativen Gedanken freien Lauf zu lassen. Das Musikvideo ist eine visuelle Interpretation der Musik. Es kann abstrakt sein, oder auch nur eine gute, emotionale Performance eines Musikers oder einer Band einfangen. Was sind die besonderen Herausforderungen bei Musikvideos/Musikvideodrehs im Gegensatz zu anderen filmischen Genres? Musikvideos sind ähnlich wie Kurzfilme. Mit keinen bis sehr knappen Budgets versucht man etwas Großes auf die Leinwand zu zaubern. Oft hat man auch ein sehr kleines Team, was natürlich Vor- und Nachteile mit sich bringt. Die Drehs sind intimer, dauern aber auch länger, weil es an Manpower fehlt. Ist es schwieriger für Musikvideos Förderungen zu finden als für andere Projekte im Filmbereich? Ich denke schon. Die Musikvideos, die ich bis jetzt gedreht habe, hatten so gut wie nie ein Budget und wurden von der Band selbst finanziert oder mitfinanziert. Musiker haben es generell schwer, ihre Musik zu produzieren. Hierfür gibt es in Österreich wenig Förderungen und die meisten finanzieren die Album-Produktion selbst. Wie nimmt die Möglichkeit der Do-it-yourself-Methode auf Qualität und Quantität Einfluss? Ich finde das Do-it-yourself-Prinzip sehr, sehr spannend, weil viele Do-it-yourself-Filmemacher auch gern outside the box denken und mit dem Medium oft spielerischer umgehen als "gelernte" Filmemacher. Für mich steht eine gute Idee immer im Vordergrund. Wie stehst du zum "DSLR-Look" bei vielen Musikvideos? Der Look ist egal, wenn die Idee gut ist. Ich hab auch nichts gegen einen DSLR-Look. Und die digitalen Möglichkeiten erlauben es, diesen Look sehr gut zu kaschieren. Natürlich drehe ich lieber auf einer professionelleren Kamera. Leider erlauben das die kleinen Budgets nicht immer. Gibt es außer Förderungen irgendwelche Möglichkeiten Geld mit Musikvideos zu verdienen? Ich denke nicht. Auch mit den Förderungen verdient man kein Geld, sondern steckt eigentlich alles in die Umsetzung. Wenn wir bei einem Musikvideo jeden am Set nach Kollektivvertrag bezahlen würden, dann würden wir keine Musikvideos realisieren können. An dieser Stelle möchte ich allen, die sich in der Szene engagieren, ein herzliches Danke aussprechen. Welchen Stellenwert haben Musikvideos in deinem Schaffen? Musikvideos haben für mich einen sehr großen Stellenwert in meinem Schaffen. Hab' ich mich doch bei meinen ersten kommerziellen Industriefilmen und Making-of Filmen mehr an Musikvideos als irgendetwas anderem orientiert. Dein Lieblings-Musikvideo? Ganz spontan: "Sweetness" von Fischerspooner. Was hier visuell passiert, ist ganz großes Kino. Bei "Sweetness" ordnet sich nicht das Bild der Musik unter, dominiert sie aber auch nicht. Bild und Musik haben hier den gleichen Stellenwert. Wieso hast du dich für eine Ausbildung in den USA entschieden? Ich wollte den europäischen Auteur-Film mit der Dramaturgie, wie sie in den USA gelehrt wird, kombinieren. In meinem Jahrgang waren nur 30% der Studenten aus den USA. Der Rest unserer Klasse war international. Von China bis Australien – eine aufregende Bereicherung und Inspirationsquelle. Und das erlaubt mir jetzt, Freunde in der ganzen Welt zu haben. So hat uns zum Beispiel jetzt einStudienkollege aus Paris beim Video zur neuen Garish-Single "Ganz Paris" mit Produktion und Location-Scouting geholfen. Christoph Kuschnig hat an der Film School der Columbia University studiert und lebt in New York und Wien. Für Garish hat er auch "Auf den Dächern" und "Ganz Paris" realisiert.
