Kann man einen Artikel über Dirk von Lowtzow verfassen ohne auf dem Umstand hinzuweisen, dass er Sänger und Gitarrist bei Tocotronic ist? Wenn ja, ist es hiermit zu spät.
Aktuell widmet sich der Wahl-Berliner jedenfalls wieder seinem zweiten musikalischen Standbein, nämlich Phantom/Ghost, jene Formation, die er mit Thies Mynther nun auch schon seit einigen Jahren betreibt und bisher vier Alben veröffentlichte. Der vielleicht bekannteste Song „Relax (It’s Only A Ghost)“ verdeutlicht auf schaurig-schöne Art und Weise das musikalische Phänomen Phantom/Ghost: Die zart gehauchte Stimme von Lotzows’ trifft auf ein kühles Piano-Klanggemälde. Man denkt dabei an graue, nie enden wollende Herbsttage.
Am 5. Juni eröffnen Phantom/Ghost im Wiener Stadtsaal die neue Reihe „Samt Untergrund“, in der abseits von Kabarett eben auch musikalischen Perlen aus der Subkultur ein Platz gegeben wird. Was man sich davon erwarten darf, beantwortet Dirk von Lowtzow im kurzen Mail-Interview. Und natürlich gilt auch hier: Er hat stets die richtigen Antworten auf die falschen Fragen.
The Gap: In einem Interview wurdest du einmal als Dandy bezeichnet. Kannst du mit diesem Begriff umgehen, identifizierst du dich damit, also die ganze Kulturgeschichte dessen miteinbezogen?
Dirk von Lowtzow: Also, ich nehme das mal als Kompliment, finde aber, dass der Dandy-Begriff zuletzt etwas überstrapaziert wurde. Heutzutage bezeichnet sich ja jeder Bauer als Dandy, ich hingegen bin, glaube ich, eher rustikal veranlagt. Ich versuche mal folgende Theorie: Wer von sich sagt, er sei ein Dandy, ist schon keiner mehr.
Ähnlich verhält es sich mit anderen Selbstbehauptungen: "Künstler", "Bohemien", "Drogenfreak", "Radikalinski". Im Augenblick der Aussprache, der Niederschrift, oder zeitgemässer: des "Niederbloggens" macht man sich selbst zunichte. Am besten behauptet man gar nichts. Es gibt sowieso schon zu viele Meinungen und Haltungen. Es ist belästigend.
Ihr wolltet ursprünglich John Cale-Songs covern. Warum gerade John Cale?
Den fanden und finden wir halt beide ziemlich gut. Thies Mynther, mein fantastischer musikalischer und auch sonstiger Partner ist Pianist, da liegt das nahe.
Bei Phantom/Ghost geht es sehr um ruhige, introspektive, von einer gewissen Melancholie gezeichnete Balladen, bei Tocotronic um schnell auf den Punkt kommende, mit plakativen (positiv gemeint) Songtexten und eingängigen Gitarrenriffs, das ist zumindest mein Eindruck: Ist das ein bewusstes Kontrastprogramm? Hier jenes ausleben, das man dort nicht kann und umgekehrt?
Naja, klar. Sonst bräuchte man ja keine zwei Gruppen, oder? Im besten Fall beeinflussen die beiden Projekte sich dann gegenseitig, aber das kann ich selbst schlecht beurteilen. Es ist ein ewiger Lernprozess. Schön und schrecklich zugleich.
Ich habe gelesen, dass ihr vom italienischen Regisseur Dario Argento auf eurem ersten Album beeinflusst worden seid. Was fasziniert euch an seinen Horror-Filmen?
Sie sind bescheuert und schön gleichermassen. So wie wir auch.
Was darf man sich von eurem Konzert im Wiener Stadtsaal erwarten?
Zwei nicht mehr ganz taufrische Männer spielen sich um Kopf und Kragen. Eine Operette der guten Laune. Am besten betrinkt man sich als Zuschauerin gehörig mit uns, dann macht’s noch mehr Spaß.
Du hast schon viele Konzerte in Wien gespielt, welche Erinnerungen hast du an diese Stadt?
Ich kann mich aus oben genannten Gründen an die zurückliegenden Aufenthalte in Wien leider nicht erinnern.
Ja, Panik ist ja bereits in der Spex hochgelobt worden und seitdem in Deutschland keine unbekannte Nummer mehr. Beschäftigst du dich auch mit anderen österreichischen Bands?
Ich war immer großer Fan der "Ersten Allgemeinen Verunsicherung". Deren Hit "Fata Morgana" ist das österreichische Pendant zu unserem Lied "To Damascus". "Abracadabra – und sie war nicht mehr da" Besser geht’s nicht!
Man weiß seit Tocotronic-Zeiten, dass du ein sehr belesener, eloquenter Mensch bist, der sich mit vielen Bereichen wie Literatur, Filme und Musik beschäftigt. Womit setzt du dich aktuell auseinander, gibt es ein bestimmtes Thema?
Wenn ich diese Charakterisierungen lese, "belesen", "eloquent", wird mir, mit Verlaub gesagt, ein bisschen schlecht und ich möchte vor Scham im Boden versinken. Echt jetzt.
Welche Musik hörst du gerade aktuell?
Hauptsächlich Operetten.
Phantom/Ghost – Stadtsaal Samt Untergrund
5. Juni
Stadtsaal Wien, Mariahilfer Straße 81, 1060 Wien
Einlass 20 Uhr, Beginn 20.30 Uhr