»Anno 1800«: Spielen wie damals

Der neue Teil der Anno-Reihe erinnert in seinen vielen Stärken, aber auch in seinen Schwächen an früher.

Damals, im letzten Jahrtausend, war »Anno 1602« das Spiel, bei dem selbst medienkritische Eltern die Augenbrauen hoben und anerkennend nickten: Echtzeitstrategie ohne den üblichen Fokus auf die Kriegsführung, zunehmend komplexe Produktionsketten und die ansprechende Optik der historischen Siedlungen besänftigten den Grant der Erziehenden und begeisterten gleichzeitig Spielerinnen und Spieler.

Mehr als zwanzig Jahre später hat sich an den Grundlagen wenig geändert, aber vieles weiter entwickelt. »Anno 1800« müssen für jeden Betrieb die richtigen Arbeitskräfte bereit stehen. Die Handwerker des Kleinbürgertums gehen nicht auf die Felder, nähen aber Pelze. Und sie brauchen wie üblich mehr und aufwendigere Wahren für ihr kleines Glück. Aber die Nähmaschinen-Produktion verpestet die Luft und verscheucht die Touristen, die Geld auf die Insel bringen. Und Felle gibt es nur in der neuen Welt, also müssen unter veränderten Bedingungen neue Siedlungen gegründet werden. Auch Anno ist erwachsen geworden. Und wenn die Bevölkerung nach Strom und Eisenbahnen schreit, muss schon einmal ein Stadtteil niedergerissen und neu geplant werden.

Auch die wenig relevanten Seeschlachten – nur am Ozean wird in »Anno 1800« Krieg geführt – erinnern an früher. Diesmal aber an die damals gewöhnlichen Schwächen der KI. Eine Fregatte allein ist schon ein sperriges Biest. Eine Flotte ist wie ein Haufen von Stachelschweinen, die gleichzeitig in ihren Bau stürmen, nur um sich im Eingang zu verkeilen. „War never changes“, heißt’s anderswo. Anno bringt den Beweis und verführt schon allein durch die traditionell verkorkste Kampfsteuerung zur Diplomatie.

Und auch der blauäugige Umgang mit Geschichtsdarstellungen erinnert an die Zeit vor den Game Studies und politischen Diskussionen über Spielinhalte. Die Welt von »Anno 1800« ist manchmal bis zur Dümmlichkeit fröhlich und lässt sich davon auch von der industriellen Revolution nicht abringen. Von arbeitenden Kindern ist in den Bergwerken nichts zu sehen, die Menschen in der neuen Welt ackern fröhlich für ihre neuen Herren und von Sklavenhandel ist sowieso keine Rede.

»Anno 1800« schürt die Freude am funktionierenden System. Wenn die vielen kleinen Karren, Schiffe und Eisenbahnen Wahren über die Karten transportieren und in jedem Haus nur glückliche Gesichter zu sehen sind, werden die aufwändigsten Produktionsketten zu freudvollen Rätseln. Damit lassen sich viele gemütliche Stunden verbringen. Die kleinen Schwächen bleiben im erträglichen Rahmen und wer’s kritisch will wechselt zu Spinnortality.

»Anno 1800« ist bereits für den PC erschienen.

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