Antonin Pevny
Was macht für dich den Reiz an Musikvideos aus? Der Reiz an der Arbeit in diesem Genre liegt definitiv an der Befreiung jeglicher Konventionen, stilistischer wie formaler Art. Ich habe das Glück, oder auch die Möglichkeit, hier eigentlich das zu tun, was einem Filmemacher Spaß macht. Visionen zu formulieren, Einstellungen auszuprobieren, Gratwanderungen und auch Selbstfindungen zu erfahren. Da ich bei diesen Projekten meist auch das Drehbuch schreibe, sehe ich ein Musikvideo eher als einen Mini-Shortfilm. Das Musikvideo ist ein sehr breitgefächertes Medium und hat dank toller Plattformen eine extrem populäre Breitenwirksamkeit. Gerade dieser Fakt reizt mich. Du kannst über diesen Vertriebsweg und in Zusammenarbeit mit den einzelnen Künstlern ein großes Publikum ansprechen und die Chance der Viralität ist enorm. Was sind die besonderen Herausforderungen bei Musikvideos/Musikvideodrehs im Gegensatz zu anderen filmischen Genres? Die Möglichkeit einem guten Song mit Bildern eine noch bessere Aufmerksamkeit zu schenken ist spannend. Der Diskurs mit Musikern ebenfalls. Das ist im Werbefilm, gerade in Österreich leider verloren gegangen. Beim Musikvideo, zumindest bei meinen Ansätzen dazu, geht es nicht darum zu gefallen, es ist auch ein Kunstgenre geworden aus welchem die Werbung gerne und gut profitiert. Die Herausforderungen an der Visualisierung eines Tracks beginnt schon beim ersten Hören. Entweder packt es dich sofort oder es quält dich. Oftmals liegen die Ideen schon jahrelang in der Schublade und dann kommt eine Anfrage betreffend eines Videos und die Dinge fügen sich wie ein Puzzle zusammen. Wie nimmst du die österreichische Musikszene wahr? Österreich ist ein extrem musikalisches und vielschichtiges Land, welches auch aus dem Ausland beäugt wird. Wenn man hier lebt nimmt man das vielleicht nicht unbedingt wahr, aber wenn man sich im Ausland über Österreich unterhält, ist Musik schon ein Thema. Ich finde die Szene sehr erfrischend uneitel, und sie hat eine gewisse rotzige Attitüde. Die heimischen Musiker überlegen sich genau, was sie in ihren Songs erzählen. Es ist eine tolle Kombination aus anspruchsvoller Ambition an der Textarbeit und einer ausgefeilten, kniffligen Tüfftelei am Sound. Auch der Mut wieder deutsch/österreichisch zu klingen beginnt aufzukeimen und wird auch umgesetzt. Großartig! Du kommst aus der Grafik und hast dich – was sehr untypisch ist – auf Musikvideoproduktion fokussiert. Wie kam es dazu? Ist es nicht irrsinnig schwierig mit Musikvideos Geld zu verdienen? Ich finde dass es völlig egal ist, welchen Background, oder welche Vorkenntnisse man mitbringt. Musik hat mich persönlich immer schon mehr interessiert als Film. In der Grafik hat mich die Musik sehr stark begleitet und auch meine damaligen Illustrationen und Comics eingefärbt. Die Entscheidung Musikvideos zu drehen ist eigentlich aus einer Laune heraus entstanden. Ich habe mich schon sehr früh im Filmstudium, welches ich nach der Grafik begonnen hatte, mit einem Kurzfilm bewiesen. Dass ich mittlerweile auch Aufträge aus dem Ausland bekomme, ohne dort zwingend leben zu müssen, habe ich auf jeden Fall auch den Musikvideos zu verdanken. Oft musst du einfach mal investieren und darfst nicht immer nur an das Honorar denken. Es geht schließlich um Kunst und Selbstverwirklichung!
Antonin Pevny ist gelernter Grafik-Designer und hat sich auf Musikvideo- und Werbefilmproduktion spezialisiert. Er ist unter anderem Regisseur von Bilderbuchs "Plansch (Teil 1)" und "Maschin".
