www.drawnandquarterly.com) Manchmal scheint es beinahe so, als ob der Geist des San Francisco, New York und Seattle der 60er und 70er Underground Comix Bewegung der USA ins kanadische Montreal und Toronto gewandert wäre. Wobei natürlich der Terminus „Underground Comix“ mit einer Prise Salz zu genießen ist, denn eine echte Grenze zwischen Mainstream und Underground gibt […]
www.drawnandquarterly.com) Manchmal scheint es beinahe so, als ob der Geist des San Francisco, New York und Seattle der 60er und 70er Underground Comix Bewegung der USA ins kanadische Montreal und Toronto gewandert wäre. Wobei natürlich der Terminus „Underground Comix“ mit einer Prise Salz zu genießen ist, denn eine echte Grenze zwischen Mainstream und Underground gibt es in dieser Form eigentlich nicht mehr. Eine der über den englischsprachigen Raum hinaus bekanntesten Vertreterinnen des „Neuen Underground“ ist Julie Doucet, eben aus Montreal. Mit ihrer selbst veröffentlichten Serie „Dirty Plotte“ (1987-1990) erlangte sie Kult-Status, die Weiterführung der Serie beim renommierten kanadischen Verlag Drawn & Quarterly bis 1999 – dem Jahr in dem Doucet Comic Books für eine Weile den Rücken wandte – verhalfen ihr zu einem breiteren Publikum. 1999 erschien auch ihr bekanntestes Werk, „My New York Diary“. Doucet, vielleicht von einer gewissen Frustration mit dem Medium Comic Book noch weiter angetrieben, ist hier am Höhepunkt ihrer ersten Schaffensphase zu sehen (in ihrer zweiten Phase erweiterte sie ihr traditionelles Comic Book Vokabular mit Grafiken, Drucken, Fotografien und vielem mehr). Eindeutig von den großen Namen der amerikanischen Underground Comics inspiriert, aber mit Kraft und Ausdruck, der ihr ureigenster ist und nachfolgende Künstler beeinflussen sollte, sammelt Doucet Vignetten aus ihrer Zeit in New York und bringt sie mit neurotischer Manie zu Papier. Ihre Zeichnungen scheinen ins Blatt geschnitzt zu sein, die kleinsten Schatten werden zu schwarzen Tiefen. Selbst in den (wenigen) heiteren Momenten scheint eine morbide Schwerfälligkeit über allem zu liegen. Sie verschwendet keinen Raum in ihren Panels, alles ist angefüllt mit Figuren und Text und etlichen Details, herumliegenden Büchern, weggeworfenes Papier, Haushaltsgeräten, Souvenirs, Schallplatten, Fotos und vielem mehr. Flächen gibt es nur wenige, Doucets New York beschwört klaustrophobische Zustände. Inmitten dieses visuellen Gerümpels jedoch steht die unkomplizierte Erzählweise der Autorin hervor. Kurze Einträge in ein Tagebuch, in denen sie sich an Vergangenes erinnert und Gegenwärtiges aufarbeitet. Der Kontrast zwischen chaotischem Bild und geordneter Erzählung trägt enorm dazu bei Doucets Gefühlswelt zu kommunizieren, unkommentierte Begebenheiten werden dadurch mit einem Subtext versehen, der „My New York Diary“ aus dem Sumpf der autobiographischen Comics erhebt. Kein Wunder, dass Drawn & Quarterly „My New York Diary“ immer wieder neu auflegt.