Open-Air-Partys sprießen in Österreich wie Schwammerl aus dem Boden. Was können und wollen diese Events eigentlich? Wir haben uns ein paar Gedanken dazu gemacht.
Jetzt ist schon wieder was passiert. Samstag Nachmittag, Tatort: Arenawiese. Oder, genauer gesagt, Facebook. Während man mittags noch angeschlagen von der vorangegangenen Partynacht im Bett liegt und verschlafen seine Newsfeeds durchscrollt, biegt bereits die alte Hexe namens FOMO aka Fear Of Missing Out um die Ecke. Die Rave-Kollegen sind nämlich schon wieder – oder noch immer? – bei einem Open Air irgendwo im Prater. High vom guten Leben, der frischen Luft und der schönen Natur, posten sie völlig enthemmt Bilder und Status-Updates.
Sie zeigen vor wie unkaputtbar, aktiv und crazy sie sind. Der Facebook-Algorithmus will die Stubenhocker bluten sehen und platziert die Partybilder sichtbarst in der Timeline. Das spornt selbst Verkaterte an – man will mithalten können. Also doch gleich aufstehen und auch freilufttanzen? Hm, erstmal Kaffee. Das bereits vereinbarte Treffen beim Vintage-Pop-up-Market in Neubau hatte man schon ganz vergessen. Zu dem freshen Street-Food-Festival wollte man danach ja auch noch weiterziehen…
Seit wann beginnt der Event-Stress schon nachmittags?
Früher durfte man am Wochenende zumindest tagsüber durchhängen, jetzt soll auch Samstag und Sonntag etwas unternommen und geleistet werden. Die Peer Pressure steigt durchs dauernd on sein, die Eventisierung läuft auf Hochtouren. Nicht erst seit gestern drängt das, was man unter »Feiern« subsummiert, aus den Clubs in den urbanen öffentlichen Raum und von der Nacht in den Tag.
Schon längst trifft man sich an einem Samstagnachmittag nicht mehr nur zum Chillen in Gastgärten. Nein, junge, hip gekleidete, gut vernetzte und quasi kulturinteressierte Stadtmenschen, die etwas auf sich halten, treffen sich lieber gleich bei irgendeinem Pop-up mit Musik und Socialising. Beim Second-Hand-Flohmarkt mit 20 ausgesuchten, schicken Ausstellern, bei einer Vernissage einer blutjungen Street Art Gallery oder bei irgendwas mit exotischem Essen und ayurvedischem Gin-Tonic mit Gurke. Open-Air-Feiereien mit DJs sind dabei eine Hauptattraktion.
Unser täglich Clickbait
Kaum ein Tag verstreicht, an dem nicht ein neues Facebook-Event mit »Open Air« im Titel erstellt wird. Sonderzeichen, Herzchen und Emoticons im Schlepptau. Sommer, Sonne, Fröhlichkeit ist hier die Devise. Das Feeling und die Vibes sind Headliner, die Musik darf supporten, spielt meistens zweite Geige. Das Wochenende wird immer mehr auch tagsüber zur Fortgehzone. Clubben in der Nacht macht jeder, das kennt man bereits und das gehört sowieso zum Ausgeh-Standard. Der Nachmittagstanz wirkt frisch und irgendwie spannend. Entsprechend gut besucht sind diese Events, und entsprechend jung. Hier ist vermeintlich noch nicht alles besetzt und durchdekliniert.
Man muss nicht Teil einer abgebrühten Musikszene sein um hier mitmachen zu können. Das macht sie erst einmal so erfolgreich. Man kann einfach hin und das ohne sich zu viel zu verpflichten. Noch dazu läuft das alles bei freiem Eintritt. Der Konsumationszwang fällt weg. Diese Open-Airs versprühen nicht ganz zu unrecht einen Hauch von Freiheit. Der Klick-Finger sitzt also viel lockerer als bei sophisticated Musik-Veranstaltungen in den etablierten Techno-Bunkern der Stadt. Schaut man genauer hin, kann die Euphorie mitunter verfliegen. Denn nicht nur Hobby-Veranstalter richten diese Wohlfühl-Raves aus, sondern immer häufiger professionelle Promoter. Und gratis bedeutet sowieso nicht gratis.