Salutes bald erscheinende EP "My Heart" zeigt ihn als facettenreichen Produzenten, von dem wir noch lange nicht genug haben.
Manche Künstler schätzt man ob ihres Werkes, manche sind einfach coole Socken und was sie musikalisch tun, ist eher zweitrangig. Salute gehört zu den seltenen Exemplaren, deren Musik man genauso verehrt wie die Person dahinter. Nicht nur darf es als außergewöhnlich gelten, was der gebürtige Wiener in so jungen Jahren erreicht hat – das gilt für Soundcloud-Plays wie die eigene konstante musikalische Weiterentwicklung gleichermaßen –, auch sein bescheidener Umgang mit seinem Erfolg, seine sympathischen Auftritte und Interviews und der Mut, die eigene Meinung auch zu schwierigeren Themen klar zu artikulieren – Hut ab. Mit "My Heart" veröffentlicht der 20-jahrige Produzent eine EP/Mini-Album, die die unterschiedlichen Facetten seines Könnens nicht nur dokumentiert, sondern ihn als Musiker zeigt, der sich früh gegen kurzlebige Hypes und für Weitblick und die Liebe zum Ausprobieren entschieden hat. Es ist eine EP, der man die Freude und Lust ihres Machers anhört und die gleichzeitig nicht alle Asse, die Salute im Ärmel hat, ausspielt. Ja, auf seinem Debütalbum wird uns Salute – wenn er soweit ist – wieder überraschen – das ist klar.
Wir haben uns mit dem Produzenten, der mittlerweile hauptsächlcih in England lebt, nicht nur über seine Musik sondern auch über den Brexit, Grime und künftige Kollaborationen unterhalten.
Internationale Medien führen dich als UK Producer, das „AUT“ in deinem Instagram oder Twitter-Namen lässt noch auf Verbundenheit zu Österreich schließen. Wo fühlst du dich denn grade zu Hause und wirkt sich der Ort, an dem du wohnst, auf deine Musik aus?
Das mit dem "zu Hause fühlen" ist eine ziemlich komplizierte Sache. Ich habe mich nie zur Gänze als Österreicher identifizieren können, weil mir in der Vergangenheit immer wieder klar gemacht worden ist, ich sei keiner. Wenn man ununterbrochen im negativen Sinne als Ausländer abgestempelt wird, bleibt das – besonders im jungen Alter – ziemlich hängen. Eigentlich ist das ziemlich absurd. Ich bin in der Semmelweis-Klinik auf die Welt gekommen.
Zu Hause fühl ich mich dort, wo meine Freunde und Familie sind. Sowohl in meinem kleinen Kreis in Wien also, als auch hier in England. Ich beziehe so etwas eher weniger auf den eigentlichen Ort und mehr auf die Menschen.
Natürlich hat sich der Umzug nach England auf meine Musik ausgewirkt, ich hab eine Weile absichtlich ziemlich cluborientiert produziert. Ich versuche mich trotzdem von dem klassischen, britischen Sound zu distanzieren, denn genau der wird ziemlich schnell fad.
Wenn ich deine Tweets richtig interpretiere, warst du eher nicht #teambrexit. Wie geht’s dir jetzt persönlich nach der Entscheidung, wie ist die Stimmung in deinem Umfeld?
Mir wird jedes Mal schlecht wenn ich daran denke, so sehr hat es mich schockiert. Man muss dazu sagen, dass unglaublich viele junge Menschen hier einfach nicht wählen gegangen sind – das hätte enorm viel ausgemacht. Trotzdem finde ich es so schlimm, dass scheinbar der Großteil der älteren Menschen hier noch so in der Vergangenheit lebt, was die Politik betrifft. Ich rede manchmal mit Leuten, die annehmen ich wäre Brite – sobald zum Thema Brexit etwas fällt wird und ich mich als Wiener oute, wird ihnen die ganze Situation erstmal extrem unangenehm und sie beginnen kräftig zum Backpedallen.
