Wir haben Kulturschaffende in Wien um ihre Einschätzung gebeten wie sich eine Regierungsbeteiligung der FPÖ auf Wien auswirken würde.
Vincent Abbrederis, WUK
Nichts Gutes Förderungen einstellen, Miete einheben. Ginge es nach Meinung der FPÖ und würden diese vielfach formulierten Forderungen wahr gemacht, liegt es auf der Hand: Das wäre das Ende des WUK. Im 69. Wiener Gemeinderat bringt GR Herbert Eisenstein (FPÖ) einen unter mehreren ähnlich lautenden Anträgen ein: „… Förderungen an den WUK einzustellen bis die offenen Mietschulden bezahlt sind und ein schriftlicher Mietvertrag vorliegt.“ (PID-Rathauskorrespondenz, 1. Juli 2015). Die Stadt Wien hat dem WUK das Haus über ein Prekarium mietfrei zur Verfügung gestellt. Es gibt keinen Mietvertrag und somit auch keine offenen Mietforderungen. Es wird seit rund einem Jahr verhandelt, und das WUK war immer zu Gesprächen bereit.
Das Verbreiten von Unwahrheiten, kulturelle Inkompetenz und rechte Gesinnung werden besonders signifikant im Abstimmungsverhalten der FPÖ im Wiener Gemeinderat. Die Freiheitlichen stimmten zwischen 2010 und 2015 jeweils mehrfach gegen Kabelwerk, Architekturzentrum, Arena, Kunst im öffentlichen Raum, SOHO in Ottakring, gegen die Auseinandersetzung mit jüngerer österreichischer Geschichte, das Demokratiezentrum, Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstands und das WUK. Betrachtet man den Kulturbegriff der FPÖ, so steht dieser dem alternativer Kulturschaffender, und so auch dem des WUK, diametral entgegen. Kulturelle Freiräume und Experimentierfelder, in denen sich ein kreatives und kritisches gesellschaftsgestaltendes Potential entwickeln kann, innovative, experimentelle, kritische Kunst und Kultur werden von dieser Partei deutlich abgelehnt. Was stattdessen zählt, sind Marktakzeptanz, Heimattümelei und patriotische Parameter. „Sein [Gerald Ebinger, Kultursprecher FPÖ Wien, Anm.] persönlicher Geschmack, das sei die ‚zeitgenössische Kunst‘, vor allem österreichische, die er seit langem sammle.“ Darüber hinaus vertritt Ebinger die kulturpolitisch elaborierte Meinung, es bräuchte nicht „so viele Festivals, wo Leute aus der ganzen Welt herkommen“. (Der Standard, 22. September 2015) Es ist nicht neu, dass schon jetzt viel zu viele freie Kulturschaffende und alternative Kulturzentren in Wien mit existenzbedrohenden Budgets konfrontiert sind. Läge die Entscheidungskompetenz über Wert und Unwert und damit über Förderungswürdigkeit von Kulturinstitutionen und künstlerischer Arbeit in den Händen der FPÖ, ließe es für die Stadt Schlimmes befürchten. Für den Kunst- und Kulturbereich. Für die freie und alternative Szene. Doch ist diese Auffassung von Kultur nur die eine Seite einer reaktionären Haltung. Eine Regierungsbeteiligung einer Partei, die hetzt, Zwietracht sät und eine menschenverachtende Politik betreibt, wäre verheerend für das Leben in dieser Stadt. FPÖ ist keine Wahl. Vincent Abbrederis, Geschäftsleitung WUK Werkstätten- und Kulturhaus www.wuk.at
Peter Nachtnebel, fluc
Gespräche der letzten Tage und Wochen zeigen, wie sehr sich die Wiener Kulturszene vor einem Sieg HC Straches ängstigt. Zweifelsohne wäre eine Regierungsbeteiligung der FPÖ eine Schande für Wien. Eine Stadt, die seit dem Ende des Kalten Krieges seine Bedeutung als impulsgebende Kulturmetropole zurückgewinnen konnte, die sie so zuletzt um 1900 hatte. Die gegenwärtige Lebendigkeit dieser Stadt verdankt sie ihren zahlreichen unabhängigen Kulturschaffenden, die oft mit geringen Fördermitteln aus dem Wenigen das Meiste rausholen. Sollte es nun zu einer Machtverschiebung innerhalb der Wiener Stadtregierung kommen und in Folge diverse unliebsame „linkslinke“ Kulturinstitutionen finanziell ausgedünnt werden, stellt sich die Frage: Wohin mit der Kohle? Bekanntermaßen gibt es keine rechte Gegenwartskultur und die bürgerliche