Anselm Hartmann und Marie-Thérèse Zumtobel
Kennen sich Musikvideomacher in Österreich? Zumtobel/Hartmann: Eine Plattform für MusikvideomacherInnen gibt es unseres Wissens nach in Österreich nicht. Und wenn doch, sind wir jedenfalls nicht Teil davon. Filmemacher untereinander kennen sich auf jeden Fall, wobei dann der eine oder die andere auch Musikvideos macht, worüber man sich natürlich austauscht. Welchen Stellenwert haben Musikvideos in eurem Schaffen? Zumtobel: Einen sehr hohen. Es ist erstaunlich, was man durch die Kombination von Musik und Bild alles in drei bis vier Minuten erzählen kann. Musikvideos sind zu einem großen Teil Schuld daran, dass ich überhaupt angefangen habe, Filme zu machen. In den 90er Jahren war ich regelrecht MTV-süchtig und konnte den Fernseher nicht mehr abdrehen, weil so viele Musikvideos bildgewaltige, kunstvolle Meisterwerke für sich waren. Viele meiner Lieblingsmusikvideos stammen noch aus dieser Zeit. Was macht für euch den Reiz an Musikvideos aus? Zumtobel/Hartmann: Der Reiz liegt darin, dass man mit filmischen Formen experimentieren kann, die in einem Spiel- oder Dokumentarfilm vielleicht keinen Platz hätten. Die Zusammenarbeit mit den MusikerInnen ist auch eine schöne Erfahrung, weil es geht ja dann letztendlich darum, etwas zu finden, das zu ihrer Musik und ihrem Image passt. Was sind die besonderen Herausforderungen bei Musikvideos/Musikvideodrehs im Gegensatz zu anderen filmischen Genres? Zumtobel: Eigentlich erlebe ich Musikvideodrehs viel entspannter als andere. Vielleicht liegt es daran, dass sie meist kürzer dauern als herkömmliche Drehs und man zum Schluss nicht so ausgepowert ist. Oder aber ich hatte bis jetzt einfach Glück mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Hartmann: Die Herausforderung ist oft das gewünschte Konzept mit der finanziellen Realität in Einklang zu bringen. Manchmal kann das zu kleine Budget auch die Kreativität beflügeln, aber meistens bedeutet es eher: "Sorry, die barocke Tanzgesellschaft im Palais geht sich leider nicht aus." Ist es schwieriger für Musikvideos Förderungen zu finden als für andere Projekte im Filmbereich? Zumtobel/Hartmann: Wir haben eigentlich noch nie gehört, dass jemand eine Filmförderung für ein Musikvideo bekommen hätte. Vielleicht gibt es da ja Möglichkeiten in Form von einer Förderung speziell für Musiker, aber die staatlichen Filmförderungen sind an reinen Musikvideos eher nicht interessiert. Private Sponsoren sind da eine bessere Adresse (z.B. Omas und Opas der Bandmitglieder). Wie steht ihr zum "DSLR-Look" bei vielen Musikvideos? Zumtobel/Hartmann: "Kamera wackelt und alles ist unscharf" ist halt ein bisschen langweilig, falls das mit DSLR-Look gemeint ist. Oft ist es auch eine Budgetentscheidung mit einem Fotoapparat zu drehen, wobei man natürlich trotzdem tolle Sachen damit machen kann. Man braucht nicht immer eine 50.000-Euro-Kamera - die alleine macht jedenfalls kein gutes Musikvideo. Wichtig ist, dass man sich überlegt, was und wie man etwas erzählen will. Das geht mit jeder Kamera. Euer Lieblings-Musikvideo? Zumtobel: "Sabotage" von den Beastie Boys, Regie führte Spike Jonze. Es handelt sich um eine Parodie auf amerikanische Fernsehkrimis aus den 70er Jahren, mit viel Gerenne, Türen eintreten, Zooms und Moustaches. Ich hab' mal in einem Interview gehört, dass zwei von drei Kameras, mit denen gedreht wurde, zu Schrott gingen. Eine war auf dem Dach von einem schleudernden Auto montiert und hat sich dabei wohl einmal mit etwas zu viel Schwung mitgedreht, die andere wurde für eine Unterwasser Aufnahme verwendet, wobei die Crew sie einfach in einem Plastiksack packte, was dann wohl nicht ganz gereicht hat. Hartmann: "Learn to Fly" von den Foo Fighters ist großartig, wie eigentlich so ziemlich jedes Foo Fighters Video. "Blackhole Sun" von Soundgarden ist auch noch super. War übrigens auch eine große Inspiration für unser Fijuka-Video.
