Bussey Baby: Was wir, wieder einmal, von London als Partystadt lernen können.
Kürzlicher Besuch in London, das sich einmal mehr als die europäische Capital of Cool präsentiert hat: gute Galerien und Museen, tolle Menschen, Konzerte, Märkte, Kulturangebote, darunter eine Party in einer Location mit dem hübschen Namen Bussey Building. Ein mehrstöckiger Artspace im Süden der Stadt, ein Kino am Dach, weißgetünchte Stiegen, ein gemütlicher Innenhof. Auf den an diesem Abend zwei bespielten Floors funkeln aufwendige, gemappte Visual-Installationen, unter deren schönster der New Yorker Young Male ein elegantes Techno-Liveset spielt; das Publikum ist bunt gemischt in Sachen Kleidungsstil, Herkunft, Brotjob, sexueller Orientierung, Einstellung zu Drogen. Anders als bei uns scheinen viele einander nicht seit Jahren zu kennen und auf denselben Partys zu treffen, vor allem aber haben sie ihren Freitagabend schon länger geplant, denn die meisten von ihnen haben Vorverkaufstickets für die Party gekauft.
Bei uns ist so etwas, wenn überhaupt, nur bei Konzerten wirklich üblich, und auch hier schafft man es meistens auch ohne sich vorher zu kümmern via Facebook-Restkartenbörse oder mit dem normalen Kontingent an der Tür noch zur Show. In London machen die wenigen Pfund Differenz zwischen dem Vorverkaufspreis und der Abendkassa einer Party beim Überleben in dortigen Verhältnissen zweifellos einen größeren Unterschied, im Speziellen transportiert die längerfristige Planung aber auch eine Art anderen Respekt vor einer Veranstaltung: Sie ist das Gegenteil von Schau ma mal. Kein schönes Wetter, das ja gerade auf der Insel größeren Seltenheitswert besitzt, macht der Kalkulation von Indoor-Veranstaltungen einen Strich durch die Rechnung, ebensowenig ein ungeplanter oder erwartbarer Kater oder ganz einfach eine bessere Option. Freunde müssen sich bezüglich der Freitagnacht bereits unter der Woche absprechen und festlegen, sonst feiern sie eine Busstunde voneinander entfernt, denn Karten verfallen lassen kommt nur für Menschen in Frage, die entweder wirklich sehr krank oder verkatert oder gleichgültig gegenüber den Londoner Lebenskosten sind.
Dass die Besucher der Bussey Party – schade, dass man hier das dazugehörige Wanda-Lied nicht kennt, das uns fortan die gesamte Londonreise über als Ohrwurm verfolgen sollte – in sich heterogener waren, ist natürlich der Größe der Stadt geschuldet. Dass sie auf der Straße von selbst auf verloren dreinblickende Touristen zugehen und ihnen den Weg zum Bussey Building erklären, hat eher mit der allgemeinen Freundlichkeit der britischen Menschen (oder ist es ihre Nicht-Österreicherhaftigkeit?) zu tun. Ansonsten zeigt die Londoner Partykultur etwas, wovon man hierzulande noch allzu oft nur träumen kann: Die Veranstalter können sich auf ihr Publikum verlassen.
Katharina Seidler auf Twitter hier