In Wien am Naschmarkt steht ein neues Gerüst. Damit soll nicht nur gemahnt werden, sondern es setzt auch Symbole für das Jetzt.
Die Nazis waren ganz gut im Morden, Denunzieren und Verfolgen. Das galt auch für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender. Das temporäre Mahnmal, "Raising The Bar", das gerade am Wiener Naschmarkt zu sehen ist, widmet sich dieser bis heute oft vergessenen Thematik. Deshalb wurde die Schweizer Künstlerin Simone Zaugg beauftragt, dazu eine temporäre Installation zu konzipieren, genauer gesagt ein begehbares Labyrinth, das stetig höher wird. Die meterhohen Geländersysteme, bestehend aus verwinkelten Metallstangen, sollen es dem Besucher ermöglichen, in das Dickicht der Stangen einzutauchen und sich selbst einen Weg darin zu suchen.
Die abstrakte Form ist dabei nicht sonderlich schwer zu entschlüsseln. Es geht um das Gefangensein in bestehenden Ordnungen, um Anpassung, darum, den Körper in klare Bahnen lenken zu versuchen. Und während man auf der einen Seite leicht unter den Schranken gehen kann, erfüllt das Labyrinth auf der anderen Seite noch seine Funktion. Es soll also die Messlatte höher gelegt werden, es also nicht nur um ein Mahnmal für die Opfer gehen, der Anspruch reicht in die Gegenwart.
Sieht erst einmal aus wie ein Turngerät
"Ich als Künstlerin finde es wichtig, eine Form zu finden, die historisches Geschehen mit der Gesellschaft von Heute und der Kunst dabei verbindet. Zusätzlich finde ich die Idee des temporären Mahnmals gerade deshalb so spannend, weil unterschiedlichste Menschen auf diese Art die Möglichkeit bekommen, sich mithilfe von Kunst diesem Thema zu widmen. Die Installation ist ein Sinnbild, ein Erlebnis und eine Metapher, die das Publikum einlädt, im Gehen und Weitergehen zu gedenken und mitzudenken", so die Künstlerin Simone Zaugg.
Das Projekt hat an der Kettenbrückengasse am Naschmarkt wohl seinen passenden Standort gefunden, wie Martina Taig, Geschäftsführerin für Kunst im Öffentlichen Raum in Wien, im Interview befindet: "Der Naschmarkt war auch historisch betrachtet immer schon ein Ort des lesbisch/schwulen Lebens in Wien und ist es nach wie vor. Zudem geht aus Forschungserkenntnissen des QWien hervor, dass hier direkte NS-Verfolgungen von LSBTI-Personen stattgefunden haben, also lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Personen."
Um mehr über die Hintergründe zu erfahren, haben wir auch Wiens Stadträtin für Integration und Frauenfragen, Sandra Frauenberger, um Antworten gebeten.
Das Mahnmal widmet sich den homosexuellen Opfern in Österreich während der NS-Zeit. Was ist passiert? Von wie vielen Opfern sprechen wir da?
Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung, vor allem Männer, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern hatten, wurden während den Jahren der NS-Diktatur systematisch verfolgt, ins KZ verbracht und dort schließlich ermordet. Unsere heute gebräuchlichen Begriffe "Schwule, Lesben und Transgender-Personen" gab es zu dieser Zeit ja noch nicht. In der heutigen Terminologie macht es Sinn, die Opfergruppe "Schwule, Lesben und Transgender-Personen" zu benennen, die dabei jeweils spezifischen Arten der Verfolgung herauszuarbeiten und diese zu thematisieren.
Die Zahl der Opfer wurde in früheren Untersuchungen mit vielen Tausend angegeben, eine Summe, die etwas zu hoch gegriffen scheint. QWien, der Verein für schwule, lesbische Kultur und Geschichte, arbeitet gerade an einem Forschungsprojekt zur namentlichen Erfassung der homosexuellen und transgender NS-Opfer. Ein umfassendes Projekt, das dann genaue Zahlenangaben enthalten und hervorbringen wird.