Urban Explorer

Junges Touristen-Quartett sucht den Untergrund von Berlin auf und erhält eine grausame Lektion in deutscher Zeitgeschichte. Anspielungsreicher Horror aus der »Arm, aber sexy«-Hauptstadt Deutschlands mit Fortsetzungschance.

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Jetzt hat also auch Deutschland seinen vorläufigen Meister im Horror-Genrekino endlich gefunden. Was für Österreich Andreas Prochaska mit »In drei Tagen bist du tot« inklusive Fortsetzung geschaffen hat, erledigt für unser Nachbarland Andy Fetscher mit »Urban Explorer«, derzeit noch ohne Fortsetzung. Vier junge Berlin-Touristen buchen eine »Dark Side«-Tour durch die Keller, Gänge und Bunker, kurz durch die eher übel beleumundeten Beton-Gedärme Berlins. Flackerndes Licht, funktionslos gewordene Infrastruktur, zugemauerte Schächte, dann noch ein seltsamer Nazi-Raum mit pittoresk-bedrohlicher SS-Ästhetik: Fetscher hält den Zuseher überraschend lange – »The Descent« schimmert durch – in diesem brachliegenden unterirdischen Berlin ohne zusätzliche Dramaturgie auf. Erst als der Guide einen schweren Unfall mit offenem Knochenbruch erleidet, beginnt das erwartbare Martyrium der Gruppe. In der Figur des Armin – eine irre Mischung aus übriggebliebenem Grenzsoldaten und einem in die Jahre gekommenen John F. Rambo (man erinnert sich an dessen Afghanistan-Einsatz) – tritt ihnen der leibhaftige Wahnsinn entgegen. Mit allem, was man sich von einem Kanal-Hinterwäldler (à la »Turn Wrong«) so erwarten darf. In Erinnerung bleibt auch noch der logikfreie Abgang von zwei Akteurinnen inmitten des Films. Zusammengefasst: »Urban Explorer« hat sich einen ziemlich schweren Zitaten-Rucksack umgeschnallt, unter dem der Film wenn schon nicht zusammen bricht, dann doch überraschungsfrei seine Entwicklung nimmt. Das gilt nicht zuletzt auch für das Ende, als ein Überlebender – wer, wird freilich nicht verraten – in einem Kanal das Tageslicht schwer gezeichnet wieder sieht. Karl Liebknecht, schau runter!

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