Musik von The Weeknd war immer schon ein einziges Sich-Hingeben. Zu den Drogen und den Frauen kommt mit »Beauty Behind The Madness« als neuer Meister nun der Pop.
Dunkle, verstörende Mixtapes, die von Drogenrausch, bedeutungslosem Sex und der fatalen Kombination von beidem erzählen, ein junger Mann mit eigenwilligem Haupthaar und göttlicher R’n’B-Stimme, der von Label-Chefs umworben wird, aber keine Kompromisse eingehen will und die Öffentlichkeit scheut. Keine Fotos, keine Interviews. Später, halbherzige Zugeständnisse an die Industrie, ein erstes Album (»Kiss Land«, 2013), das doch auf einem Major erscheint, wegen seiner Inkompatibilität mit dem, was der Markt von einem Pop-Star will, aber nur mäßig abschneidet. Darauf die Wende: »Love Me Harder« mit Ariana Grande. Kommerzieller Erfolg. Und jetzt der nächste Streich: ein bombastisches Pop-Album, das The Weeknd zum Michael Jackson einer neuen Generation machen wird.
Die Geschichte des Kanadiers Abel Tesfaye hätten sich Promo-Menschen gar nicht besser ausdenken können. Und würde jemand ein Bio-Pic drehen, müsste der Plot von der Realität nicht einmal einen Millimeter abweichen. Aber ist es dieses Narrativ, das The Weeknd gerade jetzt für Millionen so faszinierend macht? Eher nicht. Die Menschen, die »Beauty Behind The Madness« kaufen werden, haben von den ersten Mixtapes nichts gehört und werden das auch nicht mehr tun.
Doch sie haben vielleicht »50 Shades Of Grey« gesehen und sich in den verführerischen Walzer »Earned It«, den man – hört man nicht ganz genau auf den Text – noch unter »romantisch« verbuchen kann, verliebt. Diesen Menschen ist egal, dass die Hook »I Can’t Feel My Face« nicht nur die betäubende Wirkung der Liebe referiert, sondern auch gesalzenen Drogenkonsum mitmeint. Star-Produzent Max Martin hat ganze Arbeit geleistet – »I Can’t Feel My Face« ist einprägsamer als Brandzeichen.
Er holt sich die Bitches wie Milchpackerln
Die Lyrics, die sich seit den ersten Versuchen kaum verändert – wenn auch Pop-konform professionalisiert – haben, gehen völlig in der schillernden und perfekten Produktion von »Beauty Behind The Madness« unter – oder auf. »I just fucked two bitches before I saw you« klingt auf wohlbekannten vier Akkorden von »The Hills« genauso wenig befremdlich wie »Ich habe grade zwei Packerl Milch gekauft.«
Obwohl The Weeknd auf seinem neuen Album thematisch wenig anders macht (Drogen, Frauen, Depression), merkt man’s einfach weniger. Das soll nicht heißen, dass »BBTM« ein musikalischer Ponyhof wäre: Es ist genau die Art von düsterem Pop, gebrochen von Referenzen an die dancy 80er, wie ihn Lana Del Rey (die auch in einem Duett ran darf) bereits massentauglich gemacht hatte und die jüngst auf dem sehr gelungenen Twin Shadow-Album einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. »Beauty Behind The Madness« ist so gut, dass es nicht einmal aufgelegte Gastauftritte braucht. Wer auf dem von Kanye West produzierten »Tell Your Friends« auf die obligaten Verse von selbigem wartet, wird bitter enttäuscht. Enttäuscht wird auch jener, der nach wie vor behauptet, man könne Inhalte, die aus einer bestimmten Geisteshaltung entstanden sind, nicht auf radiofreundliche Instrumentierung packen. Dieses Album soll ihm als fulminantes Gegenbeispiel gelten. Pop hat The Weeknd fest im Griff. Oder er ihn.
"Beauty Behind The Madness" von The Weeknd erscheint kommenden Freitag. Ein Leak geistert herum. Eine kurze Version davon gibt es hier offiziell zu hören.