Wo liegt eigentlich Propolis?

Gäbe es die Band Mother’s Cake nicht, man müsste sie erfinden, um: a) ein Live-Album mit ihnen zu produzieren, b) seinen Musikschulkindern zu erklären, wie „Progressive-Rock“ klingt und c) zu zeigen, dass wir das Genre „Alpen-Rock“ unbedingt begraben müssen. Achja, „Propolis“ liegt in Tirol.

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Man könnte fast meinen, wir alle wären die größten Wander-Fetischisten überhaupt, so gerne benutzten wir heutzutage das Attribut „Alpen“ wenn wir von heimischer Musik sprechen. Immer dann, wenn man dann solche Texte liest, wenn von „Prog-Funk aus den Alpen“ die Rede ist, ist das nicht nur furchtbar anstrengend, sondern mindert auch automatisch die Erwartung an diese Band. In der Regel klingt das dann nach einer Lokal-Größe, mehr nicht. Keine „Über-den-Tellerrand-Gucker“, sondern „Irgendwas, das in Österreich etwas Besonderes und dem Rest der Welt Nachmacherei ist“.

Vergiss die Alpen


Hören wir also bitte auf Alpenkönige zu küren. Wenn du nach New York fliegst, sagst du ja auch nicht „Hi, ich bin XY aus den Alpen“. Du wirst dich vermutlich mit deinem Namen vorstellen und sagen, was du so machst im Leben. Wir stellen euch heute eine heimische Newcomer-Musikergröße vor, die in den letzten Jahren besonders gerne mit „Alpen“ wie ein Rindviech mit diesem bunten Kopfschmuck beim Almabtrieb geschmückt wurde. Dabei sind sie längst darüber hinausgewachsen: Mother’s Cake.

Vergiss gute und schlechte Bandnamen

Manche finden den Namen der Band ja „den schlimmsten Bandnamen auf der ganzen Welt“ – ein Urteil, das mit Stolz getragen heutzutage eine Band viellicht hipper erscheinen lässt als man glaubt . Mother’s Cake und Alpen in Kombination, vielleicht hat euch ja diese feuilletonistische Großkotzigkeit davon abgehalten, ihre ziemlich großartige Musik zu hören. Ihr könnt heute ohne schlechtem Gewissen damit beginnen. Da erscheint nämlich das erste Video aus ihrer Filmreihe „Off the Beaten Track“, gleichzeitig auch der Name ihres neuen Live-Albums. Es ist gut, das Trio auf diese Art kennen zu lernen.

Zugegeben, es gibt wirklich wenig heimische Bands, von denen man sich eine Acoustic-Session oder Live-Mitschnitt Aufnahme wünscht. Und dann gibt es davon wiederum nur eine kleine Anzahl, die eines vorlegen, oft erst dann, wenn sich so viel Material angehäuft hat, dass eh jeder genug davon hat. Bei Mother’s Cake hingegen hat man sich so etwas gewünscht, besonders nach diesem Auftritt im Flex. Sänger Yves war offenbar ziemlich betrunken, dafür aber angemalt. Wer diese Körperkunst gut findet, sollte sich mal ins Video zu Soul-Prison reinschauen.

Nenn es Math-„Irgendwas“

Es war sicher die richtige Entscheidung, das Debüt von 2012 so ausklingen zu lassen, statt es unter einem neuen Schwall an Songs zu ersticken: Prog-Rock, nicht aus den Alpen, aus den 70ern. Die Konzert-Mitschnitte, die jetzt wöchentlich als Youtube-Videos veröffentlicht werden, erinnern an die Leinwände bei Pearl Jam-Konzerten, mit denen Eddie Vedder alten Freaks das Grunge-Gefühl zurückgeben will.

Mother´s Cake tun das auch, vielleicht liegt es aber auch an ihren Haaren. Die drei Tiroler haben beim Zocken gerne Mars Volta gehört, Led Zeppelin finden sie auch nicht so schlecht. Ihr Sound klingt mit seinen Rhythmusbrüchen, Laut-Leise Schemata und Ausflügen in verschiedene Stile der Rockgeschichte mehr konstruiert als nach einer Jam-Session. Konzeptalbum. Prog-Rock-Oper. Man kann sich einen Begriff aussuchen und doch wird keiner richtig gut passen, so behendig springt man zwischen Hardrock, dick aufgetragenem Gitarrensoli und einer großen Portion Grunge zu Funk, dann wieder zu einer melodischen Bridge und zurück zum Noise-Gewitter.

Bei Mother’s Cake klingt das alles unglaublich strukturiert, wenn es auch im gleichen Moment keine richtige Struktur hat: Strophe? Refrain? Such dir was aus. Du nennst es Math-„Irgendwas“? Nur zu.

Wo liegt eigentlich Propolis?

Man trifft sich irgendwo zwischen Red Hot Chili Peppers und Deep Purple treffen, headbangen und mit den Füßen wippen. Ottakringer aus der Dose und teurer Whiskey, Soul in der Stimme und wildes Gekreische. „Realtricked me“ kann sich nicht entscheiden, ob es in der Jugend Slayer, Michael Jackson oder Amy Winehouse gehört hat. Mal klingt es so als würde der Bassist die Saiten mit einem Plektrum traktieren, dann slappt er munter drauf los. Dass es sich zum Großteil der Zeit halt schon um lautere Formen der Gitarrenmusik dreht, versteht sich von selbst.

Wem die Ausseer Hardbradler immer schon zu patriotisch, zu sehr Mundart und Reggae waren, dem seien Mother’s Cake empfohlen. Ebenso: Wer Grunge ziemlich gut fand, aber irgendwie doch zu depressiv und einseitig oder wer die frühen Alben der Red Hot Chili Peppers besser als die Hymen von „Stadium Arcadium“ fand. Ansonsten gibt es da noch die Kollegen von Milk Plus, dessen letztes Album von Mars Volta Keyboarder Ikey Owens produziert wurde, und die der Band soundtechnisch als auch auf der Bühne nahe stehen. Gemeinsam bespielen diese Jungs ein Genre, für das man sich irgendwann einen Namen einfallen lassen wird.

Wer sich fragt wo dieses „Propolis“ liegt, wo dieses Live-Album ja aufgenommen wurde – es ist der Name eines Kulturcafés in Innsbruck. Für heute ist dieses Innsbruck dann einmal ausnahmsweise nicht die Hauptstadt der Alpen, sondern liegt ziemlich weit oben auf der Bestseller-Liste für virtuosen Gitarrenrock.

Das Live-Album „Off the Beaten Track“ ist am 18. Juli erschienen. Heute wurde das erste der insgesamt sechs Live-Videos der Band auf Youtube ausgekoppelt. Nächsten Montag geht es weiter- halte dich via Facebook auf dem Laufenden.

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