Unter Begleitung von Vergänglichkeit und Nostalgie – Lisa Hannigan löst sich von Lehrer Damien Rice und lässt Jazz, Pop und Folk rückstandslos ineinander übergehen.
Die einstmals sehr treffende und präzise Begrifflichkeit des Singer-Songwriters wurde mittlerweile von den Semi-Experten der Musikkritik im Laufe der Zeit – ähnlich, wie die nicht mehr ganz so vielsagende Genre-Bezeichnung des Indie – zu einer Art Universalbegriff degradiert, der zwar recht klug und wichtig klingen mag, weil englisch, aber trotzdem im Prinzip zurzeit jeden beliebigen Soloartist bezeichnet. Allerdings kommt man dennoch oft nicht um diese hübsch klingende Etikette herum, denn um die musikalische Tätigkeit einer Lisa Hannigan zu beschreiben, hilft auch der umfangreichste Thesaurus nicht über Singer-Songwriter hinweg.
Damien Rice kennen wir natürlich. Auch einer von diesen Singer-Songwritern, klar. Bis 2007 gab es ein Mädchen in seiner Band, welches als sein stimmliches Pendant die Hörer ebenfalls zum Schunkeln und Schluchzen verleitete, jedoch irgendwann erkannte, dass diese ungleich gewichtete Kollaboration ihrem musikalischen Elan nicht gerecht wurde. Lisa Hannigan löste sich schließlich von Meister Rice und veröffentlicht nun mit „Passenger“ bereits ihr zweites Soloalbum unter eigener Regie. Während ihre erste preisgekrönte LP „See Sew“ noch wie eine in Text und Melodien manifestierte Lehrlingsausbildung klingt, steht der Nachfolger selbstständig und selbstbewusst für sich allein. Leona Naess und Regina Spektor fallen einem sogleich spontan ein und auch Nuancen der großartigen Beth Gibbons lassen sich beispielsweise in „Safe Travels (Don’t Die)“ erhaschen. Auf das Stück „Knots“, welches ohne Zweifel den Protagonisten des Albums gibt, wäre sogar Über-Koryphäe PJ Harvey ein kleines bisschen stolz. „Passenger“ lässt sich musikalisch ohne Schwierigkeiten dort ansiedeln, wo die großen Genres des Pop, Folk und Jazz rückstandslos ineinander übergehen.
Das Album jedoch zeitlich zuzuordnen, ist schwer, denn es wird heute, wie vor dreißig Jahren über Passagiere und Reisen geschrieben und gesungen – seien es nun irdische Reisen durch Städte, Länder und die ganze Welt oder metaphorische Ausflüge in die transzendente Landschaft der menschlichen Emotionen. Eine Fusion dieser beiden Sphären lässt sich in seiner facettenreichen Gänze wohl nur musikalisch gebührend umsetzen. Hier gelingt das immer wieder.