Licht ins Dunkel

Shampoo Boy machen zähen Noise zur seelischen Selbstreinigung. Mit ihrem dritten Release kommen sie der Katharsis schon sehr nahe. Wir haben sie interviewt.

"Es war ja ganz gut, aber viel zu laut", befand ein Besucher am Ende des Konzerts von Shampoo Boy in Berlin. Gut so, werden sich Christina Nemec, Peter Rehberg und Christian Schachinger gedacht haben. Die drei Wiener lassen sich derzeit in London oder eben Berlin wohl noch etwas mehr feiern als in Österreich selbst. Zum einen liegt das daran, dass Shampoo Boy ihre Musik auf dem englischen Label Blackest Ever Black veröffentlichen und es verstehen, ihre Identitäten hinter dem Alias zu verbergen. "Musik für sich sprechen lassen" eben.

Die drei Mitglieder sind jedoch alles andere als unbekannt. Christina Nemec, die zusammen mit Konstantin Drobil von Substance Records das Label Comfortzone betreibt, und dabei Platten von Mika Vainio oder Crazy Bitch in a Cave veröffentlicht. Christian Schachinger, Journalist beim Standard und ehemaliges Peterlicker-Mitglied. Und dann Peter Rehberg, Mastermind hinter Editions Mego, dem Label für experimentelle Spielarten schlechthin, das heuer 20 Jahre Bestehen in der Grellen Forelle gefeiern wird.

Letztens, weil so schön unpassend zum April, haben Shampoo Boy ihr zweites Album veröffentlicht, "Crack". Bei den Titeln wie Riss, Spalt und Bruch findet sich strukturierter Lärm zwischen Ambient, bleischweren Drones und norwegischem Black Metal wieder. So klar die Titel auch scheinen, so verwoben und tiefgreifend klingt die Musik dabei. Zähe Ölteppiche und bedrohliche Dickichte auf dem Weg zur inneren Erlösung.

Christian Schachinger hat sich mit uns über fröhliche Menschen, schöne Haare und Dirk von Lowtzow von Tocotronic unterhalten.

Zunächst mal die Trollfrage: Warum heißt ihr so? 


Wenn man zuvor in einer Band namens Peterlicker gespielt hat, sucht man adäquaten Ersatz. Shampoo Boy klingt sexy. Und die meisten Menschen lieben Haare. Zumindest auf dem Kopf.

Zwischen eurem Noise bleibt eine Struktur doch meistens aufrecht, vor allem auf "Riss" macht sich das bemerkbar. Was bedeuten Struktur und Taktfolge für eure Musik?

Es gibt immer eine Struktur. Klänge und Geräusche ohne Struktur sind keine Musik, sondern Lärm. Ich befürchte auch, es ist dem Menschen schon aufgrund seines Herzschlags nicht möglich, klanglich etwas zu erzeugen, das außerhalb eines Takts oder einer Struktur liegt.

Viele sagen, Shampoo Boy klingen nach Weltuntergang und der darauf folgenden Katharsis. Habt ihr das selbst gestreut?

Es geht um einen reinigenden Prozess, ja. Deshalb verwendet man ja zum Haarewaschen Shampoo.

Alle Releases tragen Titel wie Licht, Nebel, Crack. Konzept oder entsteht das im Nachhinein?

Da im Drone- und Noise-Genre immer auf diesen Klischees des Weltuntergangs, des Nihilismus und diesem pubertären norwegischen Black-Metal-Lalelu herumgeritten wird, wollten wir ein wenig Licht in die Sache bringen.

Irgendwo war mal zu lesen, Papa geht für den Krach in den Keller. Das meinte wohl, dass sich die Musik nicht im Leben spiegelt. Ganz schön borniert, oder?

Ja, das steht einmal im Jahr im Falter. Die zwei Kollegen, die dort über Musik schreiben, haben selbst Kinder zu Hause und diese Sichtweise offenbar vom autobiografischen auf ein allgemeingültiges Niveau gehoben.

Ich habe in den 1980er-Jahren auch beim Falter zu schreiben begonnen. Dort neigt man historisch gesehen zu großer Sturheit. Ich warte auf den ersten Falter-Artikel, in dem steht, dass Dirk von Lowtzow ein alter grauhaariger Sack ist.

Wie oft vermischt sich Kritik an der Musik mit Kritik mit dir als Journalist?

Bis auf ein paar kleinere Gehässigkeiten gar nicht. Da wir in Österreich erwartungsgemäß so gut wie gar nicht rezipiert werden und sich alles im Ausland abspielt, werde ich dort auch nicht als Journalist, sondern als Musiker wahrgenommen.

Wie arrangiert ihr euch im Studio? Wer macht den meisten Lärm?

Wir machen frei improvisierte Jam-Sessions ohne vorherige Absprachen, aus der sich dann die Stücke ergeben. Danach wird auf dem Mischpult nachbearbeitet und eingedampft. Keine Overdubs.

Wer von euch ist privat am fröhlichsten?

Wir sind alle drei sehr fröhliche Menschen! Speziell, wenn uns niemand dabei zusieht. Als wir einmal mit dem Zug von einem Konzert in Innsbruck zurück nach Wien gefahren sind, kam ein Rentner aus dem Nebenabteil und bat uns, weniger laut zu lachen. Er und seine Frau hätten Angst vor uns.

Blackest Ever Black releast zwar vielseitig, aber Kranky oder Peter Rehbergs Editions Mego scheinen doch logischer, was den Sound betrifft. Weshalb auf dem englischen Label?

Editions Mego wäre natürlich naheliegend gewesen. Ich glaube, wir könnten dort auch jederzeit veröffentlichen, wenn wir Rehberg ganz lieb fragen. Allerdings fanden wir es interessant, ob uns auch jemand anderer mag als der mitwirkende Labelchef.

Blackest Ever Black macht coole Sachen, ist soundmäßig viel breiter aufgestelllt als man wegen Raime, Dalhous oder Prurient glaubt – und wir bekamen aufgrund einer Rohmischung von zwei Tracks, die dann 2013 auf dem Album "Licht" landeten, sofort die Zusage.

Das Album "Crack" von Shampoo Boy auf Blackest Ever Black gibt es hier zu kaufen.

Bild(er) © Ingo Pertramer
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