Die neugierigste Phase unseres Lebens ist geprägt von geschützten Systemen: Elternhaus, Kindergarten, Schule und bei vielen auch die Uni – Orte, an denen Scheitern nicht vorgesehen ist. Eine Kultur des Trial & Error kann sich hier also gar nicht erst bilden. Ist Fortschritt und Weiterkommen aber nur durch Scheitern möglich?
Irrtum ist nicht Scheitern!
Wer scheitert, steht vor den Trümmern eines Vorhabens, das sich nicht mehr realisieren lässt. Wer braucht das schon? Weder gescheiterte Arbeitsprojekte, noch gescheiterte Liebesbeziehungen bauen einen kurz- oder längerfristig auf. Es mag Regionen geben – Österreich gehört nicht dazu – wo einem Pleitier / einer Pleitière besondere betriebswirtschaftliche Kompetenz zugetraut wird, denn ein wirtschaftliches Scheitern, einen Konkurs will niemand zweimal erleben und verantworten.
Doch wäre es nicht auch in diesem Feld besser, sich von Irrtümern leiten zu lassen, die vom Scheitern noch weit entfernt sind? Denn Versuche mit Irrwegen, die eine Abkehr oder Umkehr zulassen, die brauchen wir unbedingt, um zu wachsen. Allerdings nur, wenn diese Versuche irgendwann zu einem Ziel führen, denn ein stetiges Irren wäre tatsächlich ein Scheitern. Die menschliche Psyche ist so gestrickt, dass wir an unseren Erfolgen wachsen und nicht an den Misserfolgen. Erfolge beflügeln, Misserfolge lassen uns die Fühler einziehen, weitere Versuche bedürfen dann größerer Überwindung. Im Kern sagte Maria Montessori nichts anderes: aus eigener Initiative heraus mit eigenen Mitteln ein eigenes Ziel zu erreichen, das lässt uns wachsen. Erfolge, die wir hingegen nur mit (unerwünschter) Hilfe erreichen, stumpfen ab. Deshalb sind die Irrtümer unabdingbar. Ein Ziel, das mit Um- und Abwegen erreicht wird, ermutigt zu einem weiteren Versuch, der aufgrund der gesammelten Erfahrung weniger Aufwand oder mehr Ertrag verspricht.
Jegliches zielgerichtete Tun – sei es nun klassisches Handwerk, organisatorische oder Beziehungsarbeit, bedarf der Erfahrung. Und diese ist ja nichts anderes als der Speicher aller gesammelten Versuche mit allen dazugehörigen Fehlern.
Motivation braucht im Kern: Erfolge und das entsprechende Lob dazu. Das gilt selbst für die schwarze Pädagogik, die mit Strafen arbeitet: der Erfolg, den es da zu erreichen gilt, ist die Strafvermeidung.
Ein Scheitern lässt uns ausgehöhlt und erschöpft zurück. Ein Irrtum, der als solcher erkannt wird, motiviert uns zu einem weiteren Versuch oder bringt uns dazu, ein anderes Ziel zu suchen. Schließlich dürfen wir uns auch mehrere Versuche gönnen, um die richtigen Ziele zu finden. Juliane Alton, 44, ist Obfrau der IG Kultur und Vorstandsmitglied der Grünen Bildungswerkstatt Vorarlberg. www.igkultur.at
Ein Schritt zum Erfolg
„Ich bin nicht gescheitert. Ich habe nur 10.000 Weisen gefunden, die nicht funktionieren.” (Thomas Edison) „Erfolg besteht darin, von Misserfolg zu Misserfolg zu schreiten, ohne dabei seine Begeisterung zu verlieren.” (Winston Churchill) Was ist Erfolg, was ist Scheitern? Das sind Fragen, die wohl Begleiter eines jeden reflektierten Menschen sind. Und dabei ist es nicht immer einfach festzustellen, ob man mit einem Versuch erfolgreich war oder doch gescheitert ist.
Die angeführten Weisheiten sind meine persönlichen Leitsprüche für die unterschiedlichen Projekte, die ich in meinem bisherigen Leben schon realisierte und die nicht immer von unmittelbarem Erfolg gekennzeichnet waren. Der Erfolg setzt eben manchmal zeitverzögert ein. Oder aber der vermeintliche Erfolg löst sich nach einiger Zeit in Luft auf…
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es im Leben darum geht, seine Ängste soweit wie möglich abzubauen, seine Wünsche und Ziele zu definieren, um mit viel Freude diese Ziele in Angriff zu nehmen. Das ist für mich ein lebenswertes Leben, ungeachtet dessen, ob die gesetzten Ziele sofort oder später oder vielleicht auch gar nicht erreicht werden. Darum geht es nicht. Die Freude am Versuch, an der Unternehmung an sich, ist das was Lust am Leben erzeugt. Dazu bedarf es eines tiefen Vertrauens in sich selbst und in das Leben.
