Am 8. März ist Weltfrauentag. Ich wünschte, es bräuchte ihn nicht und bin trotzdem froh, dass es ihn gibt.
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"Ich bin bei Gott keine Feministin", hat meine Lehrveranstaltungsleiterin letztens in einem Seminarraum voller Frauen ihre Anekdote eingeleitet. "Aber in Italien gibt es zum Weltfrauentag eine Tradition, die ich schön finde. Dort wird ‚La Festa della Donna‘ gefeiert. An diesem Tag bekommen Frauen in Italien von Männern Mimosen überreicht. Sie gehen gemeinsam aus und schenken sich auch untereinander Blumen. Das ist doch nett." Willkommen zurück auf der Uni!
Ich bin heuer in Bildungskarenz und nutze die Auszeit für meine längst überfällige Masterarbeit. Kunstgeschichte zu studieren bedeutet im heutigen Wien, viele Frauen um sich zu haben. Natürlich sind die großen Bildenden Künstler (sic) nahezu ausschließlich Männer – aus historischen Gründen, die viel mit Zugangsmöglichkeiten, traditionellen Geschlechterrollen und im Fall der Malerei auch mit vermeintlichen Genre-Hierarchien zu tun haben: Frauen durften die längste Zeit, wenn überhaupt, dann nur liebliche Stillleben malen, und auch das nur als Hobby, weil sie zufällig Töchter von Malern waren oder aus gutem Hause stammten. Diese Stillleben waren wenig prestigeträchtig verglichen mit den großen Historiengemälden, die den ausgebildeten Männern vorbehalten waren.
Große Künstler, hübsche Studentinnen
Wenn nicht im Studienplan, wo sind dann die vielen Frauen? Unter den Lehrenden des Instituts ist das Genderverhältnis auf den ersten Blick nicht auffällig. Auf der höchsten Stufe stehen acht Professoren immerhin fünf Professorinnen gegenüber. Aber natürlich: Der Frauen-Überhang findet sich – Gläserner Decke sei Dank – nicht ganz oben, sondern in der großen Masse der unteren Ebenen. Schon Thomas Glavinic hat die Situation in seinem Roman "Wie man leben soll" beschrieben: Kunstgeschichte-Vorlesungen sind voller junger Studentinnen. (Für Glavinics Protagonisten ist freilich auch deren angeblich überdurchschnittliche äußerliche Attraktivität wichtig.) Wenn in der Statistik über 80% der Studierenden als weiblich aufscheinen, schaut ein 5:8-Verhältnis bei den Professuren plötzlich nicht mehr ganz so super aus. Anders gesagt: Als Mann zahlt es sich nicht nur oft aus hormonellen Gründen aus, Kunstgeschichte zu studieren – auch die Chancen, eine erfolgreiche akademische Karriere hinzulegen, sind signifikant höher als die einer Frau. Die Zahlen sprechen für sich: Vier von fünf Studierenden sind Frauen, aber bei den Professuren sind es nur noch zwei von fünf.
Liest noch jemand oder überfliegt ihr alle schon den nächsten Artikel? Ich weiß eh, es ist urlangweilig, immer wieder die gleichen frustrierenden Zahlen zu sehen und dementsprechend leicht, das Interesse zu verlieren und die systematischen Schieflagen als naturgegeben hinzunehmen. Ist das vielleicht der Grund, warum just manche Frauen, die sich entgegen aller offensichtlicher Hürden nach oben gearbeitet haben (oder gerade dabei sind), dem Begriff Feminismus und den dahinter liegenden Themen ablehnend gegenüber stehen?
Trotz der zahlenmäßig starken Präsenz von Frauen weht nämlich nicht unbedingt ein besonders feministischer Geist am Institut. Die Gender-Thematik wird oft entweder ignoriert oder mit etwas Radikalem gleichgesetzt, das unangenehm ist und dem man nicht zu nahe kommen will. Dementsprechend wird der italienischen Tradition, Mimosen am Weltfrauentag zu schenken, ihr politisch-historischer, feministischer Hintergrund genommen und ist erst in der oberflächlichen Form ohne spezifische Aussage, als bloße allgemeine Geste, akzeptabel und "nett".
Taten, nicht Blumen
Ich will Gesten nicht ihren Wert absprechen. Sie sind im besten Fall ein Versprechen, ein Vorhaben, ein Zeichen für etwas Größeres. Ganz besonders zum Weltfrauentag aber, der in sich selbst schon eine symbolische Geste ist, reichen mir bloß weitere gut gemeinte Gesten nicht. Ich will keine Blumen. Ich habe es nicht nötig, einen Tag im Jahr von Medien, Konzernen und Mitmenschen besondere Aufmerksamkeit zu bekommen, wenn das erst wieder meiner Objektivierung dient. Ich brauche keine anlassbezogene Kampagne, die ausschließlich Männer zeigt (dafuq?), für die Gewalt gegen Frauen gar. nicht. geht., weil es der eigenen PR guttut und sie gern ihren Beschützerinstinkt zur Schau stellen.
Was ich mir stattdessen wünsche, sind langfristige Verbesserungen, konkrete Projekte und nachhaltige Maßnahmen. Und zwar das ganze Jahr über. Wie wäre es beispielsweise mit der Herabsetzung der Umsatzsteuer von 20% auf Tampons und Binden, die nicht kosmetische Luxusartikel, sondern notwendige Güter des allmonatlichen Bedarfs eines großen Teils der Bevölkerung sind? Wann setzen Medizin und Pharma-Industrie flächendeckend Forschungsergebnisse zu gendergerechter Diagnose und Behandlung um, die vermeintliche Frauen-Wehwehchen und erhöhte Frauen-Mortalität bestimmter Erkrankungen ernst nimmt? Innovative Entwicklungen im Bereich Verhütung für Männer, was dauert da so lange? Und wo sind eigentlich die breit angelegten politischen und wirtschaftlichen Initiativen zur Verringerung des peinlich großen Gender Pay Gaps in Österreich?
Ja, in den letzten Jahrzehnten hat sich viel Grundlegendes verbessert. Wer aber glaubt, gegenwärtig wäre bereits alles ins Gleichgewicht gebracht, was jahrtausendealte patriarchale Machtstrukturen in Schieflagen versetzt haben, irrt gewaltig. Das Frauenwahlrecht gibt es noch keine 100 Jahre. Der rechtliche Rahmen gegen häusliche Gewalt, deren Opfer zum überwältigenden Teil Frauen sind, existiert erst seit 1997. Die Republik erwähnt ihre großen Töchter seit gerade einmal 2012 in der Bundeshymne. Ein unwillkommener und unangebrachter Po-Grapscher, ein einseitiger und objektifizierender Eingriff in die Intimsphäre, kann hierzulande gar erst seit einigen Monaten angezeigt werden. Dabei ist eine Gleichstellung auf juristischer und offizieller Ebene nur der erste Schritt hin zu mehr Gender Equality. Bis derartige Veränderungen auch im Bewusstsein und Weltbild einer breiten gesellschaftlichen Basis ankommen, dauert es erfahrungsgemäß eine Weile. Deswegen ist die Symbolik des Weltfrauentags nötig. Noch viel dringender braucht es weitere aktive Maßnahmen.
Astrid Exner ist Mitbegründerin des Musikblogs Walzerkönig. Sie twittert als @walzerkoenige auch zu den Themen Musikindustrie, Internet und Feminismus.