Frühe Musikfilme gelten oft als historische Kult-Dokumente, aber was bringen aktuelle Musikfilme – exklusive Einblicke oder nur Randnotizen? Die Poolinale-Veranstalter Lisa Humann und Hannes Tschürtz über „zeitgeistige Themen“ und die Narration des Films …
Die Poolinale – Music Film Festival Vienna hat es sich zur Aufgabe gemacht, Headliner der Musikfilmszene als auch Neuheiten zu zeigen. Musikfilme als Alternative zu den kleinen Happen auf Youtube – so gleichen sie ein wenig dem Vinyl, ein Liebhaberding, das ebenfalls immer mehr Zulauf bekommt.
Rockumentaries und Szene-Filme erlebten in den letzten Jahren eine Konjunktur. War das ein Anreiz vor drei Jahren das Festival zu starten?
Lisa Humann: Das Festival ist vor drei Jahren aus einigen Zufällen heraus entstanden, die dann schließlich der Auslöser dafür waren, die schon länger in unseren Köpfen schwirrende Idee ein Musikfilm-Festival zu veranstalten, umzusetzen. Ich wohnte während des Iceland Airwaves 2010 in der Wohnung von "Backyard" Regisseur Arni Sveinsson und kam so natürlich nicht umhin den Film auch anzusehen; die befreundete Band Efterklang steckte mitten im Projekt "An Island" mit Vincent Moon und und und… Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass es an der Zeit war in Wien die Möglichkeit zu schaffen, Musikfilme auf der großen Leinwand zu sehen.
Viele Musikfilme zeigten sich eher nostalgisch als visionär, z.B. an Martin Scorseses „Shine a Light“, Anton Corbijns „Control“ oder "Searching For Sugar Man". Wie wichtig ist euch die Aktualität der Filmthemen?
Lisa Humann: Da stimme ich dir zu, im Musikfilm wird häufig zurückgeblickt, eine Geschichte erzählt, die schon passiert ist. Ich glaube die Nostalgie liegt in der Natur des Genres. Ein Film, den wir dieses Jahr im Programm haben, ist da aber ein schönes Beispiel, wie zeitgeistige und aktuelle Themen auch im Musikfilm eine Rolle spielen können: Die Kurzfilmreihe "New American Noise" porträtiert die aktuellen Musikströmungen in amerikanischen Metropolen und wagt hier einen Blick in die nahe Zukunft der Musik. Ich würde mir mehr solcher Filme wünschen!
Kann eine Musik-Dokumentation für Filmemacher und Musiker der Anfang vom großen Erfolg sein?
Hannes Tschürtz: Genau dieser Frage gehen wir heuer in den „Poolinale Talks“ nach, die wir ergänzend zum Filmprogramm als Theorieteil aufbauen. Es ist spannend zu sehen, welche großen Namen mit Videoclips oder kleinen Dokus angefangen haben – Lars von Trier, Spike Jonze, Stefan Ruzowitzky… Musikfilme sind sicher schöne Experimentierflächen, bei denen mehr möglich ist als bei Großprojekten oder vergleichsweise marktabhängigen Filmen. Insofern kann man sich möglicherweise als Regisseur hier austoben und herzeigen, was man kreativ kann.
Vom Direct Cinema der 60er Jahre über MTV-Unterhaltung bis Youtube … versucht ihr alles abzudecken – vom unterhaltsamen Fragment bis zu Popmusikgeschichte?
Hannes Tschürtz: Wirklich geregelte Grenzen haben wir uns bislang eigentlich nicht gesetzt. Aber wir sind immer noch ein relativ kleines Festival und decken ganz bewusst jenen musikalischen Bereich ab, in dem wir vordergründig zuhause sind. Dennoch versuchen wir dieser Zielgruppe dann ein möglichst breites und vielfältiges Bild zu vermitteln. Nur 15 Dokumentationen zu spielen wäre genauso langweilig wie 15 Konzertfilme oder 15 kunstvolle Szenestudien. Auch die bisherige Erfahrung zeigt: Die Mischung macht‘s. Wir haben große Namen und völlig Unbekanntes im Programm, wirklich spannende, super gestaltete Filme und relativ klassische Formate. Genau diese Quersumme wird bislang vom Publikum am meisten geschätzt – sie macht schließlich ein Festival aus.