Ich höre besser mit dem Knie als mit der Wade

Das ist einmal eine Ansage. Was der österreichische Ton-Raum-Künstler Bernhard Leitner damit meint? Genau das, ganz wörtlich.

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Bernhard Leitner. Ein Mann, der seit über 35 Jahren Töne körperlich hörbar macht. Während seines Architekturstudiums erweiterte er den Begriff des Raumes. Er sei kein Klangkünstler, kein Komponist sondern ein Ton-Raum-Künstler. Seine Materialien sind keine Melodien, vielmehr Klänge oder Töne – im Englischen besser zu bezeichnen als »sounds«.

Das Architekturzentrum Wien zeigt Leitners neueste Installation – die »Raum-Reflektion«. Ein Raum, der mit Parabolspiegeln und Lautsprechern ausgestattet ist und den Körper zum Schwingen bringt. Klingt sexy.

Zylinder der inneren Ruhe

Ein hörendes Raumerlebnis ist der magische Ort, den er im Parc de la Villette in Paris erschaffen hat. »Le Cylindre Sonore« – frei übersetzt: der klangvolle oder schallende Zylinder. Hinter den acht in sich geschlossenen, aber nach oben hin offenen Betonelementen, verstecken sich jeweils drei Lautsprecher. Das Wasser, das aus jedem Element hinaus in ein Becken strömt, macht ein Abschotten von störenden Umweltgeräuschen möglich. Der Besucher findet dort einen Ort der Ruhe vor.

Spaceballs und Aliens Baby

Töne mit dem Körper hören, ist ein einzigartiges Erlebnis. Wenn die Schwingungen deinen Körper durchströmen und du plötzlich merkst, dass außer deinem Ohr, auch dein Bauch, deine Hände und Füße bis zu deinen Haarwurzeln Akustik aufnehmen können. Ein besonderes und frühes Beispiel Leitners Arbeiten ist der »Ton-Anzug« und die »Ton-Liege«. Der Anzug – eine feine Netzstruktur – kann an jeder beliebigen Stelle mit einem Lausprecher versehen werden. Sieht aus wie ein Kostüm in »Spaceballs«, kann aber, außer flashig aussehen, auch etwas: Je nach Art des Tones, spürst du ihn entweder tief in dein Innerstes eindringen, oder dich einfach nur entlang deiner Hautoberfläche kitzeln. In der »Ton-Liege« ist der Körper selbst die schwingende Form, es entsteht ein physisches Hören.

Dass Ton sichtbar werden kann beweist Leitners »Blaues Wölben«, das zwischen 1994 und 2003 den Eingang der damaligen Austria Tabak zierte. Zu kompliziert, um dieses physikalische Phänomen hier genau auszuführen. Einfach gesagt: Klang macht durch Überdruck aus einer flachen Decke, etwas das aussieht wie Aliens Baby beim gefühlvollen Versuch das Licht der Welt zu erblicken.

Hören bis zum Knie

12 Steinplatten wurden 1995 in akribischer Form in einem Raum aufgestellt. Die spezielle Anordnung ist wieder sehr komplex, das Ergebnis aber ganz einfach. Beim Durchschreiten des Raumes kann man die Töne fühlen also als Schwingungen empfinden. Halt eben nur bis zum Knie. Beleibtere Menschen, die mehr Fleisch an der Wade haben, hören eben schlechter mit dem Knie – vielleicht hört auch Bernhard Leitner mittlerweile besser mit dem Wadl. Mit welchen Körperteilen wir in dieser Ausstellung hören dürfen, das erlebt man am besten am eigenen Leib.

Die Ausstellung »Bernhard Leitner. Ton-Architektur« findet vom 26. Juni 2014 -14. Juli 2014 im AzW im Rahmen des »MQ Summer of Sounds« statt.

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