Die Hi-Fi-Plattenspieler von Pro-Ject: Nostalgie-Design für neue Märkte
Moderne Hi-Fi-Plattenspieler bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen Vintage-Produkt und Märkten für die Zukunft. Der Weltmarktführer aus Wien, Pro-Ject, macht das besonders gut.
von Dominik OswaldWahrhaftigkeit. Authentizität. Begriffe, die, obwohl in Pathos ertränkt, stellvertretend für eine Nische stehen, die keine mehr sein will, keine mehr sein darf. Vinyl, analoges Musikhören. Ein Unterfangen, das im Austausch mit anderen nicht selten eine gewisse Hybris mit sich bringt. In den audiophilen Auskennerkreisen sowieso, da geht es um die seltenste 7“, um Promo-Pressungen längst in Vergessenheit geratener Labels, um fachkundige Bewertungen von Fair bis Mint. Aber Vinyl erreicht schon längst nicht mehr nur die Jäger und Sammler auf frühmorgendlichen Flohmärkten, Vinyl hat den Mainstream erreicht. Das Nostalgie-Produkt Vinyl, einst der zunehmenden Bequemlichkeit durch CD, MP3 und Streaming zum Opfer gefallen, zieht einstige Abkömmlinge und neue Käuferschichten an.
Ein Blick auf die Verkaufszahlen von Schallplatten aus schwarzem Gold untermauert die subjektive Wahrnehmung: 2016 wurden in Großbritannien um 53% mehr Platten als noch im Vorjahr verkauft, insgesamt 3,2 Mio. LPs – der Markt für Singles ist klein wie immer – wurden abgesetzt, der höchste Wert seit über 25 Jahren. Zum Vergleich: 2007 waren es noch 200.000. In Deutschland waren es 2015 2,1 Mio. große schwarze Scheiben, vor zehn Jahren nur 300.000.
Vinyl bleibt eine Nische, bedeutet nur Umsätze im mittleren einstelligen Prozent-Bereich bei Musikverkäufen. Aber: Es ist der einzige physische oder digitale Tonträger, der stets steigende Zahlen verzeichnet. Das Nostalgie-Produkt Vinyl behauptet sich. Und mit ihm sein unabdingbarer Partner: Der Plattenspieler.
Pro-Ject: Von Margareten in die Welt
Ein Unternehmen aus dem fünften Wiener Gemeindebezirk ist der größte Player, wenn es um Abspielgeräte für Vinyl-Scheiben geht. Pro-Ject. 1991 gegründet – just in dem Jahr, in dem es zuletzt so viele Vinyl-Käufe wie heute gab –, als eine vor dem Konkurs stehende tschechische Fabrik übernommen wurde, ist Pro-Ject heute Weltmarktführer bei Hi-Fi-Stereo-Plattenspielern. Das Modell »Debut« wurde 600.000 Mal auf der Welt verkauft, es ist eines der meistverkauften Hi-Fi-Geräte überhaupt. »Den speziellen Erfolg von Pro-Ject macht die Einfachheit aus«, erklärt CEO Heinz Lichtenegger. »Die Plattenspieler sind schlicht, sehen gut aus, sind technisch richtig und haben einen irren Klang für das Geld.« Zwischen 200 und 10.000 Euro kosten sie. »Wir waren zwar am Anfang klein, aber es gibt immer mehr Fans, die unsere Produkte und auch die Philosophie dahinter lieben.« Die Philosophie hinter dem mittlerweile 600-Mitarbeiter-Unternehmen ist klar erkennbar: kein unnötiger Schnickschnack, im Marketingsprech heißt das dann »No-Nonsense-Product«. Der Klang steht im Vordergrund. Die unterschiedlichen Zielgruppen danken es: Einsteiger, Mittelklasse, Hi-End-Audiophile.