Fassadenkultur frisst ohnehin schon einen Großteil der Subventionsgelder. Die FPÖ wird wohl neue Trachtenvereine gründen müssen. Für den Wiener „Underground“ würde sich mit einer Regierungsbeteiligung der FPÖ wenig ändern, da er es gewohnt ist mit knappen Mitteln zu arbeiten. Drohgebärden – wie zuletzt der Einschüchterungsversuch Richtung „Celeste“ – werden nach dem Wahlkampf eher vergessen sein. Für subventionierte Kulturhäuser wie das WUK oder die Arena könnte es etwas eng werden. Die alternative Wiener Kulturszene ist aber stark genug, um das auszuhalten und sie wird die FPÖ mit allen Mitteln bekämpfen. Man sollte sich vor den Blauen auf keinen Fall anscheissen. Peter Nachtnebel, seit den frühen 1990er Jahren als Kulturarbeiter in Wien und seit langem als Programmchef im fluc aktiv. www.fluc.at
Vanessa Wieser, Milena
Ich glaube nicht, dass die FPÖ stimmenstärkste Partei wird und ich glaube nicht, dass Michael Häupl mit Strache koaliert. Die Frage lässt sich für mich nicht seriös beantworten, ich habe nur die schwarzblaue Koalition im Hinterkopf und da gab es, soweit ich im Bilde bin, im Kulturbereich inkl. Förderungen keine signifankenten Unterschiede zu davor. Weil die Blauen ja eigentlich nur regieren "spielen", aber inhaltlich keine Ahnung haben. Insofern kann der Koalitionspartner alle Regeln vorgeben und sich durchaus auch argumentativ hinter den Blauen "verstecken", die währenddessen leider aber so viel Macht haben, dass sie durch Korruption sehr wohlhabend werden, siehe Grasser, Westenthaler etc. Ich mag hier weder Horrorszenarien durchspielen noch etwas verharmlosen. Vanessa Wieser, Milena Verlag (ehemals Frauenverlag)
Fritz Jergitsch, Die Tagespresse
Ich bin kein Experte für Kunstpolitik bzw. -förderung, kann mir aber gut vorstellen, dass die städtische Kunstförderung massiv gekürzt wird. Insbesondere Kunstprojekte, Theater oder Museen, die Strache nicht ins Konzept passen, würden wohl weniger Förderung bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Bürgermeister Strache unmittelbar positive Auswirkungen auf die Wiener Kunstszene haben wird. Höchstens als Inspiration für politikkritische Projekte. Fritz Jergitsch ist Gründer von Die Tagespresse. dietagespresse.com
Rudi Wrany aka Crazy Sonic, DJ, Veranstalter
In Wien hat es noch nie eine strammrechte Regierung gegeben, ausser in der Zeit des Austrofaschismus und während der NS-Zeit. In beiden Epochen versandetet das Kulturleben oder endete in einer Katastrophe. Nun zeigt sich – ähnlich wie damals –, dass auch heutzutage 90 Prozent der Künstler und Intellektuellen, skeptisch zeigen, was eine FP Regierungsbeteiligung in Wien angeht. Allein der Feldzug von Ursula Stenzel gegen das Flex und nun auch gegen das Celeste und anderer harmloser Gaststätten im ersten Bezirk und ihr Wechsel zur FPÖ deutet an, was uns blühen könnte. Jede Gegnerschaft wird mit Gegnerschaft bekämpft. Kritik mit Diffamierung und Gegenkritik. Die Freiheit der Kunst könnte zur freiheitlichen Kunst mutieren, zur Gabaliersierung, zur Provinzialisierung. Doch freilich müsste da noch viel passieren, Wien würde ein Stück unsympathischer, weil rechter, weil staubiger und modriger werden. Clubs – brauch ma net, Open Airs – brauch ma a net, was die FP an Kultur und Kritik brauchen wird und will, wird sich wohl erst zeigen, doch könnte es für viele ungemütlich werden, da auch niemand weiß, wie genau Polizei und Beamtenschaft nach der Wahl ticken. Wie schnell aus einer Farbe eine andere werden kann, zeigten hierzulande schon viele Wahlen. Man sollte das Risiko besser nicht eingehen, es unbedingt wissen zu wollen, denn Wein war auf einem guten Weg. Nicht jede schwierige Zeit muss mit einem Umsturz enden. Rudy Wrany ist DJ und veranstaltet seit vielen Jahren Parties im Flex, Forelle uvm. Für Noisey beobachtet er in einer Kolumne Wiener Clubkultur.
