Dreckspsyche – Der junge Wolf kehrt mit seinem zweiten Album ins Odd Future-Rudel zurück und bringt aus der Verbannung tiefe Einblicke in seine Seele mit.
Ob Sorgenkind Earl in der Besserungsanstalt Tischmanieren gelernt hat, wissen wir nicht; der Rap-Knigge sitzt aber jedenfalls. Drei Jahre ist es her, dass der Wolf Gang-Sproß sich mit seiner ersten Release „Earl“ in die Herzen der Fans und Kritiker gebinnenreimt hat. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes wird nun auch musikalisch von einem grundsoliden und eindringlichen zweiten Album begleitet.
Die heterogenen Beats von unterschiedlichsten Produzenten wie Pharrell oder Samiyam, halten sich fast respektvoll hinter dem unglaublichen Textschwall, der Earl scheinbar spielerisch leicht von den Lippen kommt, zurück. Nur „Hive“ vermag es den Kopf energischer mitnicken zu lassen. Der bedrohliche Beat erobert sich einen gleichberechtigten Platz neben den Rhymes von Earl und den beiden großartigen Gästen Vince Staples und Casey Veggies. Tanzen wird man zu „Doris“ aber jedenfalls nicht. Earl malt die Metaphern mit einer dunkleren Farbpalette als sein Geistesbruder Tyler, dessen Album „Wolf“, im April dieses Jahres erschien. Themen wie das Verhältnis zur Famile oder der Druck im Musikbusiness, die sich auf beiden Werken finden, behandelt Earl differenzierter, ernsthafter und authentischer. Während er sich auf seinem Debüt noch den Schmutz und die Kotze von der Kleidung abwischen musste („Get up off the pavement, wipe the dirt and vomit off“), ist es auf „Doris“ nun seine Psyche, die er vom Dreck befreien muss („Get up off the pavement brush the dirt up off my psyche“).
In die lässt er uns auf großartigen Tracks wie „Sunday“ (ft. Frank Ocean) oder „Chum“ schauen. „Hoarse“ erreicht durch die Instrumentierung von BBNG und Earls beruhigend monotone Reime eine Art von Tiefgang, die in Trance zu versetzen vermag, während RZAs Hook „I fuck the freckles of your face, bitch“ auf „Molasses“ und Tylers Gastverse auf „Sasquatch“ auch kurze Spaßmomente ins Album einziehen lassen. Kein Track auf „Doris“ ist merklich schlechter als die anderen, durchgehend wird das hohe Niveau gehalten. Dennoch darf man sich für die Zukunft mehr Raum für die Beats und einen konzeptionelleren, homogeneren Zugang wünschen. Wie nun Earl mit dem seinem verdienten Erfolg umgehen wird, werden wir auf seinem nächsten Album, dessen Name „Gnossos“ schon feststeht, hören.