Wir alle kennen diese Stimme: Dezent nasal, sich windend wie eine Natter. Joe Newman ist der unbekannteste Frontman der Welt mit der beliebtesten Band im Rücken. Das zweite Album ist eine Reise in das mysteriöse „Nara“. Und plötzlich singt Miley.
Dass ihr Bandnamen damals den Zeitgeist mitten in sein unberechenbares und kurzlebiges Herz traf, war vorprogrammiert: Alt J, ein Dreieck also am Mac-Keyboard, ist das ziemlich sicher langweiligste Zeichen, das sich eine Bewegung jemals auf den Arm tätowiert hat. Das war ein schöner Hype, nichts aber im Vergleich zum Debüt „An Awesome Wave“: Voll bis zum Rand mit noch selten zuvor so clever gebautem Indie-Pop. Verschnörkelte Math Rock-Instrumentalstrecken, schwere Beats und Bässe und darüber ganz viel verschrobenes A Capella. Das Englisch klang manchmal fast Asiatisch.
Inzwischen ist das Quartett zum Trio geschrumpft, was kaum auffällt. Alt J ist ohne Zweifel eine der beliebtesten britischen Bands der letzten Jahre, nur eben ohne den üblichen Fame und Glamour. Wirklich wichtig war ja immer nur diese Stimme: leicht nasal, sich zwischen Höhen und Tiefen windend wie eine zischende Natter. In "Hunger Of The Pines" singt plötzlich Miley Cyrus I´m a Female Rebel, die es ja laufend schafft coolen Indiepop mit sich selbst zu perforieren. Immer wieder zu R’n’B–Beats und säuselnden Stimmen hört man ein Sample aus dem Song „4×4“, eine traumhafte Fortsetzung von "An Awesome Wave", dessen Motive sich auf der Platte verteilen wie die Farbkleckse am Cover. Und doch, man hat noch nie so intime und zerbrechliche Songs von Alt J gehört. Wann hatte Pop zuletzt Zeit für vierminütige Blockflöten-Quartette? Mit "Warm Foothills" beweist man seine neue Liebe für Folk à la Feist und Angus Stone. „Nara“ ist schwermütiger Pop für die Christmette mit Latein-Litaneien und cleveren Beats.
Das wildere, aufmüpfigere Album wird aber immer der Erstling bleiben. Statt sich aus wie damals mit "Fitzpleasure" aus dem Fenster zu lehnen, lässt man es diesmal die meiste Zeit aus Angst vor Zugluft geschlossen: Viele Songs haben etwas Andächtiges, halten feierlich an ohne mit großen Motivbrüchen zu spielen. In den Tod entschlafen muss sich anfühlen wie "Arrival in Nara". Ist das der Himmel? Ist das Weltmusik von ganz Oben? It is all yours.
"This Is All Yours" von Alt-J erscheint am 19. September via Pias.