Man kann das Cover der neuen Swans-Platte als Ode an das Leben verstehen, oder als Drohung. Unschuldig und unerbittlich wachen Babysgesichter über die Musik der Swans. Sie haben Michael Gira mehr als eine schlaflose Nacht beschert.
Bob Biggs hat die Babyportraits vor über dreißig Jahren gemalt und fast genauso lange suchen sie Frontmann Michael Gira heim, finden immer wieder den Weg in seinen Kopf. Für “To Be Kind“ stellt er sich seinen Dämonen, bringt sechs Varianten mit ebenso vielen Gesichtern. Aus dem goldenen Cover starren sie ohne Körper heraus, sind nicht mehr als ein runder, speckiger Kopf. Gira zeigt sie uns allen, so als würden sie dadurch an Macht verlieren.
“To Be Kind“ ist das dreizehnte Studioalbum der Swans, das dritte nach der Wiedervereinigung 2010. Für sich genommen ist es erwartbar schwer geraten, bleibt eine Projektion großflächiger Verstörung. Dennoch, bereits mit dem Anfangsstück “Screen Shot“, präsentiert sich Michael Gira weniger in kompletter Verweigerung als noch vor zwei Jahren. Trotz seiner Länge ist “To Be Kind“ in vielerlei Hinsicht kompakter und greifbarer geworden, manchmal groovt es sogar. Die Noise-Anteile wurden etwas zurückgefahren, dafür scheint die persönliche Involvierung offensichtlicher durch. Auf “Just A Little Boy“ hört man immer wieder niederträchtiges Gelächter und verzweifelte Versuche dagegen anzukämpfen.
The Seer 2.0
Ein Großteil des Materials auf “To Be Kind“ ist während der Tour 2012/2013 entstanden. Generell sind die Parallelen zum hochgelobten “The Seer“ (zu unserer Review hier entlang) da. Wieder erbauen sich über zwei Stunden brachiale, oft manische Klangräume, um dann ins Nichts weggefegt zu werden. Wieder gelingt dieser Kraftakt mit Verstärkung. Waren beim Vorgänger Karen O oder Mimi Parker von der Band Low im Spiel, sind an ihre Stelle neue Abenteurer gelangt, allen voran St. Vincent, die auf insgesamt vier Stücken im Hintergrund herumgeistert.
Es überrascht auch nicht, dass es mit “Sun Toussaint“ wieder diesen halbstündigen Monolith von einem Song gibt, der zugleich fasziniert und verstört und den man, wenn überhaupt, erst nach reiflicher Überlegung spielt. Ein sprichwörtlich verrückt gewordenes Amalgat, pechschwarz, abgrundtief und natürlich auch unglaublich anstrengend. Ein Song, für den man wieder die schweren Kopfhörer herausholt und das Rolo komplett herunterfährt. Danach bleibt man dann auch gerne zuhause. Swans zu hören fordert und bei aller Begeisterung, die für ihre Musik aufgebracht werden kann, es erschöpft und kostet Kraft.
Wie schon “The Seer“ wird auch “To Be Kind“ bei den wenigsten auf Dauerrotation laufen, dafür ist die Musik zu schwer und emotional fordernd. Dennoch kann man “To Be Kind“ auch als Aufforderung an all jene sehen, die sich an “The Seer“, nicht ganz unverständlich, die Zähne ausgebissen haben. Die Tür ist diesmal einen kleinen Spalt weiter offen. Das darf man ruhig als Einladung verstehen.
"To Be Kind" von Swans erscheint am 9. Mai 2014 via Mute/Good To Go. Am 17. Oktober ist die Band live in der Wiener Arena zu sehen.