Seit wir das letzte Mal 2013 mit dir geplaudert haben, hat sich unglaublich viel bei dir getan – wenn du jetzt zurückdenkst: kannst du drei Sachen/Ereignisse nennen, die seit damals in deiner Karriere passiert sind, mit denen du 2013 überhaupt nicht gerechnet hättest?
Ich hätte mir erstmal nicht gedacht, dass ich es noch 3 Jahre lang schaffe, noch irgendwie relativ interessant zu bleiben. Anscheinend bin ich doch nicht allzu terrible. Ich lege kaum mehr auf, sondern spiel mit meiner Live-Band. Wie ich es jetzt schaffe, so etwas durchzuziehen, ist mir jetzt gerade noch immer ein Rätsel. Eine Live Show zu planen, kreieren und dann noch tatsächlich durchzuführen, dann eine Tour am Start zu haben ist nämlich gar nicht so easy, wie man es vorstellen würde. Zu guter letzt hätte ich mir nie gedacht, dass ich einen Giganten wie Flume in einer massiven Venue supporte. Das erzähl ich vielleicht mal meinen Kindern, falls ich jemals welche haben sollte. Ich kann jetzt nur hoffen, dass es weiterhin so spannend bleibt, anders wär’s schade.
„My Heart“ geht nun schon vorsichtig Richtung Album-Länge, firmiert aber noch unter „Mini-Album“. Wie kams zu der Entscheidung mit dem Debütalbum noch zu warten – oder denkst du gar nicht in solchen Kategorien und haust Musik so raus, wies grade für dich passt?
Ich bin seit knapp über einem Jahr unter Vertrag, vereinbart sind 2 EPs, dann ein Album. Mit diesem Format fühl ich mich wohl, mit 18 wollte ich nämlich noch überhaupt nicht an ein Debütalbum denken. Die zwei EPs, ‘Gold Rush’ & ‘My Heart’, haben mir bei der künstlerischen Weiterentwicklung so sehr geholfen, dass ich jetzt im Sommer langsam Ideen für mein erstes Album sammeln kann. Das kommt dann schätze ich in anderthalb Jahren oder so, mal schauen. Ich lass mir mit sowas irrsinnig viel zeit. ‘My Heart’ hätte zu Weihnachten fertig werden sollen. Damals waren es nur 4 Tracks, und ich war komplett unzufrieden. Ich habe mir dann noch 5 Monate Zeit genommen, um noch mehr Lieder zu schreiben. Insgesamt hab ich in knapp unter einem Jahr für die EP alleine zirka 15 gemacht, von denen es 7 geschafft haben. Beim Album wird der Vorgang nicht anders sein, glaub ich.
Ich finde „My Heart“ zeigt dich als sehr facettenreichen Produzenten, fast als wär’s ein bisschen eine Showcase-Platte, die eben zeigt, was du alles kannst. Gleichzeitig find ich es weicher und souliger als – sagen wir – Castle / VXV, obwohl da auch nicht gewaltig viel Zeit dazwischen liegt. Worum ging es dir besonders bei diesem Mini-Album?
Danke! Genau das war mein Ziel. Ich will nicht mehr als ‘Future-Bass’-Produzent beschrieben werden, der Begriff ist mittlerweile ultra-lame. Es ging mir drum, alle großen Einflüsse von mir zu showcasen – R&B, Gospel (One More Chance, Forever), Soul, aber auch eher Sachen in die Rock-Richtung (Yours & Mine). Ich hätte genau so einfach 4 instrumentale Banger schreiben können, aber die Schiene passt glaub ich nicht mehr ganz zu mir. Deswegen hab ich ja jetzt auch die Band, ich versuche alles viel musikalischer anzugehen. Ich will, dass man das salute Projekt in etlichen Jahren noch kennt – deswegen ist es mir wichtig, dass ich Musik mache, die lange hält. ‘My Heart’ soll genau dieser erste Schritt nach vorne sein.
„Forever“ klingt nach etwas, mit dem auch Chance The Rapper gut was anfangen könnte. Wäre der jemand, mit dem du gerne arbeiten würdest? Welche große (und kleinere) Namen stehen denn gerade auf deiner Wish-List? Wie stehst du zum jetzigen UK Grime Hype?
