Footwork hat mit Young Smoke ein neues Wunderkind hervorgebracht, das selbst notorische Sitzenbleiber begeistern könnte.
Das Frühjahr 2008 scheint ein recht ereignisloses Zeitfenster gewesen zu sein, zumindest für das österreichische Feuilleton. Wie hungrige Löwen, die seit Monaten nichts mehr zwischen die Zähne bekommen hatten, stürzten sich die Medien auf die (vermeintlich) neue Modeerscheinung: den Gabber bzw. die wienerische Ausgabe davon, den Krocha. Während man als Unbeteiligter den monatelangen medialen Hype weitgehend gut überstanden hat, bedeutete die mediale Häme für Gabber und Krocha selbst, dass sie sich fortan zumindest formell neu erfinden mussten. Je nach bevorzugtem Tanzstil bildeten sich also differenziertere Gruppierungen, wie Jumpstyler, Shuffler oder Hardstepper heraus. Die Gemeinsamkeit liegt weiterhin im Fokus auf die Füße. Nun wäre es aber doch gelacht, wenn Österreich einen Trend früher entdecken würde, als man das bereits anderswo auf dem Globus getan hätte. Und tatsächlich: Footwork nennt sich der Spaß in den USA, dessen Spuren man bis zu den frühen Anfängen des Chicago House in den 70er Jahren zurückverfolgen kann.
Krieg der Füße
Während besagte Tanzbeinschwinger hierzulande ihren Style in nahezu jeden Lebensbereich integrieren, sich also auch entsprechend kleiden und sogar ihre Sprache (fix) anpassen (Oida!), beschränkt sich der Footwork-Trend im Wesentlichen auf die Austragung von Tanzbattles. Im Unterschied zum musikalisch auf Schranz- und Hardstyle-Techno basierenden österreichischen gabbern bzw. krochen, hat sich in den letzten Jahren außerdem eine eigene Musikrichtung entwickelt, zu der man seine feet workt. Planet Mu hat diesen, zwischen Dubstep, Grime/HipHop und Juke House pendelnden Sound, geradezu gepachtet und released jetzt mit "Space Zone" das Debüt-Album eines vielversprechenden jungen Talents der Chicagoer Footwork-Szene. Young Smoke nennt sich das Wunderkind und ist gerade mal 18 Jahre jung.
Ohne entsprechendes Vorwissen, sprich ohne sich zuvor einige der einschlägigen Youtube-Videos zu Gemüte geführt zu haben, klingt Footwork-Musik verhältnismäßig zum Footwork-Tanzstil eigentlich ganz harmlos. Auch David Davis aka Young Smoke legt sein neues Album eher minimalistisch an und verfolgt dabei das Konzept der Abstraktion von Space-Melodien – was auch immer man sich darunter vorstellen möchte. Die erste Assoziation, die einem dabei durch den Kopf geht, ist wohl eine Mischung aus Dancehall, HipHop und der Hintergrundmusik eines 80er Jahre Computerspiels; vorausgesetzt man befindet sich nicht gerade in einem jener Footwork-Battles, für welche diese Musik vordergründig gemacht ist.
Horizonterweiterung für Zartbesaitete
Manche Tracks verfolgen mit ihrem latent aggressiv bis düsterem Unterton offensichtlich den Zweck, die Teilnehmer für solche Competitions aufzuheizen. Das erklärt dann auch Tracks wie "Warning", welcher eigentlich ausschließlich aus ebensolchen "Warning"-Rufen in Endlosschleife besteht, begleitet von Geräuschen, als setzte sich eine Maschine schwerfällig in Bewegung. Gekennzeichnet durch allgegenwärtige Clap-Salven, klingen die meisten anderen Songs aber mehr nach einem Aufziehäffchen auf Speed, das sich in einem U-Boot (siehe Amaturengeräusche) verlaufen hat. Nervöse 160 bpm Rythmen, elektrisches Geblubber und bis zur Unkenntlichkeit zerhackte Rap-Vocals fügen sich aber erstaunlicherweise zu einem wirklich stimmigen Gesamtkonzept zusammen. Somit dürfte "Space Zone" sogar für Zartbesaitete und notorische Sitzenbleiber zumindest interessant, wenn nicht gar Horizont erweiternd sein. Im Unterschied zur heimischen Tanzfüßler-Szene braucht man nämlich keine Angst davor zu haben, sich durch ein Bekenntnis zu diesem Trend bald verpflichtet zu fühlen, seinen Voki unter neonfarbenen Kapperln verstecken zu müssen.