Aber was hält uns davon ab, aus dem Vollen zu schöpfen und die eigenen Talente zu erforschen? Angst. Die Angst vorm Scheitern. Wobei eine Gruppe von Menschen, wie z.B. eine Gesellschaft eine Stimmung kreieren kann, die sich entweder für oder gegen einen »experimentierfreudigen« Zugang zum Leben ausspricht. Ich empfinde Österreich als sehr angstbehaftet. Das ist schade, denn viele Talente bleiben dadurch ungenützt und die Menschen erscheinen unfrei.
Dass eventuelles Scheitern letztlich zum persönlichen Wachstum beiträgt, ist ein Seiteneffekt, der meines Erachtens nicht so wesentlich ist. Das ist wohl eine Form der Rationalisierung von unangenehmen Gefühlen, die eine erlebte subjektive Niederlage mit sich bringt.
Jedes Leben hat so seine Herausforderungen und es ist für mich fast eine religiöse Pflicht, meine eigenen Grenzen zu erforschen. Denn, was soll schon passieren? Letztendlich gibt es nur einen Erfolg: es fertig zu bringen, sein Leben auf seine ganz eigene Art zu leben. Angelika Mlinar, 40, ist Bundessprecherin des Liberalen Forum. Sie ist im Oktober als liberale Spitzenkandidatin bei der Wien-Wahl angetreten.
Scheitern erfordert Mut
Das Grundproblem ist – es fehlt hierzulande einfach das adäquate Umfeld für Scheitern, das im Wachstum mündet. Verstehen Sie mich nicht falsch: Man kann in Österreich herrlich. An Dummheit, Ignoranz, an allem Möglichen. Aber das konstruktive Scheitern wird einem nahezu unmöglich gemacht. Ich meine, mal ehrlich, wer scheitert schon gerne? Scheitern ist anstrengend, raubt Kräfte und zerstört Gefühle und man muss zurück zum Start. Schauen Sie sich doch um: Die Welt ist voller Menschen, die am Scheitern verzweifeln und ebenso ist sie voller Menschen, die sich aus lauter Angst vor dem Scheitern jeden Schritt zweimal überlegen und dann stehen bleiben. Das ist kein Vorwurf, sondern ein Faktum. Wir leben in einer Gesellschaft in der das Scheitern ein Makel ist. Schon in der Schule lernt man, dass der, der scheitert, der Loser ist. Scheitern würde viel leichter fallen, wenn ein gesellschaftlicher Grundkonsens darüber bestehen würde, dass Scheitern Mut erfordert und Kraft. Dass nur die, die sich auch trauen zu scheitern, die sind, die verändern und ausprobieren. Es wäre auch schön, wenn man die, die gescheitert sind, nicht fallen lässt, sondern auffängt. Weil sie vielleicht Dinge ausprobiert haben, über die andere nur nachdenken. Verlange ich zuviel? Sicher. Denn der größte Feind des Scheiterns ist die Bequemlichkeit und Angepasstheit. Ein Schleimer wird nie scheitern - nur ausrutschen. Und so wird es leider weiterhin so bleiben, dass es mehr Menschen gibt, die kapitulieren, als solche, die scheitern. Das hat übrigens Henry Ford vor hundert Jahren gesagt. Geändert hat sich an dieser Analyse bis dato rein gar nichts. Tragisch nur, dass diese Angst vor dem Scheitern zu einer Gesellschaft der Mittelmäßigkeit führt. Denn, wer Angst vorm Scheitern hat, wird nichts entscheiden und wer nichts entscheidet, macht auch nichts falsch und wer nichts falsch macht, der macht Karriere. So funktioniert sie, die Logik des Mittelmaßes. Atha Athanasiadis, 41, ist freier Journalist. Davor war er u.a. Chefredakteur von News.