Witzig, als mein Manager die Instrumentalversion von Forever gehört hat, war Chance sein erster Feature-Vorschlag. Chance ist ein Gott, ich würde unglaublich gerne mit ihm arbeiten – vielleicht irgendwann mal, wishful thinking. Ich will für mein Album ein Lied mit Nai Palm, der Leadsängerin von Hiatus Kaiyote schreiben. Fuck, sie ist so gut, ‘Choose Your Weapon’ ist eines meiner Lieblingsalben aller Zeiten. Robert Glasper ist noch so einer, aber da muss ich gar nicht so viel dazu sagen. Future oder Travis Scott vielleicht und Kevin Parker (Tame Impala). Es würde mir auch nur seine Festplatte reichen, ich hätte dann absolut keine Karrierebedenken mehr.
Zum Thema Grime: der Hype nervt. Das wäre nicht der Fall, wenn es kein Hype, sondern eine Appreciation wäre. Ein Hype ist nie gut. Ich höre dank meinem Englischen Cousin und FIFA Street 2 Grime, seit ich ein Kind bin. Seine Familie und er haben damals noch in einem ziemlich roughen Teil von Nordwest London gelebt – von Messerstichen und Überfällen war da täglich die Rede. Keiner wollte so leben. Genau aus dieser Situation entstand Grime – so hatten junge Menschen die Chance, ihre Aggressionen kontrolliert rauszulassen. Um Grime zu verstehen, muss man sich mit der Kultur dahinter auseinandersetzen – das ist bei jedem Genre der Fall. Nur die wenigsten machen das tatsächlich. Zumindest hier nicht. Dort beginnt dann das Problem – jeder nimmt das, was er ‘hip’ oder ‘cool’ findet: den Slang, die Nike-Kappen und Tracksuits. Viele versuchen ‘schwarz’ zu wirken. Der Paul Mooney Spruch “Everybody wants to be a nigga, but nobody wants to be a nigga” passt ziemlich gut daher. Mich ekelt sowas extrem. Grime ist kein Gimmick, sondern eine Kulturbewegung, ähnlich wie Punk oder Hip Hop damals. Ich könnte einen ganzen Artikel drüber schreiben, da steckt enorm viel dahinter. Schwarze Musik wird von den Medien oft extrem zurückgeblieben und einfach dargestellt, das ist ein riesiges Problem.
Verfolgst du noch die Wiener/Österreichische ProduzentInnen-Szene? Was gefällt dir da gerade (außer dem eigenen Bruder, versteht sich)?
Klar – abgesehen jetzt von den ganzen Giganten (you know who you are) – srsly, Neco, Kimyan Law, Wandl (skrrr!), MOTSA.. unter anderem natürlich. Mir fallen gerade auf die Schnelle nur wenige ein. Auch wenn Exyle nicht mein kleiner Bruder wäre, würde ich ihn in den Himmel preisen. Oft fragt man mich, ob ich ihm das Produzieren beigebracht hätte. Die Antwort lautet nein. Er hat es einfach enorm drauf, ich bin stolz auf ihn.
(Internationaler) Lieblingsrelease 2016 bis jetzt?
Flume – Skin. Meisterwerk.
Wann wurde dir eigentlich das erste Mal bewusst, du hast Talent für Musik?
Ich habe damals mit 14 oder 15, als ich noch Drum & Bass produziert habe, oft Sachen auf SoundCloud gestellt und mir eigentlich nichts davon erwartet. Plötzlich kamen aber von hier und dort Meldungen, und einige Menschen haben mir ziemlich Mut gemacht. Natürlich hab ich Musik damals nichts als Karriereoption gesehen, aber genau das hat mich motiviert, besser und besser zu werden. Mir ist nie bewusst geworden, ich hätte ein Talent, sondern dass mir nichts anderes mehr Freude bereitet hat.
"My Heart", die neue EP von Salute, erscheint am 19.8 via Pias. In die Singles One more Chance und Storm könnt ihr bereits reinhören. Absolute Empfehlung!