Selten gab es so viele, so große Festivals in Österreich. Andere konnten, wollten nicht mehr. In Memoriam an gute Tage.
Stuck Festival, 2010 - 2014 (© Johannes Gierlinger)
Das legendäre Stuck Festival im Salzburger Rockhouse muss dieses Jahr eine Pause einlegen. Fehlendes Geld, das ist der Grund. Das Rockhouse bekommt zwar von der Stadt über das ganze Jahr über 500.000 Euro Subventionm, für das Stuck ging es sich heuer nicht mehr aus. Dabei konnte man hier in gemütlicher Atmosphäre einerseits zu Dorian Concept oder Oder Say Yes Dog shaken und andererseits zu Olympique oder Trümmer abrocken. Das Programm war eine ausgezeichnete Mischung aus lokaler und internationaler Qualität. Für 2016 erhöht die Stadt die Förderungen um 20.000 Euro. Da sollte sich das doch wieder ausgehen.
Tomorrow Festival, 2012 - 2014
Vorzeitig verabschiedet sich auch das Tomorrow Festival. Das erste wirklich grüne Festival brachte das AKW Zwentendorf vier Jahre lang mit Künstlern wie Deichkind, The Wombats oder Kaiser Chiefs zum Strahlen. Neben den zahlreichen elektronische Acts und DJs auf den drei Floors sorgte das Tomorrow Festival vor allem für verärgerte Mütter, die über Tage hinweg unsere Kleider entschlammen mussten. Schuld war auch hier das Geld. Im ersten Jahr ein Minus ist ja fast normal. Anders wurde es halt leider nicht. Schlamm, Gute Laune, Gute Musik - vorerst bleibt fürs Tomorrow Festival nur die Erinnerung ans Gestern.
Paradise Festival, 2008 - 2014
Auch wenn der Sommer vor der Tür steht, müssen wir leider verkünden, dass die Organisatoren des Paradise Festivals diesen Sommer keine Ausgabe ihres Festivals planen. Das Paradise ist sicherlich eines der abgedrehtesten, äh, einzigartigsten Festivals, das Österreich zu bieten hat. Die Ortschaft Falkenstein hat sich Jahr für Jahr mit Trance, Farben und noch mehr Farben in ein glühendes Spektakel verwandelt. Aus Mails mit den Veranstaltern wissen wir, dass hier die Polizei der Hauptgrund war. Obwohl sich der Bürgermeister für das Festival stark machte, wurden Gäste wie in einer Großflächenrazzia kontrolliert. Gute News hingegen - Die Winterausgabe des Paradise findet statt. Bleibt auf dem aktuellen Stand.
Palaverama Festival, 2008 - 2014 (© Markus Schwarz)
Nach sieben Jahren Halli Galli im Waldviertel gibt das Palaverama Festival letztendlich w.o. und verabschiedet sich endgültig aus der österreichischen Festivallandschaft. Hier tut es uns besonders leid, denn mehr Liebe als am Palaverama bekommt man im Sommer eigentlich nicht. Indie, Pop und Rock wurden hier groß geschrieben, genauso wie Atmosphäre, gute Party und Zusammensein. Ade, Woodstock des Waldviertels.
Forestglade Festival, 1995 - 2005, 2010 - 2012
Die Mutter aller österreichischen Rockfestivals, das Forestglade, hat sich schon vor ein paar Jahren verabschiedet. Incubus, Faith No More, Cypress Hill und weiß Gott wer, machte beim Forestglade Wiesen unsicher und viele unschuldige Teenagerköpfe glücklich. Außerdem hat man dort schon 2005 versucht einen Lineup-Tausch mit einem zweiten Festival in Imst über die Bühne zu bekommen, wie es in Deutschland Southside und Hurricane vormachen. 2006 musste wegen Unwetters abgesagt werden, das Festivalgelände in Wiesen wurde ohnehin zu klein. Wiederbelebungsversuche scheiterten letztlich. Das Forestglade war für viele Teenies das erste Festival und hinterlässt nun viele graue Zellen, einen Haufen Erinnerungen und keinen Platz für schlechte Zeiten.
Heidenspass Festival, 2004 - 2009
Das Heidenspass Festival war das österreichische Festival mit dem österreichischsten Schwerpunkt überhaupt. Zwei Tage Party, fast ausschließlich österreichische Bands und zum Sudern gab's nichts, denn der Eintritt war ja nicht einmal 20 Euro. Definitiv der Platz um Erinnerungen zu schaffen, heimische Punkrock- und Indiebands zu feiern und betrunken im See Skinny Dippen zu gehen. Oder bosnischen Schnaps zum Frühstück trinken. Wer genau hinsieht, findet ja vielleicht sogar den Redakteur auf diesem Bild. Zehn Jahre jünger, versteht sich.
Bock Ma's Festival 2005 - 2010
Das Festival für den guten Zweck sammelte über sechs Jahre hinweg über 110.000 Euro für das Flüchtlingsprojekt Ute Bock. Timelkam veränderte sich für ein paar Tage in ein Heim für Indie, Hip Hop, Rock und Electro. Feiern, Tanzen und Betrinken machen halt auch einfach mehr Spaß, wenn'es für den guten Zweck ist. Das Bock Ma's bleibt mit vielen Geschichten in Erinnerung, vor allem aber für das vielfältige Line-up mit starkem Österreichschwerpunkt.