Schamgefühl austricksen
In Österreich aufgewachsen und herangezogen, hat man’s nicht leicht. Der Perfektionismus sitzt einem im Nacken, und zusätzlich wurde einem eine gewisse Art von Schamgefühl eingehämmert – »Mach das net! Die Leut’ schaun schon!«
Um waghalsige Ziele umzusetzen, ist Perfektionismus eine Triebkraft, die vor allem gemischt mit Enthusiasmus und Überzeugung vieles vorantreiben kann. In dem Prozess gilt es nun jedoch, das Schamgefühl auszutricksen. Zu Scheitern muss erlaubt sein, man muss es für sich selbst einfordern! Und schließlich akzeptieren. Unser Festival Soundframe war immer wieder kurz vor dem Scheitern. Eine Mischung aus finanzieller Not, übermäßigen Arbeitsstunden und riesiger Verantwortung kann einem schon mal auf den Magen schlagen. Doch das Weiterkämpfen hat sich auch immer wieder ausgezahlt. Zu sehen, wie viele Menschen ihre ganze Motivation und ihren Enthusiasmus »spenden«, und was sich alleine dadurch alles auf die Beine stellen lässt, hat das Projekt immer wieder enorm vorangetrieben. Eva Fischer, 27, ist die Initiatorin und künstlerische Leiterin des Soundframe Festivals in Wien. Seit 2006 arbeitet sie selbst auch aktiv als Visualistin unter dem Künstlernamen »e:v/a« . Mit Ende 2010 startet sie gemeinsam mit ihrem Team und mit 30 audio-visuellen Artists das »Soundframe AV Label«. Vor Kurzem wurde sie zur Österreicherin des Jahres gewählt.
Fuji-san bei der Arbeit
Fuji-san muss sich ein wenig Geld nebenher verdienen, also arbeitet er auf den öffentlichen Toiletten in seiner Gegend. Als Maskottchen. Nice.
Futami - Ja ich habe abgebissen
Diese Meeresschnecke wurde in ihrer eigenen Schale gekocht. Und ich hab abgebissen. Es war sehr, sehr, sehr bitter. Wahrscheinlich weil ich am Darmende abgebissen hab. Aber, pssst, niemandem verraten! (c) Larissa Wildschek
Futami - Meoto Iwa 1
Ein Panorama der verheirateten Felsen, "meoto iwa", in Futami, Mie, Japan. Der Strand dort eignet sich übrigens hervorragend zum Lesen, Dank der Betonstufen auf denen man ganz sandfrei sitzen kann.
Futami - Meoto Iwa 2
Diese beiden Felsen sind verheiratet, heisst es. Der kleinere wird als der weibliche betrachtet. War ja klar, dass gender issues nicht mal vor Steinen Halt machen.
Ise - absolut maennlich
Beim 'Mandom' in Ise treffen sich wohl die richtig harten Macker und Stahlbodies. Wir haben niemanden dort gesehen. Ever. Kein enziges Mal.
Ise - Katzen bringen Glueck
Beim Geku (dem äusseren Schrein des Ise Grand Shrine) kann man im dortigen Markt diese trashigen Glückskatzen erwerben. Um teures Geld. Aber wenn's Glück bringt... (c) Larissa Wildschek
Ise - soooo schooooooen
Traumhafter Sonneuntergang in Ise, beim Aufsteig zu unserem ryokan. *seufz* (c) Larissa Wildschek
Osaka - Americamura Panorama
Diese Viertel in Osaka heisst nicht zufälligerweise Americamura, sonder weil es us-amerikanisch sein soll. Und irgendwie ist es das auch. Aber andererseits auch wieder überhaupt nicht. Es ist ergo japanamerikanisch.
Osaka - am Arsch der Welt Club
Vielleicht hätten wir rausfinden sollen, wie es im "am Arsche der Welt Club" so zugeht, aber das Schild alleine war schon Unterhaltung genug.
Osaka - Double Dutch Crew
Die erste Double Dutch Crew, die wir in Osaka in Americamura sahen. Waren zeitig dort und haben schon fleissig trainiert, noch bevor irgendwelche anderen Crews überhaupt aus den Betten gekrochen waren. Bravo!
Osaka - Double Dutch Crew 2
Die Osakianischen (heisst das so?) Double Dutch Crews waren recht beeindruckend. Die Gelblinge hier haben zu meinen Favorites gehört. Hoffentlich gewinnen sie alle Competitions. Go, äh, öhm, gelbe Double Dutch Crew, go!
Osaka - jess bi ah berri kuh
Diese drei waren sowas von cool! Also, wirklich cool! Ich mein, so rrrrrichtig cool. *räusper* Ja, eh auch. Aber ihre Meerschweinchenfrisuren sind Weltklasse. (c) Larissa Wildschek
Osaka - New Munchen
Osaka ist schon eine merkwürdige Stadt, aber das "New München" hat dem Fass einfach den Boden ausgeschlagen. Mit Anlauf.
