Erzählungen sind nichts für Dilettanten: Jeder Satz muss sitzen, der Erzählfluss sollte stimmig und der Stil pointiert sein. Arno Geiger, Gewinner des Deutschen Buchpreises 2005, traut sich und überzeugt mit Geschichten, die zwischen Hirn und Herz hängen bleiben – manche geradewegs in der Kehle. Von Lukas, der in Berlin sein Glück versuchte und scheiterte. Am […]
Erzählungen sind nichts für Dilettanten: Jeder Satz muss sitzen, der Erzählfluss sollte stimmig und der Stil pointiert sein. Arno Geiger, Gewinner des Deutschen Buchpreises 2005, traut sich und überzeugt mit Geschichten, die zwischen Hirn und Herz hängen bleiben – manche geradewegs in der Kehle. Von Lukas, der in Berlin sein Glück versuchte und scheiterte. Am Abend vor seiner Heimreise kommt er bei einer Zufallsbekanntschaft unter. Als sie am nächsten Morgen nicht wach zu bekommen ist, öffnet er dem klingelnden Klempner und erzählt diesem vom perfekt zusammenphantasierten Leben mit der beinahe Unbekannten. Oder von einem Kontrollfreak, der seine Umgebung mit Anrufen im Minutentakt schier in den Wahnsinn treibt. Die Titelgeschichte handelt von Ella, die ihr Geld damit verdient, Männer im Auftrag ihrer eifersüchtigen Ehefrauen scheinbar zu verführen und dabei alles auf Tonband festhält. Ihre Tochter Anna ist für sie nur ein Störfaktor und wünscht sich sehnlich die Rückkehr ihrer „richtigen Mutter“. Zwölf Erzählungen, wenige über zwanzig Seiten lang, werden in die Kategorien „Tage“, „Jahre“ und „Leben“ unterteilt – sie handeln von Momentaufnahmen, verpassten Chancen und Lebenslügen. Auch wenn einige nur knapp über dem Durchschnitt liegen, sind echte Leckerbissen darunter. Der Autor überzeugt mit facettenreicher Erzähltechnik vom inneren Monolog bis zum fiktiven Gedächtnisprotokoll. Geigers Figuren sind Passanten ihres Daseins, leben an sich selbst vorbei und treffen sich gleichsam in diesen Geschichten. Sie sind keine Helden, sondern Zeitgenossen, die fast exemplarisch für ihre Zeit stehen: ohne großes Glück und finales Drama, als Protagonisten brüchiger Existenzen.