Aerodrome Festival, 2004 - 2006
Es sollte das österreichische Pendant zum Rock am Ring werden, war im ersten Jahr ausverkauft und wurde nach einer Neuübernahme nach kürzester Zeit wieder eingestanzt. Grund war angeblich die Fußball-WM, es war geplant das Festival später zu veranstalten, dann war einfach Ende. Dabei verirren sich große Bands normalerweise ja nur nach Wiener Neustadt, wenn sie es mit Wien Neubau verwechseln. Deshalb umso ein größeres Kudos an Ewald Tatar, der Metallica, die Hosen oder The Pixies nach Wiener Neustadt holte. Wer nach diesen paar Tagen nicht mit einem steifen G'nack vom Headbangen heimkam, hatte wohl etwas falsch gemacht.
Tote Wiesen Festivals
Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kann man wohl sagen, dass die Heimat der österreichischen Festivallandschaft das Open-Air Gelände in Wiesen ist. Deshalb hat sich Wiesen und seine vielen toten Festivals hier einen eigenen Reiter verdient. Wir denken zurück an das Legends of Rock, Spring Vibration, Ost-Fest, State of the Heart und wie sie nicht alle hießen. Hier wurden so einige Erinnerungen geschaffen und vermutlich auch wieder versoffen. Danke, Wiesen.
Spring Festival, 2001 - 2013, 2014?, 2015 - ? (© Tim Ertl)
Wenn sich ein Festival verabschiedet, kommt irgendwo ein neues dazu. Im Fall des Spring Festivals hat man sich selbst wie Baron Münchhausen aus dem Dreck gezogen. Jahr für Jahr bebte der Grazer Schlossberg, das PPC, die Postgarage und einmal sogar die Stadthalle. Im Endeffekt war wohl diese Halle der Grund und das mitgeschleppte ... nunja, wir nennen es intern ein fettes Minus, aber gerichtlich wasserfest ist das natürlich nicht – warum das Festival letztes Jahr zuerst gar nicht und dann in doppelter Ausführung gab. Graz stritt sich ins Aus. Dieses Jahr geht das Festival in eine Reloaded-Phase. Wir fürchten uns zwar ein bisschen, weil man noch nicht weiß, ob es mit dem Glanz früherer Tage mithalten kann, sind aber von 5 - 7. Juni bei der geballten Ladung Electro, Tanzwut und Clubkultur natürlich dabei. Zum Programm geht es hier.
Two Days A Week Festival, 1999 - 2013, 2015 - (© APA)
Das Two Days a Week ist der Beweis dafür, dass ein Jahr Pause nicht immer das endgültige Ende bedeuten muss. Wenn sich andere Festivals eine Auszeit gönnen, deutet das normalerweise darauf hin, dass Geld und Zeit knapp sind. Umso mehr darf man sich dieses Jahr auf ein altbekanntes Two Days A Week Wochenende freuen. Das bedeutet Punkrock, Hardcore, Ska-Punk und Folk. Flogging Molly, Anti-Flag, Hatebreed, Less Than Jake, The Locos und viele mehr. Wer beim Lesen des Line-ups nostalgisch in seiner Jugend versinkt, sollte dieses Jahr mal wieder nach Wiesen fahren. Zum Programm geht es hier.
Nuke, 1999 - 2009, 2015 -
Die Überraschung des Jahres ist aber definitiv das Nuke Festival. Das Festival, das einst von Regenströmen überschwemmt wurde, wurde von Kritikern schon als "endgültig weggeschwabbt" erklärt. Doch dieses Jahr sorgen Seeed, Parov Stelar, Bilderbuch und Wanda dafür, dass die Herzen der Indierüpel und Swingstars wieder höher schlagen. Ein Ende muss also nicht endgültig sein. Wenn jemand nicht auf den Markenrechten hockt und die niemandem gönnt, kann es Festivals wieder geben. Der Name Nuke war ohnehin vor dem Ortwechsel schon hinfällig. Zum ersten Mal hat es nämlich in Zwentendorf stattgefunden, ist aber schnell abgewandert. Wohl doch zu verstrahlt dort. Zum Programm geht es hier.
Indie Project, 2009
Nach mehreren versifften Nächten am Festival kommt man glücklich, unglücklich oder zerstört nach Hause. Beim Indie Project in der Ottakringer Brauerei kam niemand glücklich nach Hause. Peter Görbert versprach den Künstlern die Sterne vom Himmel, den Besuchern die Sterne des Poprocks (wie zum Beispiel Kings of Leon, die dann absagten, weil Grundlagen des Vertragsabschlusses nicht eingehalten wurden) und im Endeffekt wurde das Line-up immer weiter dezimiert, die Verkaufszahlen der Tickets immer kleiner und bezahlt wurde für eine lange Zeit auch niemand. Weder Technik, Bands noch Catering. Die Tonmenschen drehten dann auch um 23:00 den Saft ab und alle gingen unzufrieden nach Hause. Nachher schickte der Veranstalter noch eine Videobotschaft durch. Veranstalter nehmen seither das Indie Project Festival als Negativbeispiel, wie man es nicht machen sollte, wie das Indie-CEO Hannes Tschürtz hier schön zusammenfasst.
Manchmal ist es das fehlende Geld, der Aufwand und manchmal einfach das Älterwerden. Nicht nur Besuchern geht es so, sondern auch Veranstaltern. Festivals sterben, so wie echte Menschen. Auch wenn sie relativ leicht wiederbelebt werden können. Grund genug, um mal einen Blick darauf zu werfen, wer sich verabschiedet hat, wer ab und an mal Pause einlegt und wer sich besser nicht mehr blicken lassen sollte.
Auch wenn sich viele Festivals verabschieden, kommen ein paar andere wieder zurück. Und dann bleiben noch die, die nicht mehr kommen und uns trostlos in Erinnerung bleiben.