Während ihres Filmstudiums macht sich Lisa Weber auf die Reise mit ihren Großeltern und kommt so nicht nur ans Nordkap, sondern dokumentiert ein Stück Familienbegegnung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Das Ergebnis ist ein sehenswertes Langfilmdebüt.
Jeder von uns hat in seinem Leben schon einmal etwas ausgesessen und am Ende trotz Mühsal und Zweifeln daraus schöpfen können. Genauso ist es Lisa Weber, Studentin an der Filmakademie Wien bei Michael Haneke und Wolfgang Murnberger, ergangen. Mit den ersten Kurzfilmen wie "Kommt ein Sonnenstrahl in die Tiefkühlabteilung und weicht alles auf" (2010), "Die und der von da und dort", "Twinni oder so" (2012) definiert sich stetig ihre dokumentarisch-beobachtende Arbeitsweise und die Offenheit, der ursprünglichen Idee beim Dreh Spielraum für selbständige Entfaltung zu lassen. Für ihren ersten Langfilm hat sie sich nun auf eine Autoreise mit ihren Großeltern (und ihrem Bruder Lukas) an’s Nordkap gemacht.
Um das Nordkap geht es eigentlich nicht
Mit der Kamera begleitet sie ein Paar, dass sie schon ewig zu kennen meint doch eigentlich kaum etwas von ihm weiß. Um das Nordkap geht es eigentlich nicht – die Großmutter möchte wegfahren, der Großvater fährt gern Auto und Lisa Weber möchte die beiden erleben. Die ewige Schlagerbeschallung während der Fahrt, die Anpassung an den Rhythmus und die Gepflogenheiten der Großeltern sowie die Frage nach dem Funktionieren dieser Beziehung zweier Menschen im gemeinsamen 48. Jahr, stellen dabei plötzliche Herausforderungen dar, mit denen man nicht unbedingt gerechnet aber nun eben konfrontiert wird. Und dabei gerät man nicht nur an das äußere, tatsächliche, sondern auch an sein eigenes inneres Nordkap.
Im Interview erzählt Lisa Weber, wie es zu dem Film kam, wie ihre Beziehung zu ihren Großeltern ist und was diese von "Sitzfleisch" halten.
Wie kam es zu dem Film?
Mein Opa wollte eine möglichst lange Reise mit dem Auto machen, weil er einfach gerne Auto fährt. Der ÖAMTC hat meinen Großeltern dann die Route ans Nordkap vorgeschlagen und in Folge die ganze Reise für sie geplant. Ich fand das sehr skurril, weil meine Großeltern normalerweise Urlaub am Meer machen, in All-inclusive Clubs. Ich wollte also sehen, was passiert, wenn sie zwei Wochen lang mit dem Auto unterwegs sind. Wir sind jeden Tag circa 5-6 Stunden gefahren, waren jeden Tag in einem neuen Hotel.
War das dein erster Urlaub mit deinen Großeltern?
Mein Bruder und ich waren schon einmal mit ihnen auf Urlaub. Im Magic-Life-Club in Griechenland. Damals war ich 13, und mein Bruder 10. Mein Opa hat danach gesagt, dass er uns nicht mehr auf Urlaub mitnehmen wird. Ich versteh’s eh. Ich war anstrengend und wurde von Tag zu Tag grantiger auf mich selbst, weil ich mich nicht allein in die Minidisco getraut hab, und keiner hat gewusst, was mit mir los is.
Und warst du das erste Mal in der Gegend unterwegs?
Ich war das erste Mal in Schweden, Norwegen, Finnland, aber egal, wo wir waren, es hat sich immer wie zu Hause angefühlt. Wir waren ja die meiste Zeit im Auto, gut abgeschirmt von allem, was draußen so vorbei gezogen ist. Dass wir nicht viele Abstecher von der Route gemacht haben, ist halt dann doch meinem Bruder und mir zuzuschreiben. Opa wär eh offen dafür gewesen: "Wonn ma um sieme (sieben) in da Fruah weg fohrn, kemma si wos oschaun". Das haben wir halt nie geschafft. Ich bin immer erst irgendwann in der Nacht schlafen gegangen, weil ich noch die Daten von den Speicherkarten auf Festplatten kopiert hab, teilweise das Gefilmte schon angeschaut habe. Und ich hatte das Bedürfnis Freunden E-Mails zu schreiben, mit meinem Bruder mal allein zu reden, Scheiße im Fernsehen anzuschauen usw.
Du bist zwar die meiste Zeit nur im Off, aber durch dein Lachen und dein Sprechen sehr präsent. Wie weit ist "Sitzfleisch" auch ein Film über dich – auch als Filmemacherin?
Fuh, schwer zu sagen. Dass ich keine Scheu habe, auch als Filmende zu lachen und mit zu reden, ist einerseits dadurch bedingt, dass mir meine Großeltern keine Wahl gelassen und mich – ob mit oder ohne Kamera vor dem Gesicht – gleich behandelt haben. Andererseits hab ich mich da auch bewusst nicht zurück gehalten. Ich mag Filme, die nicht so tun, als wären sie ein objektives Stück Realität, sondern in denen man die subjektive Sicht eines Filmemachers auf die Welt spürt. Ich zeige ja auch, wie meine Großeltern auf die Kamera und das Tonequipment reagieren, das war mir wichtig, das fühlt sich für mich am Ehrlichsten an, auf diese Art und Weise seine Arbeitsmethoden offen zu legen.
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