Dass 2015 ihr Jahr wird, kann die 18 Jährige Låpsley vermutlich nicht mehr hören. Also zeigt sie es: Mit dieser breit angelegten, Haken schlagenden, mutigen EP. Chanson, Elektro und Soul versinken im Downtempo.
Das Internet wird immer unüberschaubarer und Pop hechelt kurzatmig hinterher. Nur manchmal ist es ein bisschen so wie bei der Mode: Man weiß im Winter schon ganz genau, was man im Frühling tragen wird. 2012 waren es Haim und Angel Haze. Ein Jahr später Sam Smith und Banks. Das sagt die BBC. Und weil deren Listen fast so prestigeträchtig sind wie der Mercury Music Prize, haben gewisse Alben schon im Vorhinein ein kleines Siegel eingebrannt, bevor sie überhaupt über Single-Länge hinauswachsen können. Dann weiß man genau, dass man eine Reihe von Künstlern das ganze Jahr über in einem gewissen Licht sehen wird. Sie werden uns auf dem Silbertablett präsentiert und wir werden sie das ganze Jahr mit uns herumtragen. 2015 trägt man neben Wolf Alice, Kwabs, Kendrick Lamar, und James Bay auch etwas von Låpsley aka Holly Laspley Fletscher.
Alle lieben Låpsley
Huw Stephens von BBC Radio 1 sagt das, der GIT Award in Liverpool weiß das, XL Recordings hofft das und wir glauben es ihnen. Vorabhypes sind immer gut fürs Geschäft aber eben auch oft traurig für Pop als Kunstform. Letztes Jahr war Banks ein lebendes und jetzt wohl totes Beispiel dafür. Davor waren es die Haim Schwestern, die so lange von ihren Single-Vorräten zehrten, bis das eigentliche Debüt nur noch eine langweilige, unspannende Nebenerscheinung war. Bei der jungen Britin Låpsley wird das anders sein. Wenn ihr Debüt so abwechslungsreich und clever aufgebaut ist wie der Szenenwechsel zwischen ihrer ersten und zweiten EP, dann muss man sich weder Sorgen ums Geschäft noch inhaltlichen Anspruch machen.
Generation Maybe-Pop
Die erst 18-jährige Produzentin und Sängerin aus Liverpool wiederholt sich selten, arrangiert mutig und streift zügig durch die Stilformen elektronischer Musik. "Understudy" ist weniger Club,- und Remixtauglich wie der Vorgänger "Monday" und doch mehr als nur die zarte Piano-RnB-Hymne "Falling Short" von der man schon im Dezember geschwärmt hat. Es ist bewusste Stille zwischen klickenden Beats, Synth-Pop Ansätzen, Downbeat, House, Sound,- und Vocalexperimenten.
Låpsley splittet ihre Stimme als sänge sie ein Duett mit sich selbst. Dann wieder pitcht sie sich oder andere super weird wie die Purity Rings nach Oben. Und niemals kam sie Soul so nahe wie in "Dancing". Jeder Song schlägt seinen eigenen Weg ein. Låpsley mag ihrem Alter voraus sein, ihre EP spiegelt aber ein bisschen das Lebensgefühl eines Musikers der Generation-Maybe wieder. Will ich in den Club oder ins Konzerthaus? Sind das Hip-Hop Wurzeln oder ist da jemand mit Klassik aufgewachsen? Wozu gibt es das Internet. Heute sozialisiert man sich nicht mehr über eine Plattensammlung sondern Google.
Genauso wenig wie Låpsley diese eine Stimme hat, wird es 2015 diese eine Låpsley geben, die man uns als "New Hot Shit" ans Herz gelegt hat. Was als so vorhersehbar galt, könnte uns alle noch einmal sehr überraschen. Wer weiß, vielleicht macht sie uns die Azelia Banks nach.
Die "Understudy" EP von Låpsley ist am 05.01. diesen Jahres via XL Recordings erschienen.
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