Die Erweiterung der Ausgehzone

Zwischen Flohmärkten, Diskussionsabenden und Weinverkostungen werden Clubs immer mehr zur sozialen Zone – auch abgesehen von 1-2-3-4.

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Das Ausgehen beginnt heute oft schon am Nachmittag. Die erste Runde an bummvollen Open-Air-Events an Kanalufern und auf Praterwiesen hat gezeigt, dass die Lust auf den Nachmittagsspritzer oder die gepflegte Handvoll Dosenbier auf dem Freiluft-Dancefloor 2015 nach wie vor ungebrochen ist. Auch Flohmärkte, Pop-up-Läden, Pastrami-Sandwich-Ausgaben und vegane Burgerläden scheinen sich als Untertags-Treffpunkt vieler Menschen, denen man nachts dann ebenfalls, immer noch oder erneut, unter der Discokugel begegnet, immer mehr zu etablieren.

Plötzlich neue Positionen

Essen als neuer Pop schlägt sich in Form von co-gehosteten Küchen längst auf den Terrassen der heimischen Clubs nieder. Lokale wie etwa das Fluc geben zu bestimmten Anlässen Bücher und Anthologien heraus, die die Musik- und Ausgehkultur auf theoretischer Ebene verhandeln. Es gibt, derzeit beispielsweise organisiert von der Initiative Club Courage, Diskussionsabende zu Themen wie Gender-Troubles in der Szene, die direkt vor der Partynacht vor Ort stattfinden, man veranstaltet DJ- und Hardware-Workshops, oder, wie wir anhand der Facebook-Zusagen annehmen, offenbar überaus beliebte Weinverkostungen. In Wien hat der Naschmarkt seine praktisch alleinige Stellung als samstägliches Stöber-Zentrum einer kulturinteressierten und gut vernetzten Szene eingebüßt, seit Woche für Woche Flohmärkte, Plattenbörsen oder andere Vintage-Sales die Tanzflächen der Clubs zur Bummelzone machen.

Aus reinen Wünschen springt überraschend frischer Anspruch

Der Club ist also längst kein Ort mehr, den man erst um zwei Uhr früh nach einigen anderswo konsumierten Getränken betritt, um in die Dunkelheit des Dancefloors und die Anonymität der lauten Musik einzutauchen. Er entwickelt sich gerade wieder zum Treffpunkt, an dem Menschen zusammenkommen, sich austauschen (und wenn es im materiellen Sinn sein sollte), miteinander essen, tanzen oder sonstwie dem Alltag entkommen. Auch, wenn zu einer vollkommenen Utopie aus Interkulturalität, Gleichheit und Schwesterlichkeit natürlich noch so einiges fehlt, mag man über diesen Umweg der Eventisierung des Samstagnachmittags doch vorsichtig daran glauben, dass die Etablierung vom Club als soziale Zone, in der etwa verschiedene Altersgruppen nebeneinander Platz haben, als kleine Wieder-Annäherung an den Grundgedanken von etwa frühem Detroiter Techno- und Housepartys in Chicago und New York verstanden werden kann: Alle anders, alle gleich.

Katharina Seidler schreibt für FM4, Falter und twittert auch manchmal hier.

Bild(er) © Pamela Rußmann
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