Family Vacation

»Purple Drank« war nicht nur ein Glückstreffer. Der Boman’sche House lehnt sich gekonnt über den Genre-Tellerrand und besticht durch Vielschichtigkeit, Verspieltheit und Eigensinn.

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Plötzlich war er da und irgendwie nicht mehr wegzudenken. Der junge schwedische Musiker Axel Boman wurde vor drei Jahren quasi über Nacht von DJ Koze und dessen Label Pampa Records auf das internationale Clubmusik-Koordinatensystem geklatscht. Eine Maxi mit dem Titel »Holy Love« war daran schuld. Der darauf enthaltene Track »Purple Drank« avancierte zum Hit. Der heruntergepitchte House-Track mit wortwörtlichen und sonischen Hustensaft-HipHop-Referenzen war zwingend, machte die Discommunity hellhörig und landete einen Touchdown in sämtlichen Jahres-End-Charts. Anstatt sich auf seiner Kreation Chopped-&-Screwed-House auszuruhen, schraubte Axel Boman kontinuierlich weiter an spannender elektronischer Musik und baute sein Label Studio Barnhus auf.

Wir schreiben das Jahr 2013 – House hat im Clubgeschehen schon lange wieder die Nase vorne und ist fast gar viel Konsens geworden. Die Schwemme an Mitläufern ist groß. Immer mehr Produzenten jagen seelenlosen House durch die Boxen der Clubs.

Groove-Specht Boman ist nun keiner, der sich mit oberflächlichen Dancefloor-Standards zufrieden gibt. Er bohrt tiefer. Sein Debüt-Album »Family Vacation« macht das deutlich. Berührungsängste gibt es hier keine. Genres und Stile zu kreuzen, gehört für den Schweden zum guten Ton. Selbst wenn Boman seine Tracks teilweise überfrachtet, erzielt er überraschende Ergebnisse. Die Tracks rumpeln, knarzen und mäandern im runtergeköchelten Tempo und entwickeln einen speziellen Sog. Die wunderbar organischen Sounds, Samples, Beats und Chords durchfluten den Klangraum, ohne dabei um Aufmerksamkeit zu geifern. Selbst griffige Piano-Loops klimpern teilweise nur im Off herum. Eklektisch und innovativ wird auf »Family Vacation« der große Bottich tanzbarer Musik mit flockigen 4/4-Beats angerührt, Afrobeat, Jazz, Space- und Kraut-Disco, Techno, Soul, R’n’B, Dub, Reggae, Deep House und Field Recordings.

Zum ganz großen Wurf fehlt diesem Debüt zwar der rote Faden, aber es zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial in dem Musiker steckt. House muss nicht eindimensional und gefällig sein, darf ausfransen, experimentieren und mit anderen Stilen liebäugeln. Ja, soll das sogar. House-Um-die-Ecke-Denker wie DJ Koze dürfen sich warm anziehen. Der Boman kommt.

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