Inmitten tiefwinterlicher Wildnis, nahe der kanadischen Grenze, versucht ein kriminelles Geschwisterpaar dorthin zu flüchten. Stefan Ruzowitzkys in Western-Manier inszenierter Krimi dekliniert das Harte-Jungs-Genre gekonnt und schlüssig durch.
Schnee, Eiseskälte, beißender Wind und mitten drin eine handvoll bewaffneter Erwachsener, die sich klar werden müssen, wie man mit dem Thema Familie klarkommt. Stefan Ruzowitzkys erster wirklicher Spielfilm nach dem »Fälscher«-Hype-Oscar in den USA ist vordergründig eine Verbeugung vor »dem« Mythos dieses Film-Kontinents, dem Western. Für den Kern schleust der Regisseur hingegen Europäisches ein, hier das klassische Familiendrama, dessen Höhepunkt in einem nur mehr pittoresk zu nennenden Thanksgiving Dinner inklusive Schusswechsel mündet. Bis zum Dankesgebet ist es, wie überall, ein langer Weg und dieser startet mit einem kriminellen Geschwisterpaar, nach einem Casino-Raubzug auf der Flucht. In den Wäldern nahe der kanadischen Grenze geht es zuerst mit dem Auto, dann zu Fuß, dann mit Motorschlitten durch die Wildnis. »Cold Blood« schöpft aus dem Vollen der Harte-Jungs-Dramaturgie. Obwohl der Film einen großen Bogen um Humor und Ironie macht, Sprengsel davon lassen sich dennoch finden: etwa, wenn der große Bruder (Eric Bana) einen Trapper tötet und dessen Old Shatterhand-Fransenleder-Jacke anzieht, jedoch die meist Zeit auf Handschuhe und Mütze vergisst – was angesichts der Dauerkälte irrwitzig erscheint –, dann kann man das auch humorvoll sehen. Oder die Rolle der Polizei, die klamaukhaft immer zum falschen Zeitpunkt auftaucht und die falschen Taten setzt, oder – letztes Beispiel – wenn der Trapper-Mörder wie auch eine zweite Hauptfigur (Charlie Hunnam), Ex-Sträfling und Ex-Boxer-Hoffnung, immer wieder meinen, sie müssten »nur ein wenig nachdenken«, dann würde alles besser laufen. Trifft aber nicht zu, denn Ruzowitzkys ausgelegte Jagdschlinge zieht sich von der ersten Minute um die Protagonisten zu. Echtes Entkommen ist keine Alternative, Plan-B-Spiele sieht das Drehbuch von Zach Dean nicht vor. Und so kommt es dann auch, wie es kommen muss: Nach tranchierten Truthahn und Nachspeise finden sämtliche Fäden – als da etwa wären: Ex-Boxer ist zugleich verstoßener Sohn, der mit kleiner Schwester des Trapper-Mörders (Olivia Wilde) zu Hause hoffnungsvoll auftaucht, wo bereits die übergangene Tochter des Sheriffs am Tisch der Familie wartet – zueinander, freilich alles verschlungen und verknotet, sodass es des großen Showdowns bedarf, damit wieder Klarheit einkehrt. Und sich zuletzt auch die Polizei wieder einigermaßen auskennt.