Pro-Ject sieht sich als Vorreiter der Vinyl-Comebacks, war schnell in den Märkten, die boomten. Zuerst in England, in Mitteleuropa und Skandinavien, dann, vor 4 bis 5 Jahren auch in den USA. Der Hund liegt im Preis: Teure Plattenspieler gab es zwar zuhauf, für den klassischen Technics 1210 – »zu besichtigen in Ihrer Lieblings-Diskothek« – zahlt man das dreifache. Billige chinesische Plattenspieler, wie sie auch Discounter anbieten, gab es bis vor wenigen Jahren kaum und erfüllen auch heute keine Ansprüche. Der Trick lag für Pro-Ject aber auch am Vertrieb: »Wir sind nicht über die Hi-End-Geschäfte gegangen, wir haben Großvertriebsformen genutzt wie Media Markt oder Best Buy in den USA«, wie Lichtenegger erzählt. Nach den Verkaufszahlen der Pro-Ject-Plattenspieler stockten die Elektrohandelsriesen auch immer weiter ihr Vinyl-Angebot auf, die unabhängigen Recordstores leiden heute noch. Doch nicht nur die Vertriebskanäle empfangen Pro-Ject mit offenen Armen, auch immer mehr Künstler melden sich, wollen kooperieren, ihren eigenen Plattenspieler designen. Parov Stelar, immerhin Österreichs international erfolgreichster Musiker, war der erste, aber auch mit dem hoch vinylophilen Third Man Records von Jack White wird kooperiert, ebenso mit Wilco und seit Dezember auch mit The Beatles: das Modell »The Beatles 1964« wird ab 1. März im österreichischen Handel erhältlich sein. Auch mit den Wiener Philharmonikern – immerhin ist man ja für alle Zielgruppen da – soll es 2017 eine Kooperation geben. Für das Image ist das Gold wert, viele Leute entscheiden sich dadurch, einen Plattenspieler zu kaufen und Pro-Ject wird weiter zur Weltmarke.
Vintage Design
Man ist bestrebt, moderne Plattenspieler herzustellen, mit verschiedenen innovativen Bauweisen. Aber man ist sich auch bewusst, dass ein Plattenspieler eigentlich ein Vintage-Produkt ist, der auch aus der Zeit gefallene Design-Ansprüche erfüllen kann. Die Verkaufszahlen der hübschen Retro-Boxen aus Plastik vom Discounter sind nur der letzte Beweis dafür. Beim Designen der Dreher muss das durchaus beachtet werden, erzählt der CEO: »Man kann das technische Design eines Plattenspielers quasi nicht mehr neu erfinden, es wurde bereits alles erfunden. Vom optischen Design ist es allerdings so, dass wir ganz bewusst gewisse Plattenspieler sehr retro designen, auch stark angelehnt an die Topmodelle der 1960er Jahre, etwa von Thorens oder Ariston. Es trifft viele Leute total ins Herz, weil ihr Traumplattenspieler plötzlich nur mehr für einen Bruchteil des Originals erhältlich ist«. Es ist ein alter Kniff, aber ein wirkungsvoller. Mit Vorliebe bedienen sich vor allem Autobauer daran: VW Beetle, Fiat 500, Chevrolet Camaro, Mini Cooper, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Auch Möbel- und Shopgestalter, Schreiber von Speisekarten und Fashion-Designer. Irgendwann kommt alles wieder. Vor allem Kunden, die den klassischen Retro-Plattenspieler möchten. Sie vermitteln noch mehr das ersehnte Gefühl von wahrhaftig Analogem.
Und die Absätzmärkte werden weiter steigen. Zu ihren Hochzeiten verzeichnete die CD über 80% des gesamten Umsatzes mit Tonträgern, utopisch für Vinyl. »Es gibt Forschungen, die davon sprechen, dass 20% des Erlöses in naher Zukunft analog sein werden, aktuell sind wir bei 6-7%, da geht noch doppelt bis dreifach etwas«, ist Lichtenegger zuversichtlich.
Dem Digitalen ausgeliefert
Und die Kunden gehen nicht aus, auch wenn die Liebhaber aus den 1960er Jahren verschwinden. Denn, wie der kanadische Wirtschafts- und Kulturjournalist David Sax in seinem Ende 2016 erschienen Buch »The Revenge of Analogue: Real Things and Why They Matter« ausführt, sind es vor allem die Jüngsten, die wieder verstärkt auf analoge Muster und Produkte zurückgreifen: »Je jünger die Leute sind, je mehr ihre Generation dem Digitalen ausgeliefert war, desto weniger fühlen sie sich zur digitalen Technologie hingezogen und desto wachsamer sind sie ihrer Auswirkungen gegenüber.« Nicht umsonst werden bei Pro-Ject vor allem im fernöstlichen Raum, in Japan, in Korea die nächsten großen Umsätze erwartet.
Bei all der Vinylophilie ist es aber auch beruhigend, wenn David Sax weiter meint: »Wir haben nicht die Wahl zwischen digital und analog. Diese Dualität ist eigentlich die Sprache des Digitalen: ein falscher binärer Code zwischen 1 und 0, schwarz und weiß, Samsung und Apple. Die echte Welt ist nicht schwarz oder weiß. Sie ist nicht einmal grau.«
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Wer mehr über Vinyl und Plattenspieler erfahren möchte, sollte das von 3. bis 5. März in der Ottakringer Brauerei stattfindende Vinyl & Music Festival, das zahlreiche Workshops anbietet, besuchen. Weitere Hi-Fi-Bausteine aus Österreich findet ihr hier.