Marie-Thérèse Zumtobel und Anselm Hartmann sind beide Kamerastudenten an der Filmakademie Wien. In Zusammenarbeit entstand zuletzt das Musikvideo für Fijukas "Phantom Sentimental".
"Wienpop", "Im Puls der Nacht", Schwerpunktland beim Branchenfestival Eurosonic und jetzt gerade der Amadeus Award – die Diskussion um österreichische Musiker, ihre Erfolge und ihren Ruf früher und heute reißt nicht ab. Patrick Pulsinger, aktiver Don der Szene, der voriges Jahr das Popfest kuratierte, nannte die musikalische Vielfalt und ihre Qualität in einem Interview (The Gap 136) "erschreckend großartig". Es tut sich etwas und das ist gut so. Doch wie sieht es mit den Bildern aus, wer setzt diese Musik ins Video und warum?
Geld scheint bei den meisten jedenfalls keine Motivation zu sein. Die goldene Ära des Musikvideos ist längst vorbei. Das große Geld, die großen Budgets – das gab es zuletzt in den 90ern und zwar nicht nur international, sondern auch im kleinen Österreich. Die Wiener DoRo-Produktion, gegründet von Rudi Dolezal und Hannes Rossacher, übernahm in ihrer Blütezeit nicht nur Videoproduktionen für Falco, sondern auch für internationale Acts wie Queen oder David Bowie. DoRo hatte seine Hand bei der Gründung von Viva im Spiel und konnte sich in den 80ern und 90ern in Preisen und wohl auch beträchtlichen Summen Geldes eingraben. Das war, bevor die ganze Musikindustrie in die Krise geriet und auch DoRo Konkurs anmelden musste.
Großes Kino
Da momentan viele österreichische Musiker unterschiedlichster Genres es nicht zuletzt durch kluge Selbstvermarktung via Internet schaffen, sich international einen Namen zu machen, beginnen nun auch lokale Filmfestivals wie Poolinale, Vienna Independent Shorts oder das Linzer Festival Crossing Europe damit, den zur Musik gehörigen Videos und ihren Machern Plattformen zu bieten. Dass sich die Musikvideomacher in Österreich aber kaum einmal untereinander kennen, wie unsere Interviews zeigen, beweist nur, wie viel Aufbauarbeit hier noch geleistet werden muss. Das betrifft auch die Filmförderung. Denn von den Labels, die schon damit kämpfen, ihre Musiker zu promoten, wird nicht viel finanzielle Hilfe zu erwarten sein. Die Ergebnisse hätten sich dabei natürlich anständiges, faires Geld verdient. "Was hier visuell passiert, ist ganz großes Kino", sagt Christoph Kuschnig zwar in ganz anderem Kontext, nämlich über ein Video von Fisherspooner. Die Aussage aber lässt sich eins zu eins auf das aktuelle österreichische Musikvideoschaffen umlegen.
Wir baten also einige Filmemacher, die in Österreich leben oder aus Österreich kommen, uns unabhängig voneinander Fragen zum Thema Musikvideo zu beantworten. Hier gibt es die Antworten in Langversion zu lesen.
Die Poolinale – Music Film Festival Vienna (27. bis 30. März) vergibt in Zusammenarbeit mit Mica – Music Austria und den VIS – Vienna Independent Shorts seit 2013 den österreichischen Musikvideopreis. Dieses Jahr findet die Preisverleihung am 26. Mai im Brut statt.
Auch das Crossing Europe Filmfestival Linz (25. bis 30. April) setzt dieses Jahr einen Musikschwerpunkt und vergibt im Zuge dessen sowohl einen Music Video Award als auch eine Residency für Musikvideoschaffende.
Die Autorin auf Twitter: @oidaamira