Das liebreizende Duo aus Baltimore, das einst noch mit seinem Indie Folk entzückte, hat unlängst die Akustikgitarren weggeschmissen. Übrig blieb besserer Dream Pop.
Schöne Geschichte. Andy Stack und Jenn Wasner nennen sich als Band nach einer 460 Jahre alten Eiche, der „Wye Oak“, die ihren Heimatstaat Maryland als „state tree“ repräsentierte. 2002 wurde diese von einem bösen Sturm umgerissen, es ist also quasi eine posthume Hommage an den geschichtsträchtigen Baum. Vielleicht war das mit den Gitarren eine ähnlich tiefgründige Aktion. Wasner sieht das nicht unbedingt so. Sie assoziierte mit den Gitarren bloß immer häufiger eine Art Ballast, den sie schließlich irgendwann abwerfen musste. Trotzdem auch ein bisschen eso.
Mehr Dream als Pop
Jedenfalls hat sie den Gitarren tatsächlich den Laufpass gegeben. Ihrem Partner war das eher wurscht, er hatte mit Schlagzeug und Keyboard sowieso nach wie vor alle Hände voll zu tun, spielt er doch beide Instrumente gleichzeitig. Ja, das geht. Für den Sound des neuen Albums „Shriek“ erwies sich die instrumentale Erleichterung als sehr produktiv. Aus dem, was übrig blieb, kristallisierte sich glasklarer Dream Pop heraus. Mehr Dream als Pop mit ein paar, wie zufällig platzierten, elektronisch verspielten Sprenkeln. Es ist eine präzise Aufwertung des Sounds der beiden Future Islands-Chums aus Baltimore. Dort scheint sowieso etwas in der Luft zu liegen.
Völlig losgelöst vom US-Folk
Erfreulicherweise hat sich durch die kleine Umorientierung das Songwriting selbst nicht wirklich verändert. Obwohl sich Wye Oak im Vergleich zum Vorgänger-Album „Civilian“ mittlerweile so eindeutig von der Verankerung im US-amerikanischen Folk gelöst haben wie die mächtige Maryland-Eiche aus dem Boden, sind ihnen die feinen Rätselhaftigkeiten, die frei stehenden und sich wie von allein lenkenden Melodien („Glory“) und Wasners in allen Oktaven wundersame Stimme („Sick Talk“) erhalten geblieben. Es wäre aber sinnlos, die Songs gesondert voneinander zu beschreiben. „Shriek“ ist stimmig wie rastlos, steht dabei über sich selbst und hat schön-schaurige Abgründe. Die vertonte Introspektion eines Lebenswandels vielleicht. Eigentlich funktioniert hier ja kaum etwas nicht.
"Shriek" erscheint am 25. April via Merge Records/City Slang.
Nicole Schöndorfer auf Twitter: nicole_schoen.