An einen anderen Ort flüchten

Elbow sind schon länger im Geschäft; da vergisst man Aufenthalte in Wien schon mal. Zum Interview erschienen die Briten aber verlässlich und sprachen mit uns über 7-minütige Songs, mögliche Kollaborationen und das Notenlesen.

Die Einstiegsfrage, ob Elbow schon mal in Wien gespielt hätten, ergab widersprüchliche Antworten, man einigte sich dann diplomatisch: "Wir wissen es nicht genau, aber es war eine unglaublich tolle Show", scherzt Gitarrist Mark Potter, der uns zusammen mit seinem Bruder Craig (Keyboards) und Drummer Richard Jupp für ein kurzes Interview vor ihrem (vermutlich ersten) Wienkonzert zur Verfügung stand.

Das aktuelle, im März des heurigen Jahres veröffentlichte Album "The Take Off And Landing of Everything", das auf Platz 1 der UK-Charts kletterte, klingt noch vielfältiger als die bisherigen Elbow-Alben. Rein akustische Kompositionen mischen sich mit klassischen Rocksongs, elektronische Tracks treffen auf jazzige Sounds und orchestrale Hymnen.

Gab es beim Schreiben und den Aufnahmen zum neuen Album Unterschiede zu bisher ?

Mark: "Ja, diesmal war einiges anders, zum Beispiel der Schreibprozess. Erstmal veränderten wir die Anzahl der Musiker im Studio. Früher arbeiteten wir immer alle fünf gemeinsam, und diesmal nahm sich immer jemand ein paar Tage frei, damit nur drei oder vier von uns im Studio werken konnten. Das hat die Dynamik völlig verändert, es war fast, als hätte man für die fehlenden Personen mitkomponiert. Wenn ich dann ein paar Tage später ins Studio kam, war ich immer etwas besorgt, ob die anderen inzwischen meine Gitarren-Aufnahmen oder anderes entfernt haben (lacht). Aber es hat sehr gut funktioniert, und einige Songs gäbe es nicht auf dem Album, wenn wir es anders gemacht hätten. "Fly Boy Blue" ist zum Beispiel durch Rick, Pete (Pete Turner, Bass, Anm.) und mich entstanden. Als wir eines Tages ohne Craig, der auch Produzent und Tontechniker unserer Musik ist, ins Studio kamen, wussten wir nicht, wie man das Ding aufdreht (lacht). Wir konnten also nichts aufnehmen, daher mussten wir uns auf traditionelle Weise hinsetzen und einen Song von vorn bis hinten fertig komponieren. Das wäre nicht passiert, wenn Craig da gewesen wäre."

Habt ihr den Song dann mit Noten aufgeschrieben?

Mark: "Nein, Craig ist der einzige, der Noten lesen kann bzw. es mal konnte. Beim Komponieren verwenden wir auch nicht nur die Instrumente, die wir für gewöhnlich live spielen. Es geht mehr darum, einen Sound zu finden und was der Song benötigt, z.B. Percussion oder Streicher."

Schreibt ihr auch alleine Songs?

Richard: "Bei diesem Album schon. Mark hat den kompletten Song "Honey Sun" gemacht, von Craig stammt "Real Life", und Pete hat "Colour Fields" geschrieben. Jeder von uns hat eigene Teile verwirklicht, was sehr spannend war."

Mark: "Deswegen ist es auch eine sehr eklektische Platte geworden, wie du vorhin gesagt hast. Außerdem ist es das erste Mal, dass wir Guy (Guy Garvey, Gesang, Anm.) nicht nur ein paar Akkordfolgen, wie sonst üblich, sondern ein fertiges Stück Musik übergeben konnten. Guy schreibt alle Texte und Gesangsmelodien und hat früher schon oft gesagt, dass er gerne mal an einem fertigen Song weiter arbeiten möchte. Das limitiert zwar die Möglichkeiten, den Gesang zu variieren, aber bei diesen drei Songs hat es toll funktioniert."

Seid ihr auf einen bestimmten Song auf dem Album besonders stolz?

Craig: "Der Opener "This Blue World" ist für mich einer der besten Songs."

Richard: "Für mich sind es "Real Life" und "The Take Off And Landing Of Everything"."

Mark: "Ja, "Take Off" ist toll. Wir haben den Song noch nicht live gespielt, möchten ihn aber nächstes Jahr in unser Set einbauen. Mein Favorit ist "Fly Boy Blue", weil er in einem bestimmten Stil beginnt und völlig anders aufhört, ein bisschen wie Prog-Rock, nur ohne 10-minütiges Gitarrensolo (lacht)."

Apropos "Take Off And Landing", ihr seid derzeit auf Tour, und da gibt wohl auch häufiges Abheben und Landen, wie gestaltet sich euer Tourleben?

Craig: "Die ersten Monate des Jahres waren durch das Touren sehr anstrengend, aber sehr erfolgreich, die Shows waren großartig. Jetzt haben wir etwas mehr Auszeiten und bereits begonnen, am nächsten Album zu arbeiten."

Mark: "Wir schreiben im Prinzip konstant neues Material, ohne Druck, bis irgendwann ein neues Album fertig ist."

Nächste Seite: Orchester, 7-minütige Songs, welche Platte sollte überleben

Bild(er) © Stephan Brueckler
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