Christian Köllerer, Publizist
Kulturelle Entwicklung und Weltoffenheit sind seit dem Beginn der europäischen Kulturgeschichte eng miteinander verknüpft. Die abendländische Philosophie und Wissenschaft entsteht nicht zufällig in am Mittelmeer gelegenen Handelsstädten. Gleichzeitig ist die Abweichung von ästhetischen Normen seit der Antike der Motor künstlerischer Weiterentwicklung: Sie schafft neue Normen, die dann wieder kreativ überwunden werden. Die FPÖ steht für das Gegenteil: Vermeintliche kulturelle Normen werden aus ideologischen Gründen absolut gesetzt. Abweichungen von der Norm sind zutiefst suspekt und werden als Gefahr wahrgenommen. Jeglicher Form von Weltoffenheit wird mit Misstrauen und Vorurteilen begegnet. Eine nach diesen Kriterien ausgerichtete Wiener Kulturpolitik würde Wien mittelfristig von einer Weltstadt in eine Provinzstadt verwandeln: Das Unumstrittene, Wohlgefällige und Bornierte würde finanziell gefördert. Provokanten, von der ästhetischen Norm abweichenden Künstlern würde schnell der Geldhahn zugedreht. Künstlerische Leitungspositionen werden bei der nächsten Gelegenheit mit ideologischen Gefolgsleuten besetzt. Budapest steht uns hier als abschreckendes Beispiel vor Augen. Gleichzeitig würde der Widerwille gegen eine FPÖ-Stadtregierung die Kulturszene stärker solidarisieren und viel subversives kulturelles & ästhetisches Potenzial freisetzen: Die Subkultur blüht oft in politisch schwierigen Zeiten auf. Christian Köllerer ist promovierter Literaturwissenschaftler & “Philosoph“, Kulturpublizist, Skeptiker aus Wien, Reisender und nennt Mobilfunk & Telekommunikation als Broterwerb. www.koellerer.net
Michaela Englert, Admiral Kino
Ich gehe davon aus, dass sich an den Strukturen – für behördliche Auflagen, Genehmigungen, Förderungen etc - im Kulturbereich nicht viel ändern würde. An den Inhalten würde sich allerdings sehr viel ändern, denn sehr rasch würden die Regierungsverantwortlichen die ausführenden FunktionärInnen austauschen, diese die entscheidenden JurorInnen und LeiterInnen von Kulturinstitutionen – und schon sind wir bei den Kulturschaffenden angelangt, die Fördergelder erhalten und von öffentlichen Stellen beschäftigt werden. Wir kennen die skurrilen FPÖ Ansagen zu „Nestbeschmutzern“ und „linkslinken“ KünstlerInnen, die sich zwar selbst disqualifizieren, bei einer Regierungsverantwortung aber traurige Wirklichkeit werden können. Welche Filme oder Kinos gefördert werden, werden dann Personen entscheiden, die ein rechtes, konservatives, nationales Weltbild haben. Das würde sich natürlich bemerkbar machen. Für mein Kino würde sich nicht viel ändern. Zu klein, zu unwichtig. Und ohne despektierlich und undankbar erscheinen zu wollen: Die jährliche Förderung der Stadt ist nicht so hoch, dass ein Ausbleiben dieser Finanzspritze die Existenz des Kinos gefährden könnte. Ein drohender Entzug wäre somit auch kein Druckmittel für eine andere Programmgestaltung oder gewünschte Kniebeugen. Die Erhaltung des Admiral Kinos ist durch die bescheidenen Einnahmen, die ehrenamtliche Arbeit und finanzielle Unterstützung von privater Seite gewährleistet. Da die Programmkinoszene aber grundsätzlich ins Feindbild einer freiheitlichen Kulturpolitik passt, wäre eine finanzielle Einschränkung der Querdenker auf Steuerkosten eine logische Folge. Ein Szenario für die Kinos und Institutionen, deren Existenz tatsächlich von Förderzuwendungen (sic!) abhängt? Ein Horrorszenario für mich. Michaela Englert, Admiral Kino www.admiralkino.at
Rainer Krispel, Arena Wien, Foto von Andreas Silldorff
