„Politiker lügen“, sagt dieses Buch und zeigt wie sie das mit Worthülsen und Sprachlügen verschleiern. Dem Buch hätte es gut getan, etwas mehr im Unklaren zu lassen.
Wie viel man mit Sprache verschleiern kann und wie entlarvend Worte gleichzeitig sein können, wird in diesem buch an Beispielen aus dem Politik-Kontext herausgearbeitet. Dabei hangeln sich der Journalist Kai Biermann und der Linguist Martin Haase von „thermischer Abfallbehandlung“ bis zu „parlamentarischen Zwängen“. Auf neusprech.org sammeln die beiden Autoren seit drei Jahren die getarnten und tarnenden Stilblüten im politischen Diskurs, die wie die genannten Beispiele mal deutlicher, mal weniger deutlich als solche zu erkennen sind. Unterfüttert mit etymologischem Wissen, historischem Kontext und aktuellen Beispielen öffnet das Buch die Augen für die Macht der Sprache.
Im Nachwort widmet sich das Buch grammatikalischen Mechanismen, die sich leicht auf andere Bereiche übertragen lassen. Darunter das inkludierende „wir“, das verallgemeinernde „man“ oder die Verstärkung durch Übertreibung – Ein Stilmittel, das übrigens schnell in die gegenteilige Wirkung umschlagen kann. Das hätten sich auch die Autoren stärker zu Herzen nehmen sollen, denn wo ein Überblick über verschiedene Strategien der „Sprachlügner“ ins Nachwort gebannt wurde, ermüdet die Abarbeitung an einzelnen Vokabeln auf Dauer. Häufige Wiederholungen langweilen und lassen das Buch stellenweise wie ein politisches Manifest wirken. Denn auch inhaltlich wird immer wieder in die selben Kerben geschlagen.
Martin Haase sei bekennender Pirat, steht im Klappentext. Diese Info hätte es gar nicht gebraucht. Der politische Standpunkt zu Themen wie Urheberrecht, Datenschutz, Atomausstieg etc. ist deutlich erkennbar. Dabei ist das Problem gar nicht, dass hier überhaupt eine politische Meinung kommuniziert wird, sondern auf welche Art und Weise es passiert. Das Schlachtfeld Politik ist extrem fruchtbar für linguistische Verschwurbelungen und angesichts der dabei an den Tag gelegten Dreistigkeit kann man sich schon mal in Rage schreiben. Oftmals ist es nur ein Quäntchen zu viel Schwarz-Weiß-Malerei, die schwarz auf weiß dann plump wirkt. Der Sarkasmus darin zündet nicht immer. Zur Oberlehrerhaftigkeit wird er – falls überhaupt als solcher intendiert – , wenn Erklärungen und Meinungen überausführlich dargelegt werden. Ja, das war eine Hyperbel. Wer bei seinen Lesern voraussetzt, dass sie mit linguistischen Fachausdrücken etwas anfangen können, der muss ihnen auch eine eigene Meinung zutrauen.