Osaka - punkmodbikestreetserhipniks
Eigentlich wollte ich die Ablenkung nutzen und ihnen die Räder klauen, während die weltbeste Reisepartnerin das Foto schoss. Aber ich hab mich dann doch nicht getraut. (c) Larissa Wildschek
Zerstörung zelebrieren
In meiner gescheiterten Karriere als Musikmanager und Musiker war Scheitern immer Bestandteil und Grundlage meines zwischenzeitlichen Erfolges. Es gibt allerdings kaum eine Branche, die Fehler und Scheitern so wenig verzeiht wie die Musikindustrie. Nur aus Erfolgsgeschichten lassen sich weitere stricken. Auch deshalb verfolge ich von jeher eher das Prinzip der Zerstörung als das des Scheiterns. Zerstörung führt zum gleichen Tabula-Rasa-Status, lässt sich aber einfach besser »verkaufen« als Scheitern. In Foren und auf »Marktplätzen« wie diesen wird häufig dieses Phönix-aus-der-Asche-Prinzip propagiert. Meine Erfahrungen und Ergebnisse sind andere. Erstens: Auch wenn man wieder »aufsteht« – man scheitert eigentlich immer wieder an den gleichen Punkten und an den gleichen Grundlagenfehlern - nämlich immer wieder aufs neue an sich selbst. Zweitens: Seit geraumer Zeit treibt mich die Frage um, warum in aller Welt man stetig wachsen muss. Persönlich, erfahrungsmäßig, wirtschaftlich. Als sei das das unumstößliche Ziel eines jeden. Für mich bedeutet Scheitern, dass man scheitert. Auf das Scheitern folgt mit Sicherheit genauso oft Niedergang und Stagnation, wie Wachstum. Von außen betrachtet, würde man bei mir von Niedergang und Stagnation sprechen. Ich persönlich habe zum ersten Mal in meinem Leben Zeit, aber aus dieser Erkenntnis ein wie auch immer geartetes Wachstum zu stricken fällt mir schwer. Patrick Wagner, 40, hat in den 90ern in der Rockband Surrogat gespielt und ist v.a. durch sein gesundes Selbstbewusstsein (auf)gefallen. In seiner Freizeit hat er das Indie-Imperium Kitty-yo aufgebaut (das der Welt Künstler wie Peaches, Gonzales, Jeans Team, Kante, Raz Ohara, Tarwater und viele mehr bescherte). Im neuen Jahrtausend scheiterte er zuerst im Konzern Universal Music und dann mit seinem Familienunternehmen Louisville Records (Maximilian Hecker, Navel, Naked Lunch, Puppetmastaz, Jolly Goods, Florian Horwath, Jeans Team) vor allem an seinem Musikgeschmack und seiner Überheblichkeit.
Er ist Entrepreneur, Lebemann und nun Kurator – und er weiß, wovon er spricht. Milo Tesselaar, bis vor kurzem Herausgeber des Magazins Biorama, sieht im Künstlerdasein das Role Model für Versuch und Irrtum. Er hat deshalb eine Ausstellung initiiert, die auf den Pfaden des Scheiterns lustwandelt: »Das Leben eines Künstlers – auf seine kreativen Fähigkeiten und dessen Markt-Chancen zu vertrauen – das ist gelebtes Trial & Error.« Gerade Österreich wäre ein feindseliges Umfeld für diese Form pionierhaften Denkens und Handelns. Die Kunst soll da aber hinaus führen.
Katharina Gruzei ist eine jener Künstlerinnen, die bei der Ausstellung »Trial & Error« mitwirken. Wie so viele musste sie am Beginn ihrer damals noch zerbrechlichen Künstlerkarriere Momente des Scheiterns hinnehmen. Mittlerweile kann sie aber einige Erfolge für sich verbuchen. Ihre Arbeit »What if there were more than the two of us?« (siehe Abbildung) widmet sich Formen des Zusammenlebens, die jenseits der etablierten Zweierbeziehung liegen und bereits in ihrer Ausgangssituation ein sehr großes Potenzial zum Scheitern tragen.
Auch mal daneben liegen
Auf diesen Seiten finden sich – passend zur Ausstellung – unterschiedliche Zugänge zu Versuch und Irrtum wieder. Es melden sich Personen zu Wort, die teilweise sehr genau wissen, was es heißt zu scheitern. Andere schwimmen gerade auf der Welle des Erfolgs. Und dennoch haben sie alle etwas zum Thema »Trial & Error« zu sagen. Es sind hier Plädoyers für das Scheitern ebenso zu finden, wie Wachstumskritik und späte Abrechnungen. Es verwundert nicht wirklich, dass ein solches Thema starke Emotionen hervorruft. Immerhin betrifft es jeden auf einer zutiefst persönlichen Ebene. Das Scheitern ist ja auch die elementarste Form des Lernens, es hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Versuch und Irrtum sind nicht nur Antrieb für jegliche Entwicklung, sie sind auch das einzige, das vor Stillstand und Verschlechterung bewahrt. Der momentane Zustand darf deshalb nicht als ewige Wahrheit missverstanden werden. Leben heißt Wandel und Stillstand heißt Tod.
Die Ausstellung „Trial & Error” ist von 26. November bis 19. Dezember in der Lust Gallery (Hollandstraße 7, 1020 Wien) zu sehen.