Während ihres Filmstudiums macht sich Lisa Weber auf die Reise mit ihren Großeltern und kommt so nicht nur ans Nordkap, sondern dokumentiert ein Stück Familienbegegnung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Das Ergebnis ist ein sehenswertes Langfilmdebüt.
Waren die Aufnahmen abseits deiner Großeltern – die Landschaft, die anderen Touristen – eine Art Ausgleich für dich, so wie Lukas‘ Klimmzüge zwischen den langen Fahrten?
Ich habe einfach alles gefilmt, was mir gefallen hat. Wären wir weniger Auto gefahren oder hätten wir mehr Pausen eingelegt, wäre das ganze vielleicht mehr ein Film über Tourismus. Dadurch, dass wir aber die meiste Zeit auf engstem Raum im Auto verbracht haben, hat es sich dahin entwickelt, dass mein Bruder und ich uns Gedanken über die beiden und uns selbst gemacht haben, und deshalb kam es auch dazu, dass wir ihnen direkt Fragen wie "Wie hältst du den Opa aus?" gestellt haben. Dazu wäre es zu Hause wahrscheinlich nie gekommen.
Wenn wir solche Fragen stellen, prallen Maßstäbe und Wertvorstellungen von jungen Hupfern auf die von Personen, die seit 47 Jahren zusammen sind. Ich würde mir niemals das Recht herausnehmen, über die Beziehung meiner Großeltern zu urteilen. Wir haben nicht gedacht, oder gehofft, dass unsere naiven Fragen etwas verändern würden. Wir können uns einfach wirklich nicht vorstellen, wie es ist, so viele Jahre zusammen zu sein. Sie haben ihre eigene Art miteinander zu kommunizieren, und ja, sie halten sich aus, und das finde ich eigentlich sehr schön.
Deine Großeltern wirken von Beginn an sehr authentisch. Gab es Situationen, wo du das Gefühl hattest, da hätten sie eigentlich anders agiert und haben sich vor der Kamera "gespielt"?
Nein. Und wenn sie sich vor der Kamera verstellt hätten, dann hätte ich sie abgedreht. Mein Opa weiß seinen spröden Charme sehr gut einzusetzen, finde ich. Wenn er mich fragt, warum ich ihn statt der Landschaft filme, grinst er dabei verschmitzt, weil er die Antwort eh schon kennt: ich find ihn einfach interessanter als die Landschaft.
Was sagen deine Großeltern zu dem Film, außer dass deine Großmutter darüber sagt, dass es ja weniger ein Reisefilm als ein Beziehungsfilm sei?
Opa weist mich immer wieder darauf hin, dass zu wenig Landschaftsaufnahmen im Film sind, und kritisiert, dass nur Sachen angesprochen werden, die Lukas & mich beschäftigt haben. Er hätte gerne, dass "olle seng, wos i eigentlich mit eich mitgmocht hob." – "Wasn, Opa?" – "Na, wonn’s ned aufgstondn seid’s in da Fruah, und ma erst z’Mittog wegforhn hom kenna."
Und er hatte Angst, dass die Oma "besser wegkommt" als er. Umso schöner war es, dass der Film bei der Diagonale, wo Oma und Opa auch anwesend waren, sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Dort habe ich dann auch nochmal betont, dass es mir sehr wichtig war, keine/n von beiden als "die/den Guten" und die/den Schlechte/n" darzustellen. Ich war sehr erleichtert, als er mir daraufhin einfach ein Bussi aufgedrückt hat. Bei der Vorstellung vor Publikum haben sie den Film auch zum ersten Mal als Film gesehen, und sich selbst mehr als Figuren wahrnehmen können. Das war schön, sie haben einfach mitgefühlt, gelacht, gestaunt und sich einmal sogar an den Händen genommen.
Wie weit hast du sie und Lukas nach dem Dreh noch in die Postproduktion eingebunden?
Gar nicht. Aber es war mir natürlich sehr wichtig, dass sie den fertigen Film vor irgendwem anderen sehen, und ihr OK geben.
Welche Nachwirkungen hat die Reise für dich und Lukas? Sind die Schlager noch Ohrwürmer?
Haha, Ohrwürmer, na, die sind weg. Und ansonsten auch keine Nachwirkungen. Oma und Opa haben mittlerweile nochmal eine lange Autoreise gemacht, zum Donaudelta. Aber keiner hat damals gefragt, ob wir mitkommen wollen. Passt eh.
Für wen ist der Film?
Ich glaub, der Film ist für alle, die sich drauf einlassen, die selbst gern beobachten. Es ist kein Film, der dir vorschreibt, was du zu denken hast. Das schließe ich auch aus den unterschiedlichen Reaktionen, die wir bekommen haben. Es ist ur interessant, was manchen Menschen vom Film hängen bleibt, was sie gar nicht wahrnehmen, und dass das bei allen so unterschiedlich ist. Das mag ich. Und es ist ein gutes Zeichen für mich, dass der Film in seiner Struktur offen genug ist, um viele Assoziationen zuzulassen. Im Persönlichen liegt das, was dann doch wieder universell ist.
Was denkst du: wie wird es für dich weitergehen?
Ich werd versuchen, die Filme zu machen, die ich möchte, und wenn mir keiner Geld dafür geben will, arbeite ich wieder beim Ströck. Und mache die Filme ohne Geld. Solang mich das glücklich macht.
"Sitzfleisch" feiert am 17.12 seine Premiere im Filmcasino. Ab 19. 12 kommt der Film in die österreichischen Kinos.