Screen ist nicht Papier. Spezielle Schriften fürs Internet und für digitale Displays sind daher seit Jahren ein großes Thema im Grafikdesign.
Am Bildschirm liest man nicht gerne lange Texte. Das hat allerdings nicht immer nur mit unserem spezifischen »Konsumverhalten« bei Computer und Smartphones zu tun. Sondern auch damit, dass manche Schriften auf Bildschirmen, ob groß oder im Pocket-Format, schlecht lesbar sind, zum Beispiel, weil Zeilen- oder Zeichenabstände zu gering sind oder die Kontraste nicht passen. Das müsste eigentlich nicht sein, denn Schriften für digitale Medien – sogenannte Webfonts – haben sich in jüngster Zeit rasant entwickelt.
»Durch die Ausbreitung von Webfonts wurde digitales Design revolutioniert«, sagt Matthias Jungwirth, der als Interactive Designer beim Büro Bauer – Gesellschaft für Orientierung & Identität arbeitet. »Mittlerweile erreichen viele Websites dadurch die Qualität von hochwertigen Editorial Designs. Gemeinsam mit immer raffinierterem Storytelling entstehen emotional und ästhetisch berührende Webpublikationen.« Das war nicht immer so. Bevor es technisch möglich wurde, jegliche Art von Schrift einzubetten, war man auf die vom Computersystem bereitgestellten Schriften angewiesen. »Schrecklich-Schriften«, wie sie der Schriftgestalter Marcus Sterz bezeichnet. Er nennt auch gleich die größte Schwierigkeit bei der digitalen Verwendung von Schriften, die sich auf Papier bewährt haben: »Jeder Raster bringt in der Darstellung von Kurven Probleme mit sich, da die Kurven in eckige Pixel aufgelöst werden.« Daher muss man die Schriften anpassen, wobei der komplette Schriftsatz in den Größen 8 bis 18 Punkt für die Darstellung optimiert wird: eine relativ aufwendige Prozedur. »Hinting« heißt der Fachbegriff dafür. »Je besser dies gemacht wird, umso stimmiger und ‘echter’ wirkt das Schriftbild am Schirm«, so Sterz.
Das sieht überall anders aus
»Großzügigere Mittellängen, angenehme Strichstärkenkontraste, erweiterte Zeichenabstände und das Hinting sind gute Wege, um Schriften webtauglich zu machen«, sagt auch Matthias Jungwirth. »Allerdings sind die Konditionen für klassische Buchtypografie andere als die für Bildschirmtypografie auf hinterleuchteten Displays.« Bei Letzteren gibt es bekanntlich gewaltige Unterschiede. Apples hochauflösendes Retina-Display etwa weist bereits in die Zukunft, in der es für den Laien keinen sichtbaren Unterschied zwischen Print und Digital gibt. Jungwirth glaubt allerdings nicht, dass Hinting dadurch überflüssig wird, sondern sich »vielmehr neue und andere Wege zur Schriftoptimierung ergeben werden«.
Hinting ist jedoch nicht die einzige Hürde, die man bei Webfonts nehmen muss. Denn digitale Schriften müssen so erstellt werden, dass man damit möglichst alle verbreiteten Browser und Betriebssysteme abdeckt. Auf einem Apple-Computer werden Schriften anders dargestellt als mit Windows, so wie es Unterschiede zwischen Internet Explorer und Firefox gibt. In der Kombination der verschiedenen Möglichkeiten wird die Sache erst richtig kompliziert. Seinen Arbeitsalltag mit Webfonts beschreibt Matthias Jungwirth so: »Als Interactive Designer bin ich vor allem Anwender – ich teste, probiere und überprüfe die Qualität der immer zahlreicheren Schriften im Web. Und mit dem stetig steigenden Angebot an Schriften wächst leider auch die Menge an qualitativ minderwertigen Schriften.«