Es gibt nichts mehr zu beweisen. Die Deftones sind die Guten unter den Überlebenden der Nu Metal-Blase. Mit dem siebten Studioalbum bewähren sie sich als Kategorie für sich.
Die Deftones sind unter den wenigen Nu Metal-Bands, die bis heute musikalisch relevant sind und unter den Kritikern Anerkennung finden – im Gegensatz zu anderen, die entweder in den Middle-of-the-Road-Rock abgewandert sind (Linkin Park), als Parodie ihrer selbst zurückkehren (Limp Bizkit – als wären inzwischen keine zwölf Jahre vergangen) oder – um dem Ganzen wenigstens ein bisschen Neues hinzuzufügen – mit Skrillex und Konsorten zusammenarbeiten (Korn). Das mag daran liegen, dass sie von Anfang an mit diesen Bands in einen Topf geworfen wurden, ohne dass ihre Musik wirklich der Genre-Formel Metal + Hip Hop entsprach. Einzig die alternative Version von „Pink Maggit“, „Back To School“, mit der sie 2001 dem kommerziellen Druck der Plattenfirma nachgaben, passte in dieses Schema.
Auch auf „Koi No Yokan“ (japanisch für „Vorahnung der Liebe“) bleiben sie bei ihrem Labyrinth aus massiven Riff-Wänden, durch die sich Chino Morenos Gesang windet – keifend, kreischend, keuchend. Ein paar 808-Handclaps auf „Poltergeist“, mehr Zugeständnisse an die aktuelle Musikmode gibt es nicht. Dem Zeitgeist entsprechend hätte man mit deutlich mehr Einsatz synthetischer Sounds rechnen können, wie sie beispielsweise auf dem 2000er-Album „White Pony“ zu hören sind. Die Kalifornier bleiben jedoch beim Kern ihres Sounds, dem Kontrast von harten, schweren Metal-Gitarren und Chino Morenos zwischen schreiender Verzweiflung und zarter Verletztlichkeit taumelnder Stimme. Nicht nur Unterschiede zwischen Songs oder einzelnen Parts schicken den Hörer durch ein Wechselbad der Gefühle und Stimmungen. Sphärische Melancholie und heftige Aggression stürzen auch gleichzeitig auf ihn ein.
Leider kann das Niveau des Openers „Swerve City“ nicht über das ganze Album gehalten werden. Von Riffs und Gesangslinien gibt es oft den Typ Standardausfertigung zu hören, mit der schon in den 90ern und frühen 2000ern viele Bands auf Nummer sicher in die Charts gefahren sind. Immerhin stammen viele Blaupausen dazu aus der eigenen Band-Geschichte und so gibt es auf „Koi No Yokan“ solide Deftones-Brecher wie „Leathers“ zu hören. Daran stößt sich keiner, es bringt aber auch niemanden an den Rand dieses Abgrunds, der sich in einigen ihrer Songs auftut. Ein Abgrund, der mit unbekannten, dunklen Tiefen droht – und lockt zugleich. Aber auch einen verschwommenen – vielleicht trügerischen – Blick in befreiende Weiten erlaubt.
„Koi No Yokan“ kann vereinzelt mit solch typischen Spannungsmomenten aufwarten („Rosemary“, „Gauze“). Eine eigentümliche Gesamt-Atmosphäre wie auf „White Pony“ oder ihrem letzten Studioalbum „Diamond Eyes“ bleibt allerdings aus. Damit ist aber auch klar: es handelt sich hier um Kritik auf hohem Niveau.