„Die Erziehungsberechtigten“, unterzeichneten die Spontihelden von Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“ ihre Grußbotschaften an saturierte Villen-Bewohner. Das war anscheinend weniger kokett gemeint, als man auf den ersten Moment glauben wollte: Politisches Handeln – das stellt die Fernsehutopie „Free Rainer“ klar – erfolgt bei Weingartner wirklich vor allem in Form von Erziehungsmaßnahmen. Zum Beispiel […]
„Die Erziehungsberechtigten“, unterzeichneten die Spontihelden von Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“ ihre Grußbotschaften an saturierte Villen-Bewohner. Das war anscheinend weniger kokett gemeint, als man auf den ersten Moment glauben wollte: Politisches Handeln – das stellt die Fernsehutopie „Free Rainer“ klar – erfolgt bei Weingartner wirklich vor allem in Form von Erziehungsmaßnahmen. Zum Beispiel das Fernsehen: Weil Leute ja eh nur Schrott schauen und dabei emotional und geistig versumpfen, heckt der bekehrte Ex-TV-Produzent Rainer (Bleibtreu) einen Plan aus: Die Quote gehört gefälscht, der Masse Bildungsfernsehen verordnet. Daran soll die verschüttete deutsche Leitkultur genesen. Wie schon „Die fetten Jahre sind vorbei“ trifft auch Weingartners aktueller Edutainment-Streich präzise ein diffus linkes Unbehagen am gesamtgesellschaftlichen Status quo. Dass die Menschen ihr „Unterschichten-Fernsehen“ nicht einfach verdient haben, sondern anerzogen kriegen, stimmt. Die autoritären Weltverbesserungsmaßnahmen, zu denen Weingartners Protagonisten greifen, setzen dem allerdings auch keine strukturelle Alternative entgegen. Die eingestandenen Selbstzweifel und das sichere Spiel mit Genre-Versatzstücken, die dem Vorgängerfilm über die Untiefen politischer Ratlosigkeit halfen, sucht man in „Free Rainer“ vergeblich. In diesem Fall stimmt der Deutschlehrer-Rat leider wirklich: Lest doch lieber ein gutes Buch!