Tatsächlich programmatisch ist in FPÖ-Papieren nichts Konkretes zu finden. Ihre je-nach-dem-was-wir-glauben-was-bei-unseren-Wähler_innen reingeht-Haltung manifestiert sich natürlich auch im Kunst- und Kulturbereich. Ihre Kampfansage gegen „multikulturelle Kultur“ (sic!) werte ich als Kampfansage an jegliche Kunst- und Kultur, die mich interessiert und die ich für ein lebenswertes Wien und sozialen Frieden als für wesentlich erachte. Diese grundsätzliche Oppositionshaltung disqualifiziert die FPÖ als verantwortungstragende politische Kraft nachhaltig. Aus den desaströsen Erfahrungen mit Schwarz-Blau auf Bundes-Ebene und dem jahrzehntelang in Geiselhaft befindlichen gequälten Kärnten ist es leicht eine dystopische Regierungsbeteiligung der Blauen zu skizzieren: Administratives Totalversagen durch Umfärbungen, Kahlschlag sozialer und kultureller Einrichtungen mit nicht menschenfeindlicher Grundhaltung, Totalbereicherung durch Umverteilung und Bedienen privater Interessen, Stadtregierung konstant am Auseinanderbrechen bis zur Unverwaltbarkeit der Stadt, nach dem überstandenen Spuk jahre- und jahrzehntelanger juristischer Nachhall ohne konkrete Verurteilungen. Was das für Kultur- und Kunst heißt, mag sich jede/r selbst ausmalen. Positive Auswirkungen? You must be fucking joking! Wir reden von einer Partei, die einst in Oberösterreich – nach 1945 wohlgemerkt! – eine „Spürhündin für entartete Kunst“ (O-Ton) in ihren Reihen wußte. Obwohl, der Polemiker in mir sagt – die Kabarettszene würde einen Qualitätsschub erleben, weil sie sich deutlicher von der täglichen Realsatire abgrenzen müsste. Aber that´s a price too high to pay und mit dem Entsetzen betreibt mensch keinen Scherz – und eigentlich auch keine „Umfragen“. Und eins noch: Die Subvention sozialer und kultureller Einrichtungen ist ein Grundrecht und ein Grundübereinkommen unserer Gesellschaft. Dass dies durch einen politischen Verein mit einem Haltungs- und Demokratieproblem gefährdet scheint, geht ebenso wenig an wie der Umstand zu ertragen ist, dass eine Stadt wie Wien oder bei einer Bundeswahl das ganze Land mit dem A lange vor und nach Wahlen de facto in allen relevanten Entscheidungen komplett blockiert sind. Rainer Krispel, Obmann Verein Forum Wien Arena, Musiker & Musikarbeiter arena.co.at
Benji Stizz, Das Werk
Auf der nach unten offenen Skala scheint kein Ende in Sicht zu sein, darum sind die Konsequenzen wohl kaum abzuschätzen. Das es, für alle kritischen KünstlerInnen, einer Katastrophe gleich käme, steht wohl außer Frage. Zum Glück lassen sich die meisten Wienerinnen und Wiener keine Angst einreden und fallen nicht auf billige Hetze rein. Wir hoffen nach wie vor, dass Wien am Sonntag weiß, was gut für die Stadt und ihre BewohnerInnen ist. www.daswerk.org
Esel, Foto von eSeL.at
Kann und muss Euch mit Karl Kraus antworten: “Mir fällt zur FPÖ nichts ein" www.esel.at
Es scheint manchmal gar nicht so leicht zu sein in Österreich eine Meinung zu äußern und den Mund aufzumachen. Wir haben über 30 Institutionen gefragt, wie sich eine FPÖ-Regierungsbeteiligung in Wien im Kunst- und Kulturbereich auswirken würde? Und ob sie möglicherweise auch irgendwelche positiven Auswirkungen hätte? Von manchen kam nichts, von anderen eine Absage. Man wolle dem keine Bühne geben, eine FP-Regierungsbeteiligung sei ohnehin nicht wahrscheinlich, man wolle sich nicht exponieren, weil die Situation gerade heikel ist und man keine Angriffsfläche bieten möchte. Im Detail war das immer nachvollziehbar, in der Summe ein wenig erstaunlich. 10 Leute haben uns aber ihr Statement geschickt.
Ja, auch The Gap hat eine starke Vermutung wie sich eine FPÖ-Regierungsbeteiligung auf Wien auswirken würde – dazu beobachten wir einfach schon zu lange wie Fäden im Hintergrund gesponnen werden, wer hofiert wird, wie Gelder vergeben werden oder mit welchen Argumenten Leute und Institutionen attackiert werden. Auch wenn sich das FP-Parteiprogramm in Sachen Kultur vielleicht harmloser liest, als man vermuten könnte. Auf der anderen Seite stehen offene Drohungen gegen das WUK, das Flex und das Celeste, oder das Abstimmungsverhalten im Kulturausschuss. Umso mehr freuen wir uns über die, die aus der Sicht ihrer eigenen Erfahrungen, also nahe an der gelebten kulturpolitischen Praxis, ein Statement schicken konnten.
Kommenden Sonntag, 11. Oktober 2015, wird in Wien gewählt. The Gap ruft ausdrücklich dazu auf wählen zu gehen.